14. Jahrgang | Nummer 21 | 17. Oktober 2011

Antworten

Klaus Ulrich S., Leser – Der Beitrag von Hermann-Peter Eberlein über die Papst-Visite in unserer Ausgabe Nr. 20 „ent-motiviert“ Sie, sich dem gerade entdeckten Blättchen lesend nähern zu wollen, haben Sie uns mitgeteilt. Der Protestant Eberlein, regelmäßigen Blättchen-Lesern als alles andere denn als Apologet der Religionen, nicht einmal der eigenen, bekannt, hatte darin sein Unverständnis gegenüber dem „demonstrativen Fernbleiben bei der Rede eines Staatsgastes“ (Benedikt im Bundestag) angemerkt, was Sie als „staatsergeben, stockkonservativ und klerikal orientiert“ etikettieren.
Ihre Reaktion ist Ihnen freilich unbenommen; wir akzeptieren dies problemlos. Was wir allerdings weniger akzeptieren ist der inquisitorische Ton Ihrer Interpretation. Ganz und gar dann, wenn Sie sich auf die „vom Blättchen plakatierte Vermächtnispflege für Ossietzky & Tucholsky“ rekurrieren, gegenüber der Sie den besagten Text als „geradezu einen Hohn“ empfinden. Nun wissen wir nicht, wie intensiv Sie sich je mit der Weltbühne aus der Ära der beiden genannten Heroen haben befassen können – täten Sie es, dann würden Sie möglicherweise überrascht feststellen, dass dort immer wieder auch Meinungsstreit ausgetragen worden ist, wobei Für und Wider zum Teil mit beachtlicher Schärfe vorgetragen wurden. Auf ehrabschneidende Bezichtigungen („Aberglaubensgemeinschaft“ oder ähnliches) ist dabei allerdings verzichtet worden, mehr noch, wer in der Weltbühne veröffentlichte, durfte durchaus anderer Meinung sein als die Redaktion, so er seine Meinung nur sachlich und wohlüberlegt eingebracht hat und dies mit dem Wissen tat, gegebenenfalls auch auf unter Umständen heftigen Widerspruch zu stoßen.
Das Blättchen – hier bemühen wir uns, das Selbstverständnis der Weltbühne fortzuführen – ist keine Kirche, wo Glaubensabfall durch Ignoranz oder Ausstoßung bestraft wird. Wer Publikationen wie die unsere nur benötigt, um seine eigenen Positionen bestätigt zu sehen, ist hier ganz sicher nicht richtig.
Bei all unserer Unvollkommenheit nehmen wir für uns in Anspruch, was Tucholsky 1929 so zusammengefasst hat: „Die ›Weltbühne‹ ist eine Tribüne, in der die gesamte deutsche Linke in des Wortes weitester Bedeutung zu Wort kommt; wir verlangen von unseren Mitarbeitern Klarheit, persönliche Sauberkeit und guten Stil. Ob dieser Grundsatz richtig ist oder nicht, ist eine andere Frage; so habe ich das Blatt von meinem verstorbenen Lehrmeister Siegfried Jacobsohn übernommen und so habe ich es an Carl von Ossietzky weitergegeben, der keinen Finger breit von dieser Richtung abgewichen ist. Die ›Weltbühne‹ verzichtet bewußt auf ein starres Dogma; bei uns wird diskutiert.“
Und da Sie sich durch Texte wie jenen von Hermann-Peter Eberlein verhöhnt fühlen, fügen wir noch zwei weitere Zitate Tucholskys an: „Sicherlich hat die ›Weltbühne‹ Anständigkeit und Unabhängigkeit nicht gepachtet. Die kindliche Zeitungsgewohnheit, so zu tun, als sei man mit seinem Blatt ganz allein auf der Welt, und den Leser um Gottes willen nicht wissen zu lassen, dass es auch noch andre vernünftige und tapfre Leute gibt, haben wir nie mitgemacht. Man kann in vielen Fällen widereinander streiten, wenn es die Sache erfordert – die Zeit der Literaturpolemik alten Stils ist vorüber.“ Und: „Nun, die ›Weltbühne‹ ist zunächst nicht ein Blatt, das vom Leser redigiert wird. Sie haben nur ein Recht: mein Blatt nicht zu lesen, sagte S. J. Und schrieb einst an einen verdienten Mann, der in einer Gefühlsaufwallung die ›Weltbühne‹ abbestellte: Da verlieren Sie mehr als ich.
Also, machen Sie sich Ihr Bild vom Blättchen – mit welchem Ergebnis auch immer.

