13. Jahrgang | Nummer 14 | 19. Juli 2010

BEMERKUNGEN

Der bloßgestellte Nutznießer

Ruhe, nur die Autos lärmen – Ruhe. Alte Häuser, sepiafarben beleuchtet, anmutige Schönheit: Dunkelheit. In einem kleinen Tal. Einst schoben sich Eismassen hier entlang, verschwanden, nachdem sie das Land formten, geformt hinterließen: Ein Glück, es wird wärmer und irgendwann stickig – dann wird von neuem geformt.

Feinstaub liegt bereits in der Luft, färbt das Sonnenlicht, das bereits vergangen: Ein Nutznießer der heißen Schönheit kündigt sich an, steigt auf um niederzugehen, schnell, unfaßbar schnell – von keinem beachtet. Die Bilder der letzten Sonnenfinsternis werden im Internet betrachtet, heute Spektakel, früher ein Omen, etwas sollte geschehen, nichts geschah, der Tag versank im Dunkel, der Tag erstand wieder, anmutige Stille – berechnet.

Im Ferienlager werden die Kinder bei einer Mondfinsternis aus den Betten geholt, eine Lappalie als Anlaß für ein wenig Spektakel, die Nacht wird dunkel, was sie bereits ist. Alle starren nach oben, die Erde schiebt sich zwischen Sonne und Mond, dieser Gesteinshaufen soll zeigen, was er ohne sie kann: verschwinden.

Wieder ein berechneter Moment. Was wenn der Mensch sich verrechnet, die Mondfinsternis ausbleibt? Vielleicht sind unsere Methoden nicht perfekt. Vielleicht irren wir – womit eigentlich?

Der Mond steht am Himmel, hat seine Röte abgeworfen.

Paul

Römisches Telefonieren

Weil die Welt immer unübersichtlicher wird, ist es gut, ein paar Dinge zu wissen, die ganz sicher sind. Dazu gehört: Wasser ist naß, Pizza ist flach. Und am sichersten: Die Römer haben immer ein Telefon am Ohr.

Wissen Sie warum in Rom ausklappbare Handys viel beliebter sind, als in Deutschland? Vielleicht liegt es daran, daß sich der Homo sapiens generell für’s Aufklappen begeistert – von Auster bis Pizzakarton –, ganz sicher aber daran, daß man mit einem aufklappbaren Handy beim Motorino-Fahren telefonieren kann: Man setzt den Helm auf, wählt die Nummer eines Freundes, stopft das ausgeklappte Handy zwischen Ohr und Helm – und fährt los. Mit einem normalen Handy können Sie das vergessen – das rutscht aus dem Helm.

Noch praktischer – der Squillo. Der Squillo, wörtlich übersetzt „das Klingeln“, ist der geniale Weg der Römer, sich der ragazza, mama und nonna mitzuteilen, ohne etwas zu bezahlen. Ein Beispiel: Sagen wir – Lara, die zauberhafte Bedienung in meiner Espressobar, dem „Papagallo“, will Barmann Dino mitteilen, daß sie sich verspätet: „Dino, ich komme in einer Viertelstunde, Entschuldigung, Lara“, schreibt sie in einer SMS. Dino will kein Geld für einen „Kein-Problem-Ciao!“-Anruf ausgeben. Deshalb greift er zum Handy, wählt Laras Nummer, es klingelt – und dann legt Dino auf. Lara sieht das und weiß: „Kein Problem.“ Dieses Klingeln, das eine Botschaft in sich trägt, die nur der Empfänger interpretieren kann, das ist der „Squillo“.

Die Römer haben das perfektioniert und machen Squilli den ganzen Tag. Vor allem Verliebte lassen es mehrmals täglich beim anderen „anklingeln“. Mancher Geizhals hat die Technik mit den Squilli derart perfektioniert, daß er gar nicht mehr zu telefonieren – Geld ausgeben – braucht. Klingelt es bei mir einmal, ist es ganz bestimmt mein Freund Davide. Das heißt dann: „Ruf Du mich an! Ich will sparen.“

Martin Zöller

Gewerkschaftliches

Langsam wird das mit dem Klassenkampf richtig heiß, und dieses mal sogar Arm gegen Reich. Zumindest die DGB-Gewerkschaften rüsten auf, schneiden größere Löcher für dickere Bizepse in die Streiküberzieher und machen sich auf Konkurrenz gefaßt. Das ist eine neue Situation, man muß gucken, wie sie damit klarkommen.

Neulich ist in Vorbereitung der Revolution sogar die Tarifeinheit gekippt worden und – als ob das nicht schon schlimm genug wäre – freuen sich da auch noch welche. Was das werden soll, weiß der Geier. Und natürlich Andrea Nahles, Generalsekretärin der SPD, denn die befürchtet den Einzug der Ellenbogengesellschaft in die Betriebe. Außerdem macht sie sich Sorgen um die Sozialpartnerschaft.

