Die Geschichte des Seeräubers Klaus Störtebeker wurde in der DDR wohl zuerst von Willi Bredel in seinem Kinderbuch „Die Vitalienbrüder“ (1950) literarisch verarbeitet. Den meisten Rüganern und Rügenbesuchern dürften jedoch eher die Störtebeker-Festspiele ein Begriff sein. Sie begannen am 16. August 1959 mit der Uraufführung der „Dramatischen Ballade von Klaus Störtebeker“ in sechs Episoden nach dem Text von Kurt Barthel (KuBa). Die Deutsche Post gab aus Anlass der Aufführungen einen Sonderstempel heraus, das Reisebüro vertrieb Karten zu sechs Mark „zuzügl. 0,10 DM Kulturabgabe“ und organisierte Sonderfahrten, ein Puzzle-Spiel „Seeschlacht“ wurde angeboten und vieles mehr.
Ursprünglich waren der Strand von Altefähr mit Blick auf Stralsund oder die Klosterruine Eldena bei Greifswald als mögliche Aufführungsorte in der Auswahl. Schließlich entschied man sich für die Freilichtbühne von Ralswiek am Großen Jasmunder Bodden, wo die Ballade viele Jahre die Besucher in ihren Bann zog. Bis 1961 waren es rund 400.000 Zuschauer, zu den Neuinszenierungen 1980/81 kamen nochmals 265.000. Intendant war Hanns Anselm Perten vom Rostocker Volkstheater, die Musik – insgesamt 18 Titel – stammte von Günter Kochan. Erster Störtebeker-Darsteller war Lothar Krompholz.
Die Naturbühne, die 1959 in kürzester Zeit für die Festspiele erbaut wurde (damals mit Holzbänken, Stehplätzen und einer Orchestermuschel aus Beton und Holz), gehörte mit ihren 9087 Plätzen zu den größten Freilichtbühnen Europas. Extra für die Festspiele wurde nahe Lietzow ein spezieller „Haltepunkt Störtebeker“ mit improvisiertem Bahnsteig eingerichtet, an dem die Züge mit den Besuchern hielten. Zu den anfangs fast 2000 Mitwirkenden gehörten zahlreiche Chöre, Tanzgruppen aus Bergen, Güttin, Binz, Sellin und Göhren, Orchester aus Stralsund, Greifswald und Putbus, Reiter der Rügener Gesellschaft für Sport und Technik, Soldaten der Nationalen Volksarmee, Angehörige der Seestreitkräfte. „Zwischenversionen“ gab es ab 1980, allerdings war nach der zweiten Saison Schluss. Eine Version, angelehnt an die Uraufführung, kam am 2. September 1999 im Putbuser Marstall zur Aufführung.
Seit einigen Jahren wird die Tradition des Störtebeker-Spektakels fortgesetzt. Die ersten Nachwendevorstellungen fanden vom 3. Juli bis zum 29. August 1993 unter dem Titel „Wie einer Pirat wird“ statt. Textautor war Rudi Strahl, Regie führte DEFA-Regisseur Peter Oehme. Intendant damals wie heute ist Peter Hick, der zuvor Erfahrungen bei den Bad Segeberger Karl-May-Festspielen gesammelt hatte.
Die Sage um Störtebeker war jedoch schon viel früher Gegenstand künstlerischer Verarbeitung. Im 25. Jahresbericht der „Gesellschaft für Pommersche Geschichte und Altertumskunde“ (1852) wird beispielsweise auf ein nach der Hinrichtung Störtebekers und Gödeke Micheels in Hamburg erschienenes Volkslied verwiesen, genannt „den olden hamburger Stortebeker“. Der erste Vers lautete: „Störtebeker und Gödetke Micheel/ de rôveden beide to liken deel/ to water und nicht to lande/ so lange dat it Gode im hemmel verdrôt/ des mosten se liden grote schande“.
In verschiedenen hochdeutschen Fassungen verbreitete sich das Lied schnell, der älteste hochdeutsche Text soll sich in einem 1582 gedruckten Liederbuch befunden haben. Weiter zitiert der Bericht den Text eines 26 Strophen umfassenden Liedes, den sich der Sagarder Pastor Willich um 1800 durch einen der ältesten Männer Jasmunds deklamieren ließ.
Das Stralsunder Tageblatt vom 4. August 1921 verwies auf den 1919 produzierten „Decarli-Film Klaus Störtebeker“ mit Bruno Decarli in der Hauptrolle, „wundervollen“ Aufnahmen auf dem Meer und von den weißschimmernden Klippen Rügens. Bei derartiger Begeisterung ist es zu verschmerzen, dass das Blatt „Störtebeker“ als „Deckelbrecher“ übersetzte. Im Dezember 1925 erließ die „Reichsfilmzensur Berlin“ Jugendverbot für den Film.