P.S.: Vielleicht sind dabei Tucholskys Texte „Fünfundzwanzig Jahre“ (http://www.textlog.de/tucholsky-presse-jacobsohn.html) und „Brief an eine Katholikin“ (http://www.textlog.de/tucholsky-brief-katholikin.html) hilfreich.

Barack Obama, enttäuschender Hoffnungsträger und fehl besetzter Friedensnobelpreisträger – Sie erklärten im Hinblick auf den verwirrten Mann, der in Washington ein Attentat auf den saudischen Botschafter vorbereitet haben soll, sowie zur Behauptung von Behörden Ihres Landes, der Mann habe im direkten Auftrag der Führung in Teheran gehandelt: „Wir würden solche Vorwürfe nicht erheben, wenn wir nicht die notwendigen Beweise hätten.“ Zwar haben Sie nicht den Schatten eines Beweises präsentiert, aber wir glauben Ihnen natürlich trotzdem – wie nach der Attacke auf die Maine im Hafen von Havanna 1898, dem Zwischenfall im Golf von Tonking 1964, den gefährdeten US-Medizinstudenten in Grenada 1983 und natürlich und vor allem nach den Massenvernichtungswaffen Saddam Husseins. Und wenn Sie uns jetzt bitte entschuldigen – wir würden uns gern die Hosen mit der Kneifzange anziehen.

Siegfried Jacobsohn, Gründer und Herausgeber der Schaubühne und der Weltbühne – Unter dem 21. Juli 1921 lobten Sie Ihren Mitstreiter Kurt Tucholsky: „Gottseidank, dass Sie endlich auch für sich sagen: Immer wieder! Man darf nicht ermatten. Im Grabe. Früher nicht.“ Wir möchten Ihnen versichern, dass wir – angesichts einer nahezu ubiquitären Politikverdrossenheit im Lande – dieses „Immer wieder! Man darf nicht ermatten.“ nach wie vor für einen äußerst zeitgemäßen kategorischen Imperativ halten.

Tom Strohschneider, Redakteur des freitag – „Über die Bedeutung, die Lafontaine für die früheren Wahlerfolge der Linken hatte, wird man nicht so leicht hinwegsehen können. Doch auch das beste Zugpferd läuft nur so gut, wie es der Acker zulässt“, haben Sie kürzlich geschrieben. Dem haben wir nichts hinzuzufügen, was wir hiermit tun.

Siegmar Gabriel, sozialdemokratisch-wild Entschlossener – „Wir dürfen die Banken nicht zum zweiten Mal retten, ohne sie zurechtzustutzen.“ Es gehe nicht darum, ein Staatsbankensystem aufzubauen. „Aber ich kann das keinem erklären, dass wir zum zweiten Mail mit öffentlichen Mitteln einen Sektor stabilisieren, der für sich in Anspruch nimmt, sozusagen ein Paralleluniversum zu sein. Das ist einfach undenkbar“, haben Sie mit einer Verve bekundet, die an allerbeste sozialdemokratische Zeiten (lang’, lang’ ist’s her) erinnern. Nur eben: Der Worte sind diesbezüglich genug gewechselt, allein, es fehlt der Glaube …

William Shakespeare, Vielzitierter – Dass Sie dank der Zeitlosigkeit der Themen Ihrer Werke und der dort dargestellten menschlichen Verhaltensmuster eine literarische – vielleicht ja auch biografische – Legende sind und bleiben, ist wohl auf immerdar unbenommen. Manchmal erfordert der Lauf der Zeit aber doch Modifizierungen selbst klassischer Zitate. „Ich telefoniere, also bin ich“, wäre textlich freilich nicht von Ihnen abgeleitet, „Sein oder Onlinesein – das ist hier die Frage“ aber schon.