Heinrich Kolb von der FDP malt derweil gleich den Streikteufel an die Wand und will verhindern, daß unser Land durch sachlich nicht gerechtfertigte Dauerstreiks unnötig Schaden nimmt. Patriotismus schadet nie, und wenn es gleich ums ganze Land geht, drückt wenigstens das Gewissen den Lohn. Kurios nur, daß er annimmt, daß irgendein Streik sachlich gerechtfertigt wäre, der länger als 30 Minuten dauert.

Klaus Ernst von der Partei DIE LINKE unterstützt derweil die Intrige des DGB, denn die sieht vor, daß nur der Tarifvertrag der mitgliederstärkeren Gewerkschaft zur Geltung kommt. Wer Sozialpartner ist, nennt das Initiative und bleibt halt Kumpel.

Ines Fritz

Island

Farben, Licht, Gewalt und Weite.
See, in dem sich Berge, Schnee
und Himmel spiegeln.
Wolkenbänder,
die auf Gletschern ruh’n,
als seien sie der Schleier
zu dem weißen Kleide.

Wer sah das Blau, das Grau
so edel irgend aufgetragen,
mit Gelb verschmelzend
und von Rot gesäumt?
Zaghaftes Grün
in Schwarz hineingetupft,
als wär’ es morgendlicher Tau?

Moorbirken stehen wie
in Silber strahlend, wenn Sonne
ihre Stämme trifft.
Wind und Wasser
drängen ewig. –
Lichtbraunes Land, getaucht
in Sehnsucht und Melancholie.

Renate Hoffmann

Falsche Fütterung

Zum Zwecke der Erholung hielt ich mich mit der werten Frau einige Tage an der Ostsee auf. Natürlich wurde den ganzen Tag über kräftig kräftiger Fisch gegessen und der Abend bei vielen alkoholischen Getränken in der Abhängdisco verbracht. Am nächsten wonnigen Tag war es dann mit der Erholung vorbei, denn all die herrlichen Getränke und wohl auch manch Fischhappen ließen mich völlig fertig nur noch auf das wogende Meer starren. Irgendwann sticht die Sonne und der teuer bezahlte Mageninhalt will nach draußen. Wohin damit, wenn noch viele tausend andere Urlauber neben einem liegen und keinen Platz machen. Also ab ins Meer, bis zum Bauchnabel, damit einen keiner beobachtet; die DLRG wird hoffentlich schlafen und die Holde ihren Krimi weiter lesen. Nun denn: Alles ordentlich laufen lassen. Man ist noch nicht ganz fertig, da stellt sich ein Problem ein: Möwen umkreisen meinen Kopf und streiten sich um die besten Brocken. Auf dem Weg an den Strand betrachten sicherlich alle Urlauber dieses Naturschauspiel. Die Antwort auf die Frage meiner Holden, mit was ich die Möwen füttern konnte, bleibe ich schuldig.

Thomas Behlert

O-Töne

Es geht so nicht weiter. Am Abend weiß man manchmal bei uns nicht mehr, wer Freund und Feind ist.

Angela Merkel
Bundeskanzlerin (CDU), zum Dauerstreit in der Regierungskoalition

*

Die Leistungsträger müssen dazu beitragen, den Sozialstaat zu finanzieren.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Bundesjustizministerin (FDP)

*

Freiheit vor Gleichheit, Erwirtschaften vor Verteilen, Privat vor Staat.

Guido Westerwelle
FDP-Chef

*

Gott schuf ihn, also laßt ihn für einen Menschen gelten.

William Shakespeare
Der Kaufmann von Venedig

*

Ich bin dann mal weg.

Jürgen Rüttgers
scheidender Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen (CDU)

*

Aufgabe mit imaginären Größen: 1 sozialdemokratische Partei hat 8 Jahre 0 Erfolge. In wieviel Jahren merkt sie, daß ihre Taktik verfehlt ist?

Kurt Tucholsky

*

Für mich steht die Frage, ob die Diktatur des Proletariats oder die Diktatur des Geldes schlimmer ist. Zu vermuten ist, die Diktatur des Geldes ist schlimmer. Sie drückt so niederschmetternd auf die menschlichen Beziehungen. Man spricht nur noch über Geld.

Ursula Karusseit
Schauspielerin

*

Ich denke, außerirdisches Leben gibt es im Universum ziemlich oft. Intelligentes Leben ist dagegen seltener. Manche sagen, daß es bisher noch nicht mal auf der Erde aufgetaucht ist.

Stephen Hawking
britischer Astrophysiker