von Jan Opal, Gniezno
Im März dieses Jahres wurde in Zamość die 1979 eingeweihte Gedenktafel für Rosa Luxemburg entfernt, weil sie angeblich der Gesetzeslage in Polen widerspreche. Denn Propaganda des Kommunismus sei jetzt strikt verboten, heißt es in den nationalkonservativen Gazetten, da sei schließlich auch in Zamość nach Recht und Gesetz gehandelt worden. Soweit, so gut. Nun hat die von der Kaczyński-Partei PiS gleichgeschaltete IPN-Behörde (Institut des Nationalen Gedenkens), die von Gesetz wegen für das richtige Geschichtsbild im Lande zuständig sein soll, etwa zur gleichen Zeit eine bis ins Detail ausgearbeitete Anleitung herausgegeben, wie am betreffenden Ort mit der neuen Gesetzeslage auf dem nicht einfachen Gebiet jüngster Zeitgeschichte umzugehen sei. Die Handreichung bezieht sich auf die zu entfernenden Denkmäler, worunter auch Gedenktafeln fallen.
Wichtige Bedingung, um ein Denkmal in Kaczyński-Polen verbieten zu können, ist der öffentliche Platz. Gegenstände auf dem Friedhof oder in der geschützten, von außen nicht einsehbaren Privatsphäre fallen nicht unter das Gesetz gegen die Propaganda des Kommunismus. Rosa Luxemburgs Gedenktafel in Zamość war so ein öffentlicher Fall. Ausnahmen werden gemacht, sobald eine wissenschaftliche oder künstlerische Zielrichtung vermutet werden darf; doch auch das traf im Falle Rosa Luxemburgs nicht zu. Zwar ist einer der stadtbekanntesten Künstler aus Zamość der bildhauerische Urheber der Tafel, doch Kaczyńskis Geschichtspolizisten stellen die politische Aussage heraus, der künstlerische Wert sei zu vernachlässigen. Auf der öffentlich angebrachten Tafel stand, dass Rosa Luxemburg hier 1871 geboren und eine herausragende Vertreterin der internationalen Arbeiterbewegung gewesen sei. Was, so bliebe zu fragen, ist daran kommunistische Propaganda?
Es ist allein der Name der polnischen Jüdin Rosa Luxemburg, der im Polen Jaroslaw Kaczyńskis suspekt geworden ist, so dass er verboten gehört, wo immer er öffentlich anzutreffen ist. Der Name reicht aus, um Gegenstände und Erinnerungen, die damit verbunden sind, zu verbieten und notfalls zu verfolgen. Folglich lohnt der Blick in die IPN-Handreichung, denn die gefällt sich in einer detaillierten Auflistung von Kategorien, die unter das Verbot der Propaganda von Kommunismus fallen. Womöglich findet sich dort ein Ansatzpunkt, der auf Rosa Luxemburgs Spur führt. An erster Stelle steht die Rote Armee, der öffentlich nichts gewidmet sein darf. An zweiter Stelle folgt die Polnische Arbeiterpartei (PPR), die 1942 in Nachfolge der 1938 von Stalin aufgelösten Kommunistischen Partei Polens (KPP) in der Sowjetunion gegründet wurde. Es folgen die Denkmäler für die an der Seite der Roten Armee kämpfenden polnischen Widerstandsstrukturen und Armeeeinheiten. Hernach werden Denkmäler aufgezählt, die der Bekämpfung des antikommunistischen Untergrunds in Polen nach 1944 gewidmet sind. Schließlich folgen die Erinnerungen an Funktionäre Volkspolens und an kommunistische Funktionäre aus anderen Staaten. An vorletzter Stelle folgen Denkmäler für die KPP, an letzter Stelle wird jedes Gedenken an Jahrestage der Volksrepublik Polen verboten.
Wer sich eingehender auf das heutige Polen einlässt, wird vielleicht den tieferen Sinn ergründen können, weshalb solcherart Gedenken fast dreißig Jahre nach dem Wechsel des politischen Systems noch für gefährlich gehalten wird. Allerdings findet sich in dieser umfangreichen Auflistung kein Anhaltspunkt für den hier zur Sache stehenden Fall Rosa Luxemburgs – nicht ein einziger! Rosa Luxemburgs Gedenktafel in Zamość wurde gesetzeswidrig entfernt – soweit Kaczyńskis engmaschige und scharfe Geschichtsgesetzgebung zugrunde gelegt wird.
Hier hat das IPN allerdings vorgebaut, denn es erklärt überraschend, dass die Auflistung solcher Kategorien längst noch nicht das Ende der Fahnenstange sein müsse. Die Behörde fordert dazu auf, weitere anstößige Fälle anzuzeigen, und gibt Anleitung, wie ein solches Gesuch eingereicht gehört. Wir wären nicht in Kaczyński-Polen, sollten hier nicht zugleich alte Rechnungen beglichen werden. Denn die Behörde fordert, um die Dokumentation vollständig zu machen, auch dazu auf, den Weg des fraglichen Denkmals nach 1990 zu verfolgen! Wer hat Gelder für Renovierungsarbeiten angewiesen, wer hat sich und wann für den Erhalt eingesetzt! Unglaubliche Dinge, wenn die Maßstäbe liberaler Demokratie herangezogen werden. In Polen soll auch diesen Leuten ans Zeug gegangen werden.
Es muss gegen die Gedenktafel im Falle Rosa Luxemburgs, wägt man alles ab, ein besorgter Bürger aus Zamość der Geschichtsbehörde so etwas wie Gefahr in Verzug gemeldet haben. In die Zuständigkeit der Behörde fällt die Kompetenz, die abschließende (sic!) Expertise zu liefern. Bezüglich der Gedenktafel in Zamość ist diese fachliche Einschätzung der kritischen Öffentlichkeit bislang vorenthalten worden. Deshalb sei hier der indirekte Schluss gewagt: Alles, was in Kaczyński-Polen gegen Rosa Luxemburg bislang vorgebracht wird, mündet immer in dem – der Sache nach allerdings haltlosen – Vorwurf, sie sei gegen die Unabhängigkeit Polens gewesen und somit als eingefleischte Gegnerin Polens überführt. Das ist die zweite Flanke in Kaczyńskis wackerem Geschichtskampf – die Bekämpfung der Polenfeindlichkeit. Für diese Flanke liegt noch keine Handhabe zu staatlicher Verfolgung vor, die mit dem engmaschigen Netz gegen die Propaganda des Kommunismus vergleichbar wäre. Kurzum: Solange ein Verbot von Polenfeindlichkeit nicht in den Gesetzbüchern verankert ist, solange hätte sich Kaczyński mit seinem Kreuzzug gegen Rosa Luxemburg gedulden müssen. Dass Polens starker Mann Rosa Luxemburg für eine eingefleischte und obendrein gefährliche Polenfeindin hält, ist dessen private Meinung, nicht aber ein Grund, die öffentliche Erinnerung an sie landauf, landab mit administrativen Mitteln beseitigen zu lassen.
Schlagwörter: Antikommunismus, Geschichtspolitik, Jan Opal, Jarosław Kaczyński, Polen, Rosa Luxemburg