24. Jahrgang | Nummer 15 | 19. Juli 2021

Antworten

Esther Bejarano, Mahnerin – Sie fragten: „Wo stehen wir 76 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz? […] Wir wissen um braune Netze nach 45, das laute Schweigen und das Versagen des Staates bei der Entnazifizierung. […] Was in Gaskammern endete, begann mit Repression, Ausgrenzung und Rassismus.“
Es ist absolut keine Floskel: Ihre klare Stimme wird sehr fehlen.

Franziska Augstein, Journalistin, schaut genauer hin – Sie bekannten jetzt, keine Russland-Freundin zu sein, aber: „Ich konstatiere bloß, was ist. Neulich hat der Osteuropa-Experte Wilfried Jilge geschrieben: Russland nähere sich mit seinen Streitkräften und Militärübungen bedenklich nahe an die Grenzen der Nato an. Das kann nur als Scherz gemeint gewesen sein. Umgekehrt ist es richtig: Die Nato hat mit der Aufnahme neuer Mitgliedstaaten ihre Grenzen immer weiter gen Russland verschoben.“
Wahrscheinlich gehören Sie einfach nicht zu jenen Zeitgenossen, die Jesus in seiner Bergpredigt meinte, als er sagt: „Was siehest du aber den Splitter in deines Bruders Auge, und wirst nicht gewahr des Balkens in deinem Auge?“ (Matthäus 7,3)

Olaf Scholz (SPD), Mensch gewordenes Selbstbewusstsein – Ihnen als Finanzminister der Republik und Kanzlerkandidat der SPD widmete DER SPIEGEL unlängst ein ausführliches Porträt mit dem Titel „Die Ich-AG“. Darin hieß es unter anderem: „Wenn Scholz einmal von etwas überzeugt ist, dann mit Vehemenz. Das gilt besonders für die eigene Person. Nirgendwo steht Olaf Scholz so hoch im Kurs wie bei sich selbst. Sein Selbstbewusstsein trotzt jeder Umfrage. ‚Ich will Kanzler werden‘, sagt der SPD-Mann, dessen Partei bei Demoskopen weit hinter den Unionsparteien und den Grünen und gefährlich nah am einstelligen Bereich rangiert. ‚Ich kann das.‘“
Fein beobachtet von den Kollegen. Wir haben gar nichts hinzuzufügen. Allenfalls den Hinweis, dass, sollten Sie Kanzler werden und die Sache dann so (katastrophal) managen wie weiland als Erster Bürgermeister den G20-Gipfel in Hamburg, es dann nicht genügen wird, dass wir uns alle warm anziehen …

Karl Lauterbach (SPD), das Gesicht der Pandemie – Egal, welchen Radio- oder Fernsehsender im Bereich derer, die dem zusammenhängend gesprochenen Wort zu politischen und gesellschaftlichen Fragen noch Raum geben, man wählt, seit Beginn der Pandemie muss man ständig gewärtig sein, out oft he blue von Ihnen mit der jeweils neuesten Sau, die durchs Dorf getrieben wird, behelligt zu werden. Jetzt haben Sie einem nicht ganz unbekannten Hamburger Nachrichtenmagazin verraten: „Selbst im Urlaub komme ich nicht ohne epidemiologische Studien aus.“ Es entspanne Sie, diese nachts zu lesen: „In der Regel genehmige ich mir auch ein Glas Wein zu meinen Studien.“
Da fühlt man sich doch fast wie Wellington bei Waterloo: „Ich wollte, es wäre Nacht oder die Preußen kämen.“ Und schafften nach Napoleon gegebenenfalls auch den Lauterbach endlich nach Sankt Helena!

Irmtraud Gutschke, wütende Kommentatorin aus dem Osten – Zum Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der deutschen Einheit stellen Sie fest, die Tatsache, dass es im Osten eine „durchgängig skeptischere, distanziertere und auch kritischer ausgeprägte Grundeinstellung“ gibt, sollte uns zur Ehre gereichen.
In der DDR wurde ganz offiziell von Agitation und Propaganda gesprochen. Es gab sogar eine spezielle Abteilung im Zentralkomitee dafür. Zensur war kein Geheimnis. Machtpolitik in keiner Weise verschleiert. Mechanismen, die heute „hinter dem Vorhang“ oder „unter der Decke“ existieren, lagen klar zutage.

Der diffamierende Begriff der „Diktatursozialisierung“ habe in gewissem Sinne einen Vorteil: Im Osten habe man schon in der Schule gelernt, dass „die Klasse, welche die herrschende materielle Macht der Gesellschaft ist“, zugleich „über die Mittel zur geistigen Macht“ disponiert, wie es in der „Deutschen Ideologie“ von Marx und Engels heißt. Ideologie habe man unverdeckt in Aktion gesehen, was aber helfe, sie auch in verdeckter Form zu erkennen.
Genau!