Carlo-Antonio Masala, medial omnipräsenter „Kriegserklärer“ – Im Deutschlandfunk-Interview mit Philipp May suchten Sie, Professor an der Universität der Bundeswehr in München, unlängst all jene zu beruhigen, die für den Fall einer Taurus-Lieferung an die Ukraine eine russische Reaktion gegen Deutschland fürchten: Die Möglichkeit des Einsatzes von Nuklearwaffen sei momentan „eher gering“, meinten Sie, „weil Russland sich natürlich (!) auf dem Vormarsch befindet. Also von daher ist die Verbindung von Taurus-Lieferung und einer Reaktion gegen die Bundesrepublik Deutschland meines Erachtens … liegt erstmal so zwangslogisch nicht auf dem Tisch.“ Die holprige Syntax der spontanen Rede beiseitegelassen: Wie stünde es denn „zwangslogisch“, wenn der russische Vormarsch mit Hilfe deutscher Marschflugkörper gestoppt würde? Brigadegeneral a.D. Helmut W. Ganser nannte Taurus-Salven, die etwa zur Zerstörung der Kertsch-Brücke führen würden, ein „singuläres Ereignis im Kriegsverlauf“, das „nicht nur in Moskau […] als spezifische deutsche Leistung“ aufgefasst werden würde, „während andere westliche Staaten der Ukraine keine Waffensysteme mit vergleichbarer Wirkung zur Verfügung stellen wollen oder können“.
Besorgnisse angesichts einer möglichen russischen Reaktion darauf, wie sie auch den Bundeskanzler zu seinem (vorläufigen?) Nein bewogen haben mögen, wussten Sie in besagtem Interview (er)schlagend zu kontern: „Es würde ja auch bedeuten, dass der Kanzler glaubt, dass – wenn man Deutschland angreifen würde – Deutschland schutzlos dasteht, dergestalt, dass kein anderer NATO-Staat Deutschland dann beistehen würde.“ Dass sich die Konfrontation zwischen der NATO und Russland in diesem Fall zum offenen Krieg ausweiten würde, nähmen Sie also in Kauf? „Zwangslogisch“ graut uns vor Ihnen, Herr Professor!
Charles Michel, Präsident des Europäischen Rats – In einem Artikel für den Spiegel haben Sie neulich die Auffassung vertreten: „Wenn wir Frieden wollen, müssen wir uns auf Krieg vorbereiten.“ Das geht sehr viel weiter als der manchen von uns noch bekannte Slogan „Der Friede muss bewaffnet sein“. Bis auf eine Randbemerkung zur Diplomatie galt Ihr ganzer Text allein der Aufrüstung. Die Logik dieser Politik leiten sie aus der Erwartung ab, dass die Ukraine gegen Russland irgendwie gewinnen könne, woran nach zwei Jahren Kampf, Tausenden Toten und trotz milliarden-teurer Waffen nicht nur der Papst Zweifel zulässt, und ferner der Annahme, dass Russland plane, „als Nächstes“ Europa anzugreifen, was nun schlicht das Ende der europäischen inklusive der russischen Zivilisation wäre, wie auch der Kreml weiß. Wie jenen lauten Rufen nach den Wunderwaffen fehlt ihrer vehement formulierten These eine Vision für die Zukunft, die, wie wir uns erlauben einzuwerfen, eben nicht in der Hochrüstung und der umfassenden Militarisierung unseres Lebens bestehen kann. Bedenken Sie die Folgen und rufen Sie sie nicht herbei! Der Präsident des Europäischen Rates sollte seine Initiative auf die Diplomatie richten und die Militarisierung nicht befördern, sondern ihr entgegentreten.
Friedrich Merz, CDU-Chef und Möchtegern-Kanzler – Der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (online, 16.03.2024), haben Sie mit Blick auf den Ukraine-Krieg zu Protokoll gegeben: „Aus heutiger Sicht stellt sich die Frage nach Bodentruppen nicht. Damit sie sich auch in Zukunft nicht stellt, müssen wir unterhalb dieser Schwelle alles tun, damit ein Angriffskrieg auf europäischem Boden keinen Erfolg hat und sich die Ukraine gegen den russischen Aggressionskrieg erfolgreich behauptet.“
Im Umkehrschluss heißt das wohl, sollte sich die Ukraine nicht erfolgreich behaupten, was namhafte Experten hier und anderswo für wahrscheinlich halten, würden Sie die Bundeswehr in Marsch setzen. Danke für diese Klarstellung!
Wir legen Sie uns für den Abend vor der nächsten Bundestagswahl auf Wiedervorlage.
