20. Jahrgang | Nummer 2 | 16. Januar 2017

Antworten

Barack Obama, scheidender USA-Präsident – In einem Ihrer letzten Gefechte haben Sie wegen mutmaßlicher Hacker-Attacken während des Wahlkampfs in den USA neue Sanktionen gegen Russland verhängt. Zweifellos wurde die Aussicht Hillary Clintons auf die Präsidentschaft getrübt, als Wikileaks interne E-Mails ihres Wahlkampfteams enthüllte. Wie immer man dieses Verfahren beurteilt: Bei den bewussten E-Mails handelte es sich nicht um „erfundenen Müll“, neudeutsch „Fake News“. Vielmehr wurde öffentlich, dass sich die Parteispitze der Demokraten koordiniert bemüht hatte, die Chancen des Parteilinken Bernie Sanders auf eine Präsidentschaftskandidatur zu schmälern. Debbie Wasserman Schultz wäre nicht vom Parteivorsitz zurückgetreten, wenn der Vorwurf, sie habe Clinton einen Vorteil bei Fernsehdebatten mit Sanders verschaffen wollen, unbegründet gewesen wäre. Und ihrer kommissarischen Nachfolgerin Donna Brazile hätte CNN nicht die Mitarbeit aufgekündigt, wenn sie nicht in gleicher Richtung gewirkt hätte. Die mediale Öffentlichkeit indes unterscheidet, wie offenbar Sie selbst auch, kaum noch zwischen „gefälscht“ und „enthüllt“.

Meryl Streep, berühmte Hollywood-Aktrice – Drei Oscars schützten Sie nicht davor, vom künftigen Präsidenten der USA als „eine der am meisten überschätzten Schauspielerinnen in Hollywood“ gerügt zu werden. Sicherlich ist das für Sie kein Grund, Ihre kritische Haltung zu Donald Trump zu überdenken, leidet der neue Chef im Weißen Haus doch seinerseits an Selbstüberschätzung in besonders schwerem – also gefährlichem – Fall. Sie könnten ihn glatt als „Gefährder“ bezeichnen.

Nadja Sawtschenko, gefallene ukrainische Nationalheldin – Als Kampfpilotin in der Ostukraine gefangen genommen, saßen sie fast zwei Jahre in russischer Haft. Durch Hungerstreiks und mutige Gerichtsreden, in denen Sie dem „System Putin“ die Stirn boten, wurden Sie in Ihrer Heimat fast zur Nationalheiligen – und ins Parlament gewählt. Im vergangenen Mai in die Ukraine zurückgekehrt, durften Sie den Heldenstatus allerdings nicht lange genießen. Im Gegenteil: Julias Timoschenkos Vaterlandspartei verstieß Sie aus ihren Reihen, manche behaupten gar, Sie arbeiteten für den russischen Geheimdienst FSB. Weil Sie sich nämlich im Geheimen mit den Führern der abtrünnigen Volksrepubliken Donezk und Lugansk getroffen haben, um mit ihnen über das Schicksal ukrainischer Gefangener zu sprechen. Sie hätten in Ihren Gesprächspartnern „keine Teufel gesehen“, gestanden Sie und meinten im Übrigen, dass „irgendetwas, wo die Menschen wieder anfangen könnten, miteinander zu reden, ganz gut“ wäre. Hut ab vor Ihrer Vernunft und Ihrem Mut! Etliche Ihrer Landsleute sähen Sie inzwischen lieber wieder hinter Gittern – diesmal ukrainischen.

Martin Winterkorn, ehemaliger VW-Chef – Was passiert eigentlich einem Manager, der wegen eines der größten Wirtschaftsskandale der Kapitalismusgeschichte zwar nicht zurücktreten wollte, aber musste, und unter dessen Verantwortung der weltweit zweitgrößte Autobauer in eine Lage manövriert wurde, die ihn bis zu 18 Milliarden Euro an Straf- und Schadenersatzzahlungen kosten wird? Die dürfen jetzt zunächst jene 30.000 Beschäftigten ausbaden, deren Arbeitsplätze abgebaut werden, um den Leck geschlagenen Tanker über Wasser zu halten.
Sie können über diese Frage natürlich nur mitleidig grinsen. Denn Sie wissen die Antwort: Das Grundgehalt des Mannagers in Höhe von 1,6 Millionen Euro läuft erst einmal zwei Jahre lang munter weiter. Im Sommer 2016 wurde es durch eine Bonuszahlung (4,1 Millionen Euro) leicht aufgebessert. Und seit 1. Januar 2017 gibt’s eine Betriebsrente von 3100 Euro (plus Dienstwagen). Täglich wohlgemerkt. Und lebenslang, versteht sich.
Als Ihr Kollege Wendelin Wiedeking vor Jahren wegen einer vergleichsweisen Petitesse seinen Chefsessel bei Porsche räumen musste, kassierte er eine Abfindung in der abartigen Höhe von 50 Millionen Euro, stiftete davon aber wenigstens 36,5 Millionen für gemeinnützige Zwecke. Ähnliches ist von Ihnen nicht zu erwarten, denn „Winterkorn ist nicht so gestrickt“, weiß Ferdinand Dudenhöfer, Professor für Automobilwirtschaft. Sie seien vielmehr „ein gnadenloser Egoist, der nur auf seinen Vorteil bedacht ist“. Also quasi eine Galionsfigur … Wer ob einer solchen pestilenzartigen Eiterbeule nicht über Alternativen zum Kapitalismus mindestens in seiner derzeitigen Gestalt nachdenkt, der zählt wohl entweder zu Ihresgleichen, hofft den Sprung dahin noch zu schaffen oder ist schon hirntot, so dass ihm eh nicht mehr zu helfen ist.

Hannelore Kraft, Landesmutter Nordrhein-Westfalens – Sie seien „wahnsinnig wütend“ über die Kritik an der Kölner Polizei gewesen, deren Einsatz zu Silvester eine Rassismus-Debatte ausgelöst hatte (Stichwort: „Nafri“ für „Nordafrikanische Intensivtäter“). „Ich finde, so kann man mit den Kolleginnen und Kollegen nicht umgehen“, ließen Sie die Delegierten einer Jahrestagung des Deutschen Beamtenbundes wissen. Einen fairen Umgang mit der Polizei zu fordern, ist Ihr Recht und Ihre Pflicht. „Wahnsinn!“ allerdings gilt in neudeutscher Umgangssprache inzwischen als Ausdruck größter Euphorie. Sollten Sie indes das „wahnsinnig“ in seiner ursprünglichen Bedeutung verstanden haben, fragt sich doch, ob das der Zustand ist, in den sich Politiker versetzen dürfen.