Annegret Kramp-Karrenbauer, CDU-Chefin – Von der Hoffnungsträgerin zum Enfant terrible ist es oft nur ein Lidschlag.
Erst hopsen Sie mit einer eigenwilligen Interpretation der Koalitionsvereinbarung im Hinblick auf Rüstungsexporte ins Fettnäpfchen. CDU/CSU und SPD hatten vereinbart, in am Jemen-Krieg beteiligte Länder keine Rüstungsgüter mehr zu liefern. Sie nun mit Rolle rückwärts: „Ich halte es […] grundsätzlich für falsch, die Regeln so auszulegen, dass die Exporte de facto auf null gefahren werden.“
Dann setzten Sie sich in einer Büttenrede mit einem geschmacklosen Witz über „Toiletten für das dritte Geschlecht“ gleich in die nächsten Nesseln: Solche Toiletten seien „für die Männer, die noch nicht wissen, ob sie noch stehen dürfen beim Pinkeln oder schon sitzen müssen. Dafür – dazwischen – ist diese Toilette.“
Also, wir bleiben zwar dabei, dass Sie im Vergleich zu Ihren Alternativen Friedrich Merz und Jens Spahn die bessere Wahl waren. Ob Sie allerdings auf längere Sicht auch eine gute Wahl sind, muss sich offenbar erst noch erweisen.
Ralph Brinkhaus, visionärer Fraktionsgeschäftsführer der Union im Bundestag – Allen, die nur über Trump und Nordkorea, AKK im Karneval und ähnliche Belanglosigkeiten reden statt über Sie, haben Sie kräftig in die Suppe gespuckt und sich die Aufmerksamkeit selbst der BILD-Zeitung verdient: Sie könnten sich im Jahr 2030 einen Muslim als Bundeskanzler vorstellen – Hauptsache er vertrete „die Werte und politischen Ansichten der CDU“.
Wow, was für ein medialer Aufreger!
Dabei ist den Feminist*Innen im Lande allerdings nicht aufgefallen und den Kollegen in den Redaktionen schon gar, dass Sie ganz offenbar ein alter Unions-Macho und -Chauvi sind, denn anderenfalls hätten Sie sich konsequenterweise natürlich eine vollverschleierte Muslima vorstellen können müssen – Hauptsache sie vertrete …
Götz Aly, geschätzter Streitbarer – Statt „Entmilitarisierung des öffentlichen Raums“ – eine Kampagne „aus dem […] besonders fruchtbaren Schoß der BVV Kreuzberg-Friedrichshain, und […] von der dortigen Bezirksbürgermeisterin mit Wohlwollen bedacht“, um „Straßennamen und Plätze, die an Kriege und Generäle erinnern“, umzubenennen – empfehlen Sie, „wir sollten uns wieder mehr um unser Militär kümmern und Soldaten und Offiziere jeden Geschlechts […] als gerngesehene Mitglieder unsere Gesellschaft achten“. Sie unterstützen dabei auch die seit einigen Jahren in beachtlichen Sprüngen vor sich gehende Steigerung der Militärausgaben.
Nichts gegen Ihr Plädoyer im Hinblick auf Soldaten und Offiziere, von denen nicht wenige auch dem patriotischen Impetus folgen mögen, Dienst am Vaterland zu leisten. Aber wenn das demnächst wieder 50 Milliarden Euro und mehr per anno kostet, kann es doch zumindest nicht schaden, wenn Sie sich auch einmal die Sinnfrage stellten – oder?
Zum Beispiel führt die Bundeswehr seit 2017 die multinationale NATO-Brigade in Litauen im Umfang von 1200 kampfbereiten Mann, wovon das deutsche Kontingent etwa 50 Prozent ausmacht, um – zusammen mit weiteren drei solchen Battlegroups im Baltikum und in Polen – Russland abzuschrecken und so unsere Sicherheit zu verteidigen.
Ist das eine sinnvolle Mission?
Sollte Russland nämlich trotzdem angreifen, wäre, so ein Planspiel der RAND-Corporation, das Baltikum in knapp drei Tagen überrannt. Dann könnte die NATO den Bündnisfall ausrufen und geballt zurückschlagen. Das konventionelle Kräfteverhältnis stände horrend zuungunsten Russlands, das im Falle, die Existenz des Staates stünde auf dem Spiel, Kernwaffen einsetzen würde – so die russische Militärdoktrin. Was dann folgte, hätte mit rationaler Verteidigung nichts mehr zu tun: gegenseitige thermonukleare Vernichtung.
Für dieses Dilemma gibt es keine militärische Lösung. Wer diese bereits reichlich betagte Erkenntnis ausklammert und trotzdem gegenüber Russland vordergründig auf Bundeswehr und NATO orientiert, handelt mindestens grob fahrlässig am deutschen Volk und an der europäischen Sicherheit. Das müsste doch eigentlich eine Steilvorlage für einen Kolumnisten Ihres Zuschnitts sein.