Wolfgang Richter, Sicherheitsexperte – Als Oberst a.D. und ehemaliger Generalstabsoffizier der Bundeswehr gelten Sie seit Ihrer langjährigen Tätigkeit bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) als nüchterner Analytiker. Jetzt äußerten Sie: „Ein Vergleich der militärischen Ressourcen, die der Ukraine und Russland heute und auf absehbare Zeit zur Verfügung stehen, lässt den Schluss zu, dass auch die Wiederherstellung der Grenzen von 1991 für Kiew militärisch nicht lösbar ist. Da liegt es nahe, eine politische Lösung anzustreben.“ Und: „Es wäre […] unmoralisch, die Ukrainer zu ermutigen, für ‚unsere Werte‘ und ‚unsere Sicherheit‘ zu sterben, während eine realistische Chance auf einen ‚Siegfrieden‘ nicht in Sicht ist und man zugleich Verhandlungen ausschließt.“
Das klingt fast wie Flankenschutz für den wieder einmal – und auch aus den eigenen Reihen – viel gescholtenen SPD-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Rolf Mützenich. In der FAZ wurde er gar als „Chamberlain unserer Tage“ verunglimpft, denn er hatte doch tatsächlich die ketzerische Frage gewagt: „Ist es nicht an der Zeit, dass wir nicht nur darüber reden, wie man einen Krieg führt, sondern auch darüber nachdenken, wie man einen Krieg einfrieren und später auch beenden kann?“
Aber so war es ja schon immer: Wer mit dem Rücken zum Licht am Ende des Tunnels steht, der kann es natürlich nicht sehen …
André Mielke, Kolumnist – Das Internet hat uns verraten, dass Sie Jahrgang ’63 sind, mithin den Kinderschuhen entwachsen. Trotzdem werfen Sie bei den Öffentlich-Rechtlichen hin und wieder einen Blick ins Programm für die Jüngsten und das ist gut so! Anderenfalls hätte Ihnen nämlich folgendes nicht sauer aufstoßen können: „Das öffentlich-rechtliche Kinderformat ‚logo!‘ verbreitet ein Video, worin niedliche Fernlenkwaffen mit Augen und Mündern ihren deutschen Kollegen dafür hänseln, dass er, ‚weil euer Kanzler wieder mal zaudert‘, nicht mit ihnen in die Ukraine darf. Taurus wehrt sich mit der Behauptung, der bessere Marschflugkörper zu sein, worauf der Brite Storm Shadow die Charakterfrage stellt: ‚Wohl eher ein Ar***flugkörper, wenn du nicht bald hier auftauchst!‘ Anstelle der Sternchen ertönt ein Piepton, um Kinderseelen nicht zu schaden.“
Sie hätten vielleicht noch erwähnen sollen, dass wir alle unser Scherflein dazu beitragen dürfen, solchen Schund zu produzieren und zu verbreiten, denn finanziert werden die Öffentlich-Rechtlichen aus unser aller monatlich fälligen Zwangsabgabe, euphemistisch auch Rundfunkbeitrag genannt.
Laut ZDF handele es sich bei dem Video allerdings „klar erkennbar“ um „Comedy, Überspitzung und Ironie“.
Dazu Sie: „Nach meinem Verständnis ist Satire kein Synonym für klar erkennbare Scheiße.“ Diesem Verständnis schließen wir uns an – vollumfänglich, also ausdrücklich inklusive des S-Wortes.
Boris Nadeschdin, Putin-Antipode – Dass Sie als Gegenkandidat bei den russischen Präsidentschaftswahlen unter fadenscheinigen Vorwänden nicht zugelassen worden sind, ist von Politik und Medien hierzulande durchgängig und zu Recht als undemokratisch kritisiert worden. Sollten Sie jedoch künftig weiterhin mit derartiger Schützenhilfe rechnen, dann sollten Sie ihre Zunge vielleicht besser im Zaume halten. Sagten Sie doch der Berliner Zeitung zur Perspektive des Ukraine-Krieges: „Das Problem ist, dass sowohl Putin als auch Selenskyj den Konflikt militärisch lösen wollen. Sie wollen gewinnen. Für beide ist das aber nicht realistisch. Schauen Sie, wie wenig sich die Frontlinien in den letzten eineinhalb Jahren geändert haben. Ja, es gibt etwa den russischen Erfolg bei Awdijiwka. Aber das ist noch kein Durchbruch […]. So steigen die Chancen auf Verhandlungen. Niemand wird militärisch siegen. Es wird Friedensverhandlungen geben – umso schneller, desto besser.“ Mit solchen defätistischen Sprüchen, Wertester, werden Sie bei unseren Siegpredigerinnen von Baerbock über Göring-Eckardt bis Stramm-Zimmerflak keinen Blumentopf gewinnen.
Mukesh D. Ambani, indischer Unternehmer – Mit einem Reichtum von 102,4 Milliarden Dollar, den bloß als Vermögen zu bezeichnen uns nicht aus der Feder fließen will, stehen Sie derzeit laut Forbes Magazin auf Platz elf der Liste der Reichsten dieser Welt.
Da kann Balzacs Feststellung, dass hinter jedem großen Vermögen (lediglich) ein Verbrechen stehe, auf Sie nicht zutreffen, denn solchen privaten Reichtum wie den Ihrigen gab es zu jenen Zeiten noch gar nicht.
Aber über Heka-, Heka-, Hekatomben von Verbrechen wollen wir hier gar nicht spekulieren. Uns faszinierte vielmehr der Bericht in einem nicht dem Boulevard zuzurechnenden deutschen Medium, wonach Sie Ihrem Sohn Anant gerade einen Polterabend spendiert hätten, dessen Kosten sich auf 150 Millionen US-Dollar summiert haben sollen. Mit 1200 Gästen, 100 Köchen im Einsatz; Rihanna soll für ein Salär von acht Millionen geträllert haben …
Wie sagte George Bernard Shaw so treffend? „Geld ist nichts. Aber viel Geld, das ist etwas anderes.“
Doch im Ernst: Haben Sie nicht bisweilen schlechte Träume, weil Hunderte Millionen Ihrer indischen Mitbürger nach wie vor in extremer Armut vegetieren? Mit „Einkommen“ unter 2,15 Dollar pro Tag (das ist die offizielle Armutsgrenze) oder nur unwesentlich darüber. Wenn diese Massen nämlich eines Tages …
Aber gewiss verfügen Sie unter Ihrem Hochhaus in Mumbai (Höhe: 173 Meter; 27 Stockwerke) – es gilt als das teuerste private Wohnhaus der Welt; Wert: 4,6 Milliarden Dollar – über einen hinreichend mobsicheren Überlebensbunker.
Wir wünschen für den Fall des Falles, so viel Sozialneid muss sein dürfen, allerdings schon mal alles Schlechte!
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