von Eckhard Mieder
Täusche ich mich oder befinde ich mich kurz vor dem nächsten Gewaltigen Krieg, dem ich weder in eine Blockhütte nach Lappland noch in eine Erdhöhle am isländischen Mývatn entkommen kann?
Die USA testen eine Interkontinentalrakete. Das Geschoss vom Typ „Minuteman III“ habe keinen Sprengkopf gehabt; ihr Ziel, vom kalifornischen Vandenberg kommend, war das 8.000 Kilometer entfernte Kwajalein-Atoll im Südpazifik. Der Test solle zeigen, dass die USA „nach wie vor über zuverlässige Atomwaffen verfüge“. Und man werde diese einsetzen, „wenn es zur Verteidigung nötig sei“.
Seit Anfang Februar 2016 kreuzen NATO-Schiffe im östlichen Mittelmeer. Laut Jens Stoltenberg, Generalsekretär der NATO, gehe es um die „Unterbrechung der Wege von Schleusern und der illegalen Migration“, mithin um eine „Lösung der Flüchtlingskrise“. Dass die militärische Präsenz der NATO im Mittelmeer mit einer Intervention in Libyen, mit einem Auftritt saudi-arabischer Bodentruppen in Syrien, mit Bomben auf Jemen zu tun haben könnte, etwa mit einer Kontrolle über den Zugang zum Schwarzen Meer und damit zu einer Blockade der auf der Krim stationierten russischen Schwarzmeerflotte führen könnte – ein Schelm, wer solch Arges denkt?
Irans Militär testet Langstreckenraketen, zwei ballistische Raketen, die Ziele in 1.400 Kilometern Entfernung getroffen und zerstört haben. „Bereits in den vergangenen Tagen hatten die Revolutionsgarden nach offiziellen Angaben Kurz-, Mittel- und Langstreckenraketen getestet.“
Kim Jong-un posiert vor einem Atom-Sprengkopf, der angeblich auf seine Langstreckenraketen montiert werden kann, falls er über die tatsächlich verfügt, wird ironisch gemutmaßt.
China, nördlich und westlich benachbart mit der koreanischen Halbinsel, verlegt Militär-Jets auf die Woody-Insel im Südchinesischen Meer – meldet der US-Sender Fox News „unter Berufung auf zwei nicht genannte Regierungsvertreter“.
Chinesische Flugzeuge seien schon vorher auf der Insel gewesen, auf die auch Taiwan und Vietnam Anspruch erheben – sagt ein Sprecher des US-Pazifikkommandos. „Vor dem Hintergrund der zunehmenden Spannungen mit China hatte die US-Marine Ende Januar (2016 – d. A.) ein Kriegsschiff in die Zwölf-Meilen-Zone rund um die Insel des Paracel-Archipels entsandt.“ Peking bezichtigt die USA der „Machtdemonstration im asiatischen Pazifik“. Washington wirft China vor, mit der Aufschüttung künstlicher Inseln „die freie Schifffahrt in der Region“, durch die „ein Drittel der weltweiten Erdöltransporte“ verlaufen, zu behindern. Es gibt auch Satellitetenaufnahmen.
In einem Interview mit „Telepolis“ lässt der einstige CIA-Agent Roland Baer durchblicken, dass es mit dem sogenannten Jugoslawien-Krieg um den „ganz großen Abwasch“ gegangen sei. Ein gegnerischer Machtfaktor, wie es die UdSSR einst war, sollte (und soll) dauerhaft verhindert werden. Jugoslawien – ein Staat „mit einigem Prestige, sowie mit einer der stärksten Armee Europas“ – habe diesem strategischen Entwurf im Wege gestanden. Ein unabhängiges Kosovo sei zudem erwünscht gewesen – wegen der „mineralischen und natürlichen Ressourcen“ und wegen der geplanten Einrichtung von Bondsteel, dem „Militärstützpunkt mitten im Herzen Südost-Europas“.
Bondsteel? Gibt es. Arbeitet. Liegt Östlich von Ferizaj und ist etwa halb so groß wie die drittgrößte albanische Stadt. Ein amerikanisches Camp, von dem aus es rund 1.400 Kilometer Luftweg nach Berlin, ca. 1.300 nach Paris, etwa 2.100 nach Oslo und knapp 2.000 Kilometer nach Moskau sind. Und was ist eigentlich aus der Stationierung der NATO respektive amerikanischen Militärs im polnischen Lask geworden? Und was aus der geplanten Aufstellung von Patriot-Flugabwehrraketen in Polen? War vor drei, vier Jahren ein heißes Thema – aber wir vergessen alle gern mal was. Die Zeit vergeht schneller als Lang-, Mittel- und Kurzstreckenraketen fliegen.
Sonst noch was? Doch, ja, die gegenwärtig stattfindenden Kriege nicht zu vergessen; sind ja beinahe altmodisch in ihrer Ballerei. Etwa der in Syrien.
Ich werde medial einbezogen in militärische Sandkastenspiele. Ich werde mit militärischen Begriffen eingedeckt wie mit Aktionspreisen an der Fleischtheke und den Angeboten des Winterschlussverkaufes. Es gibt „Korridore“, die „Versorgungswege“ sind. Rechts und links dieser Lebensadern belauern sich die Gegner, von denen jeder in Gegnerschaften gespalten ist. „Erkundungsflüge“, „Bombenangriffe“, Armeen „rücken vor“, Einheiten werden „abgeschnitten“. Es gibt „reguläre bewaffnete Kräfte“, „Rebellen“, „Terroristen“ sowieso. Über „Waffenstillstände“ wird verhandelt; indessen sterben Zivilisten, verlassen Hunderttausende Menschen ihre Heimstätten und Heimaten, ziehen um die Welt; auch wenn die, so kommt es mir vor, nur aus Europa und Deutschland zu bestehen scheint. Wir sind halt so ein bissel ego-eurozentrisch, die Nachwelt, so es sie gibt, möge es uns nachsehen.
Ich weiß nicht, wie die Monate, Wochen, Tage vor einem Krieg, der in Frankfurt am Main einTRIFFT, sein werden – oder sind. Karl Valentin sagte, er wollte sich gern einmal in dem Augenblick sehen, bevor er in den Spiegel schaut. Ich möchte mich nicht in dem Augenblick sehen, bevor die Bombe einschlägt.
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