Quim Torra, katalanischer Ministerpräsident – Sie halten sich Presseberichten zufolge zwar selbst nur für den Statthalter ihres flüchtigen Vorgängers Carles Puigdemont, aber auch als solcher und als Streiter für die Unabhängigkeit Kataloniens von Madrid sollte man den Eindruck vermeiden, als könne Ihresgleichen Erfolg in der Sache einen Rückfall in finstere Zeiten zur Folge haben. So äußerten Sie: „Die Demokratie steht über jedem Gesetz.“ Das müssten Sie erläutern, denn nach landläufiger Auffassung ist das Gesetz Ausdruck der Demokratie, gleichermaßen ihre Voraussetzung sowie ihr Wächter und Wahrer. Da muss „Demokratie“ in Ihrem Verständnis wohl doch für ganz etwas ganz Anderes stehen – klingt jedenfalls mehr nach Willkür der Mächtigen …
Christoph von Marschall, Kommentator beim Tagesspiegel – Die Bundesregierung hat entschieden, dass beim Ersatz der Methusalem-Tornado-Kampfjets der Bundeswehr, die im Kriegsfall unter anderem als Trägersystem für die in der Eifel gelagerte US-Atombomben dienen sollen, der US-Tarnkappen-Flieger F35 – in den Medien finden sich Stückpreisangaben bis knapp 240 Millionen US-Dollar – nicht in die engere Wahl gezogen wird. Sie bemäkelten daraufhin: „Gerade jetzt, wo die Deutschen wegen der russischen Bedrohung auf die Bekräftigung der Abschreckung durch den atomaren Schutzschirm der USA angewiesen sind, verärgern sie den wankelmütigen Präsidenten Donald Trump.“
Trump, nur zur Erinnerung, das ist der Mann, der mit der Größe seines Atomknopfes prahlt, aber auch schon mal nachfragt, wozu dergleichen nütze sei, wenn man die Waffen nicht einsetze.
Ihre Einlassung erweckt ein wenig den Eindruck, als würden Sie empfehlen, vor dem Blondling umso mehr zu kuschen, je größer die Amplitude auf dessen nach oben offenbar offener Irrationalitätenskala ausfällt. Das können Sie als kluger Mensch aber gar nicht so gemeint haben …
Andererseits – als Realitätsbeschreibung käme der Zusammenhang zwischen Amplitude dort und Kuschen hier, von der F35-Entscheidung mal abgesehen, der Wahrheit schon ziemlich nahe.
Valérie Petit, Abgeordnete der französischen Regierungspartei – „Vater und Mutter sind diskriminierende Begriffe, auf die man im Namen der Gleichheit aller Schüler verzichten sollte“, begründeten Sie einen Gesetzentwurf, der vorsieht, dass die genannten Begriffe auf Formularen staatlicher Schulen durch Elternteil 1 und Elternteil 2 ersetzt werden. Befürchten Sie nicht neuen Streit darüber, wer Elternteil 1 sein darf und wer sich mit Nummer 2 begnügen muss? Und müssen sich nicht auch Alleinerziehende diskriminiert fühlen, denen mangels Nr. 2 ihre Unvollkommenheit vor Augen geführt wird? Ganz abgesehen von allen, die sich als Mütter und Väter durch Nummern ersetzt sehen.
Werner Schneyder, nun auch Dahingegangener – Zunächst in der legendären Münchner Lach- und Schießgesellschaft und später als Solist haben Sie politisches Kabarett vom Edelsten präsentiert. Aber Sie waren der deutschen Welt der Kleinkunst (ein im Kontext der Kulturszene sehr ehrenhafter Begriff) noch viel mehr: Schauspieler, Dichter, Regisseur, Sänger, Liedtexter, Aphoristiker, Übersetzer, Stückeschreiber, Essayist, Sportreporter und Kolumnist. Als all das werden Sie nun fehlen, nachdem Ihr Freund und Bühnenpartner Dieter Hildebrandt vor sechs Jahren uns ebenfalls verlassen hat. Unvergessen bleibt Ihre melancholische Selbstironie, mit der Sie einst die Frage beantwortet haben, was Kabarett vermag: “Natürlich verändert Kabarett die Welt – ich habe mit vielen satirischen Einwürfen den Bau des Rhein-Main-Donau-Kanals verhindert. Und zwar so lange, bis er fertig war.”
Roland Kaiser, der Sozialdemokrat des deutschen Schlagers – Der Titel ist ausnahmsweise ironiefrei, denn Sie sind tatsächlich seit 2002 Mitglied der SPD.
Jetzt verrieten Sie, dass Sie für „viele soziale Projekte unterwegs“ seien, etwa als „Schirmherr der ‚Tafel‘ in Cottbus“ und „dort viel Kontakt mit den Kunden“ hätten. „[…] wir nennen sie Kunden und nicht Bedürftige, weil wir ihren Stolz achten.“ Der wäre allerdings noch geachteter, spräche man statt von Kunden von Gästen, denn Kunden zahlen üblicherweise für die Inanspruchnahme von Dienstleistungen und wer dazu nicht in der Lage ist, sollte daran auch nicht indirekt ständig erinnert werden …
Darüber hinaus bekannten Sie sich als zielgerichteter Ignorant gegenüber den sozialen Medien: „Ich gucke da generell nicht rein. Die sozialen Medien sind für mich manchmal asozial, sie sind ein Freiraum für Heckenschützen.“ Was Letzteres anbetrifft, sind wir ganz bei Ihnen.
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, die stilvolle unter den geprinteten – „Ausgesuchtes für kluge Köpfe“ nennen Sie Ihr Angebot etwa an edlen Damen-Börsen und -Businesstaschen – „gefertigt in deutschen Manufakturen und von renommierten Herstellern“. Gewählt haben Sie einen trefflichen Namen für das Angebot – Selection.
So, wenn auch mit einem „k“ geschrieben, nannten Josef Mengele und Kollegen ihr Treiben an der Rampe von Auschwitz-Birkenau, wenn Juden in Güterwaggons wie Vieh angeliefert wurden.
Aber wer weiß das denn heute noch?!
Und was kann schon der Begriff dafür?
Allerdings soll es bei Ihnen ja ein Angebot für kluge Köpfe sein …
Schlagwörter: Annegret Kramp-Karrenbauer, Christoph von Marschall, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Götz Aly, Katalonien, Ralph Brinkhaus, Roland Kaiser, Valérie Petit, Werner Schneyder