Andrian Kreye, Autor – „Irgendetwas geschieht hier. Was genau, ist nicht ganz klar. Kaum jemand zweifelt daran, dass sich im Liberty Park von New York gerade eine Gegenkultur formiert, die Bestand haben könnte“, haben Sie in der Süddeutschen Zeitung in Aussicht gestellt. Wir hoffen mit Ihnen, immerhin sind die USA ja bekanntlich das „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“.

Schaima Ghassaniya, fast ausgepeitschte PKW-Lenkerin – Obwohl das Autofahren von Frauen in Sausi-Arabien nicht einmal gesetzlich verboten ist, sind Sie von einem Gericht wegen dieses „Deliktes“ zu zehn Peitschenhieben verurteilt worden. Auch wenn Ihnen die Strafe dann doch erlassen worden ist, fragen wir uns natürlich, ob die abendländische Wertegemeinschaft zwecks Frauenbefreiung nicht auch Ihr Heimatland auf ähnliche Weise befrieden sollte, wie sie das seit zehn Jahren so erfolgreich in Afghanistan tut. Sollte sich Saudi-Arabien in einem solchen Fall militärisch widersetzen und Not am Mann sein, dann dürfen Sie vielleicht sogar einen jener 200 Leopard-Panzer fahren, die unsere Bundeskanzlerin gerade zum Verkauf an die königliche al-Saud-Familie frei gegeben hat …

Hartmut Mehdorn, erfahrener „Aufräumer“ – Außer vielleicht bei Aktionären hat Ihr Wirken als Brachialsanierer bisher eher selten Anerkennung erfahren. Grund genug für uns, Ihnen auch mal Respekt zu zollen, wo dieser denn hingehört. Beim Aufräumen von Air Berlin haben Sie nämlich eine Regelung eliminiert, die geeignet war, uns auch im Nachhinein – wieder einmal – die Sprache zu verschlagen. Hatte die Fluggesellschaft bislang doch per dazu geschaffenem Programm mehr als 100 Prominenten aus Wirtschaft, Sport, Kultur und Unterhaltung sowie deren Familien ermöglicht, die Flugverbindungen der defizitären Airline weltweit kostenlos nutzen. Was für ein korruptes Gesindel: Jene, die solche Offerten machen ebenso wie jene, die diese nutzen!

Horst Seehofer, Ober-Bayer – „Markt pur ist Wirtschaft pervers. Markt pur ist der pure Wahnsinn. Und das können wir als CSU nicht unterstützen“, haben Sie auf dem jüngsten CSU-Parteitag emphatisch in den Saal gedonnert. Nicht nur, weil sich dies auch in ihrer Partei vor Tische lange, lange anders las, hört es sich aus einem Mund wie dem Ihren an wie das Pfeifen im dunklen Keller.

Wien, Hauptstadt eines Nachbarlandes – Dieser Tage im Zentrum einer Metropole, deren Einheimischen durchaus der Ruf anhaftet, etwas schlampert zu sein: Keine Graffiti im Stadtbild und an öffentlichen Verkehrsmitteln. Letztere auch nicht verhunzt durch Scratching geschädigte Fensterscheiben. Und auf Trottoiren und in Parks – keine Hundeschei …! Die Verursacher aller gegenteiligen Erscheinungsformen in Berlin mögen versucht sein auszurufen: „Wien, mir graust vor Dir!“ Wir aber – ebenso fassungslos wie Neid erfüllt – fragen nur: „Wien machst du das bloß?“