Auch zwei Opern gab es: Zum einen „Störtebecker und Jögde Michaels“, eine 1701 und 1709 in Hamburg aufgeführte Oper in zwei Teilen mit jeweils drei Akten, komponiert und produziert von Reinhard Keiser. Das Libretto wird einem Herrn Hotter zugeschrieben, Sänger der Hamburger Oper, später Kantor im friesischen Jever. In einem 1882 vom Musikhistoriker Friedrich Chrysander veröffentlichten Lebensbild Keisers wird der Stoff allerdings als „ein von obscuren Scribenten zusammengeschriebenes, rohes Product“ bezeichnet.
Die zweite Oper, „Claus Störtebecker, der Fürst des Meeres“, kam erstmals am 27. November 1851 im Hamburger Stadttheater zur Aufführung. Komponist war der Flötist und Dirigent August Martin Canthal, die deutsche Übersetzung des französischen Librettos von Jean Francois Tassard besorgte Th. G. Herrmann.
Einen ausführlichen Titel hatte 1725 Johann Gottlob Förster für sein Stück gewählt: „Die bekannten Seeräuber Claus Störzenbecher, Gädsche Michael, Wigmann und Wieghold, wie dieselben in dem heiligen Lande gefangen genommen, in Hamburg auf dem Grasbrook nebst 150 Mann zur öffentlichen Execution gebracht worden sind“. Mit kürzerem Titel, dafür im Text umso ausführlicher, verarbeitete 1890 der in Elbing geborene Karl George Füllborn (auch George F. Born) das Störtebeker-Thema. Er brachte es in seinem Volksroman „Der Seeräuber Admiral und König des Meeres Claus Störtenbeker und seine Abenteuer als kühnster Seeräuber der Nord- und Ostsee oder Die Tochter des Senators“ auf 1600 Seiten. In einer Quelle wurden unter dem Erscheinungsdatum 1878 sogar 2974 Seiten in 54 Bändchen angegeben.
Die Jugendschriften-Warte, Zeitschrift der vereinigten deutschen Prüfungsausschüsse für Jugendschriften, verwies im Mai 1913 auf das Berliner Verlagshaus für Volksliteratur und Kunst, dessen Heftsammlungen „Teil des gröbsten Schundes“ seien, der Deutschland in den letzten Jahren überflutet habe. Dazu gehöre auch die 1908/09 erschienene, 60 Hefte umfassende Sammlung „Klaus Störtebeker – der gefürchtete Herrscher der Meere“ (Serie 1). Unter gleichem Titel erschien 1932/33 Serie 2 mit 54 Heften.
Theodor von Fontane hatte einen Roman unter dem Titel „Die Likedeeler“ in Angriff genommen, der jedoch Fragment blieb. Er wolle einen ganz neuen Roman schreiben, der von allem Dagewesenen abweiche, teilte er 1895 in einem Brief an den Verleger Hans Hertz mit. Von den ursprünglichen 232 Seiten Notizen, Entwürfen und Skizzen gilt der Großteil als verschollen.
Zur Aufführung gelangte dagegen an der Berliner Volksbühne 1927 unter der Regie Erwin Piscators das Stück „Gewitter über Gottland“ von Ehm Welk. Der Autor verglich die 400 Jahre der Hanse mit den 35 Jahren des Bundes der Vitalianer, von denen „die Vorstellung wilder, kühner Männer, ihrer Todfeindschaft gegenüber allen Reichen und Mächtigen, ihres Gemeinschaftssinns und ihrer Freundschaft zu Armen und Notleidenden“ geblieben sei. Ein gefundenes Fressen für die bürgerliche Presse, die schäumte „Bolschewistische Volksverhetzung“ und „deutscher Kulturbolschewismus“.
Der Alt-Reddevitzer Lehrer und Heimatdichter Fritz Worm veröffentlichte 1924 das Textbuch zu „Klaus Störtebeker. Plattdütsches Volksstück in 3 Uptäg“ im Verlag von G. Danner in Mühlhausen in Thüringen. Die 13 „Mitspälers“ des Stücks sind neben Klaus Störtebeker unter anderem Ilse, sine Leiwste, die vier Seeröwers Kasper, Michel, Jochen, Kunrad und eine Fee. Als Zeit der Handlung gibt Worm „för ungefihr 520 Johren” an, als Handlungsort „in un bi´n lüttes Dorp up Jasmund“. Worm versetzt das „bis ins Kleinste der Volksrede abgelauschte“ Stück in eine Zeit, „da es in Deutschland der einfache Mann noch als selbstverständlich hinnahm, einem Mächtigeren und Besitzenderen leibeigen zu sein“. Mancher habe sich jedoch aufgelehnt, so auch Störtebeker, der sich lieber mit den Elementen messen will, statt erster Diener des Gutsherrn zu werden. Trotz der Bitten seiner „leiwen Dirn“ zieht es ihn aufs Meer, wo er Schätze für seine Braut sammelt und in einer Felsenhöhle nahe seines Heimatdorfes versteckt. Einzige Mitwisserin ist Ilse, die von zwei Genossen Störtebekers, die seinen angeblichen Tod mitteilen, aber nur nach dem Schatz trachten, überfallen wird. Durch das Dazwischentreten der Fee wird der Raub zwar verhindert, Ilse stirbt aber, bis zuletzt auf ein Wiedersehen mit Störtebeker hoffend.
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