von Ulrich Busch
Vor zwanzig Jahren, am 1. Januar 1999, wurde in Europa eine neue Währung eingeführt, der Euro. Mit der Währungsunion wurde ein Ziel verwirklicht, das sich einige Staaten der Europäischen Union bereits zu Beginn der 1950er Jahre gesetzt hatten. Die Idee aber war das eine, ihre Umsetzung ist etwas anderes. Sie erwies sich als schwierig, langwierig und konfliktreich und gelang daher erst viele Jahrzehnte später, 1999. Zunächst gab es das neue Geld in elf Staaten der EU und nur in elektronischer Form. Die Einführung des Euro-Bargeldes erfolgte drei Jahre später, zum 1. Januar 2002. Mit der Abschaffung der Landeswährungen Deutsche Mark, Belgischer Franc, Finnmark, Französischer Franc, Irisches Pfund, Italienische Lira, Schilling und so weiter wurde ein wichtiger Schritt in Richtung Europäische Integration gegangen.
Von der Währungsunion gingen wichtige Impulse für die europäische Stabilität, die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der beteiligten Volkswirtschaften, den Export innerhalb Europas und in andere Regionen der Welt, für die Solidität der Staatsfinanzen, für nachhaltiges Wirtschaftswachstum und für die Mehrung des Wohlstandes aus. 2001 führte Griechenland als zwölfter Staat den Euro ein, obwohl das Land nicht alle Konvergenzkriterien erfüllt hatte. Damit begann eine weniger positive Entwicklung: die Aufweichung des Euro als Garant für Stabilität. 2007 kam Slowenien dazu, 2008 Malta und Zypern, 2009 die Slowakei, 2011 Estland, 2014 Lettland und 2015 Litauen. Damit sind es inzwischen neunzehn Staaten, die den Euro als Währung nutzen, mehr als je in einer Währungsunion vereint waren.
Das Jubiläum der Euro-Einführung ist aber auch Anlass, darüber nachzudenken, was alles nicht funktioniert hat, seitdem der Euro existiert. Und warum nicht alles geklappt hat. An erster Stelle ist hier die politische Integration zu nennen, die seit 1999 nicht vorangekommen ist. So gibt es in der Europäischen Union zwar eine Reihe von Institutionen, wo Informationen zusammenlaufen und Kompetenzen gebündelt sind. Diese Institutionen besitzen aber zu wenig Macht, um ihre Entscheidungen im gesamteuropäischen Interesse durchzusetzen. Dies wiederum hat damit etwas zu tun, dass es bislang keine europäische Finanzpolitik gibt, nur Ansätze einer europäischen Wirtschaftspolitik und keine europäische Sozialpolitik. Der einzige Bereich, der europäisch funktioniert, ist die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank. Aber selbst hier werden sofort Defizite sichtbar, wenn man ins Detail geht. So fehlen beispielsweise immer noch wesentliche Teilstücke einer Bankenunion, kommt die Regulierung der Finanzmärkte nur wenig voran und steckt die Regulierung systemrelevanter Banken noch in den Kinderschuhen.
Die entscheidende Prüfung, die der Euro in den zurückliegenden zwanzig Jahren zu bestehen hatte, war ganz klar die große Finanz- und Wirtschaftskrise der Jahre 2008/2009. Und er hat sie bestanden, wenn auch nicht ohne Blessuren. Das damit verbundene Problem ist jedoch, dass die Ursachen für eine derartige Krise, für ihr Zustandekommen wie für ihre Ausbreitung und Vertiefung, seitdem nicht beseitigt worden sind. So gibt es einigen Grund zu der Annahme, dass uns bald wieder eine solche Krise ereilen könnte, die Folgen dann aber schlimmer sein würden, weil die Europäische Zentralbank durch ihre Niedrigzinspolitik und den Ankauf staatlicher Schuldtitel kaum noch Instrumente besitzt, um hierauf wirksam reagieren zu können.
Überhaupt fällt die Bilanz des Euro, sofern man den Blick nicht nur auf die Geldpolitik richtet, sondern auf die wirtschaftliche und soziale Entwicklung im Euro-Raum insgesamt, eher zwiespältig aus. Der Finanzexperte im Europäischen Parlament, Sven Giegold, spricht von einem „bittersüßen“ Eindruck, den das Euro-Jubiläum bei ihm hinterlässt. Bitter ist, dass der Euro das Auseinanderdriften der europäischen Volkswirtschaften nicht verhindert, sondern in bestimmtem Maße noch verschärft hat. Süß ist, dass die Vorteile und Bequemlichkeiten, die der Euro als kollektive Währung für Unternehmen und Bevölkerung mit sich bringt, tatsächlich genutzt und wahrgenommen werden und die europäische Idee dadurch ein Stückweit Wirklichkeit geworden ist.
Der größte Nutznießer des Euro ist zweifelsfrei Deutschland. Folglich hat Deutschland auch das allergrößte Interesse daran, dass der Euro als gemeinsame Währung erhalten bleibt. Dies sollte unbedingt so kommuniziert werden, auch wenn einige Hinterwäldler behaupten, der Euro sei weniger stabil als die D-Mark es einst war oder der Euro schade Deutschland. Da Deutschland so ungeheuer viel vom Euro profitiert, muss es auch daran interessiert sein, dass sich die Zahl der Staaten, die Mitglieder der Eurozone sind, immer weiter vergrößert. Aber, wer sind die potenziellen Euro-Staaten, die Beitrittskandidaten im dritten Jahrzehnt des Euro? Kroatien, Bulgarien, Rumänien? Vielleicht auch Serbien, Albanien, Montenegro, Bosnien-Herzegowina, Nordmakedonien, die Ukraine, die Türkei? Wo bleiben die wirtschaftlich erfolgreichen Staaten wie Polen, Ungarn und Tschechien? Und was ist mit Schweden, Dänemark und Island, der Schweiz und Norwegen? Großbritannien erwähne ich schon gar nicht mehr. Wird die Eurozone ein Sammelbecken für weniger entwickelte Volkswirtschaften, die dann von den wirtschaftlich Starken wie Deutschland und Frankreich dominiert werden? Oder wird es gelingen, den Euro tatsächlich zu dem zu machen, was er eigentlich sein sollte, eine gesamteuropäische Währung oder wenigstens die Währung der Europäischen Union? – Das sind die Fragen, die sich einem angesichts des Jubiläums dieser Währung stellen und die in den kommenden Jahrzehnten eine Antwort finden müssen. – Es bleibt zu hoffen, dass dies eine europäische Antwort sein wird.
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