25. Jahrgang | Nummer 16 | 1. August 2022

Antworten

Ilja Trojanow, Wortgewaltiger – In einer Rede zur Eröffnung der Salzburger Festspiele 2022 stellen Sie fest: „Seit Kriegsausbruch sprechen wir die Sprache des Krieges. Antworten auf jede Frage mit einem entschiedenen Ja oder Nein. Oft ohne die Frage wirklich verstanden zu haben. Reden von Kriegsverbrechen und vergessen, dass der Krieg an sich ein Verbrechen ist, unabhängig davon, wie gerechtfertigt die Selbstverteidigung sein mag, egal, wie die Aggressoren vordringen, der Krieg ist perverse, redundante Monotonie, die nichts anderes zulässt als den einen, den angeblich wahren Ton.“ Und weiter: „Was uns am Krieg erschüttert, ist nicht nur der Tod, sondern die Vereitelung des Lebens in seiner ausufernden Schönheit. Es ist seine Gewalttätigkeit, auch in der Sprache. Was sich in friedlicheren Zeiten als Stottern und Stammeln offenbart, entwickelt inmitten von Bombeneinschlägen eine unentrinnbare Zwanghaftigkeit. In ihrem Schatten hat alles andere zu verstummen. Alle Ambivalenzen, alle Schattierungen, alle Nuancen. Ratschläge werden brachial zu Schlägen und aus dem guten Rat wird im Salutierschritt der Verrat.“

Und Sie fragen: „Es gibt einen kalten Krieg und es gibt einen heißen Krieg, und beide finden im versehrten Frieden statt. Wenn wir wissen, oder zumindest wissen sollten, wie sehr der Krieg alles negiert, was uns wertvoll ist, wieso bekämpfen wir ihn nicht entschiedener in Friedenszeiten? Wieso werden Soldaten und Generäle im öffentlichen Raum geehrt, mutige Deserteure hingegen totgeschwiegen […]“

Wir haben all dem nichts hinzuzufügen.

Julian Assange, Bedrohter – Am 17. Juni diesen Jahres hatte die britische Innenministerin trotz aller Proteste entschieden, dem Auslieferungsantrag der USA zuzustimmen. Auch Abgeordnete des Bundestages in einem forderten in einem Offenen Brief Ihre Freilassung. Immerhin … Die Auslieferung wäre „ein fatales Signal für die Pressefreiheit“, schrieben sie. Seitdem ist Ruhe im Blätterwald und scheinbar auch in der Politik eingezogen. Nichts ist von Annalena Baerbock zu hören. Hatte sie nicht auch irgendwann mal Ihre Freilassung gefordert? Ihre Berichte über Kriegsverbrechen der Amerikaner im Irak passen vermutlich nicht in die allgegenwärtige Kriegsrhetorik. Wobei: Kein Krieger muss Sorge haben (nun ja – bei Russen gibt es sicher eine Ausnahme) – nicht er wird bestraft, sondern der, der die Finger in die Wunde legt.

Heribert Prantl, Wetterer wider Rom – Zu den schon viel zu lange schwärenden zahlreichen Skandalen um sexuellen Missbrauch in der Katholischen Kirche und um das Wegschauen, Verschweigen und Vertuschen durch die Katholische Obrigkeit schrieben Sie dieser Tage: „Nein, sexuelle Gewalt lässt sich nicht wegbeten. Da braucht es anderes, da braucht es mehr, sehr viel mehr als eine kurze Auszeit für belastete Bischöfe und Kardinäle – mit anschließendem Weitermachen. Da braucht es markante Zeichen. Da braucht es Umkehr und einen neuen Anfang. Der Synodale Weg der katholischen Kirche in Deutschland ist ein solcher Anfang. Vielleicht muss man sagen: War ein solcher Anfang.“ Denn soeben habe der Vatikan sein „‚Nichts da‘ gesagt“.

Und in solchen Fällen heißt es bekanntlich seit Kirchenvater Augustinus, viertes/fünftes Jahrhundert und als Heiliger unverändert hoch verehrt: „Roma locuta – causa finita“ („Rom hat gesprochen, die Sache ist beendet“). Passt zum damaligen Bischof des nordafrikanischen Hippo, hatte der doch bereits zuvor mit der Erbsünde eine der größten inhumanen Widerlichkeiten – mit ebensolchen Auswirkungen bis in die Gegenwart – erfunden, die der Katholizismus je hervorgebracht hat. Durchgesetzt hatte Augustinus das Dogma im Übrigen gegen den amtierenden Papst, indem er den seinerzeitigen römischen Kaiser, residierend in Ravenna und damals der wahre Kirchenchef, im Jahre 418 mittels 80 numidischer Zuchthengste bestach. Das ist Kirchengeschichte, wie sie auch gern verschwiegen wird.

Der jetzige „Anpfiff aus Rom gegen die Reformbestrebungen der deutschen katholischen Kirche“ sei im Übrigen „in Form und Inhalt von verletzender Pampigkeit“. Auf diesen „groben Klotz gehört ein grober Keil“!

Da sind wir ganz bei Ihnen. Wir glauben allerdings nicht, dass ein Verein, der etwa um das Jahr 400 von der Religion der Armen zu jener der Reichen und Mächtigen mutierte und sich seither jedem Reformansatz, diese Umkehrung wieder rückgängig zu machen, verschlossen hat, überhaupt noch eine weitere Chance verdiente. (Womit nichts gegen die Ehren- und Ernsthaftigkeit des Synodalen Weges gesagt sein soll.) Das scheinen viele deutsche Gläubige ähnlich zu sehen, wenn man auf den Trend bei den Kirchenaustritten schaut: 2021 verließen 359.338 Menschen die katholische Kirche, ein Drittel mehr als im Vorjahr. Allein im Erzbistum Köln hatte sich die Anzahl mit 40.772 gegenüber 2020 mehr als verdoppelt …