18. Jahrgang | Nummer 9 | 27. April 2015

Antworten

Klaus Bednarz, frisch dahingegangener Unbequemer – Sie werden so verdammt fehlen in der deutschen Medienlandschaft. In Ihrer langen Zeit als Gesicht und Seele des ARD-Magazins Monitor haben Sie gezeigt, was kritischer, investigativer Journalismus zu sein vermag. Sie haben es für Ihre Aufgabe gehalten, sich mit den Mächtigen anzulegen. Als Kritiker der Zeit.
Sie haben uns in Reportagen in den Fernen Osten entführt und uns die Menschen dort mit beeindruckendem Respekt, Verständnis und Liebe nahe gebracht. Welch ein Gegensatz zu den vielen anderen Berichten aus Russland oder China, die der Selbstversicherung der deutschen Klischees dienen.
Wie gesagt – Sie werden mächtig fehlen. Es bleibt die Hoffnung auf Nachfolger im Journalistenlager.

Ulrich Deppendorf, Frischberenteter Nun haben Sie das Steuer in der Berliner ARD-Dependance altersbedingt verlassen. Das wäre nicht der Rede wert, hätten Sie diesem Sendebereich nicht nur Gesicht, sondern auch Profil gegeben. Dass eine wirkliche Unparteilichkeit und Neutralität keinem Journalisten möglich ist, der selbst zu denken und zu urteilen in der Lage ist, sei dahin gestellt. Unübersehbar allerdings war nahezu stets, mit welch mit welch unterschiedlicher Dosis an hartnäckigem Insistieren Sie Ihre Gesprächspartner aus den Reihen der Staatstragenden sowie der Opposition, ganz und gar jener der Linkspartei, bedacht haben. Wobei – zumindest an Gysis Eloquenz sind Sie als offenkundig eher Humorresistenter dabei ein ums andere Mal gescheitert.
Ihnen ein geruhsames Rentnerleben!

Lucas Hinch, 37-jähriger User aus Colorado – Nachdem Sie monatelang Ärger mit Ihrem Computer hatten, haben Sie diesen mit acht Pistolenschüssen kurzerhand hingerichtet, wie ein Polizeibericht in Colorado Springs protokolliert hat. Da Schusswaffengebrauch in diesem Bundesstaat aber nur zur Gefahrenabwehr erlaubt ist, droht Ihnen nun ein Bußgeld. Ihre Idee bleibt dennoch zukunftsträchtig. Und da längst auch die Mehrzahl der Handys und Tablets den Charakter von Computern hat, wäre uns in diesem Falle sogar ein straffreier Massenmord vorstellbar.

Detlef Hartlap, Chefredakteur des TV-Beilegers prisma Ihre ebenso klugen wie treffenden und meist bissig-launigen Kurzkolumnen zur TV-Landschaft samt gesellschaftlichem Umfeld sind allemal bemerkenswert, schon weil an diesem Ort eher unerwartet. Dieses Mal nicht von Ihnen, aber doch von Ihnen zitiert, soll hier ein Postkartenspruch weitergegeben werden, der da akklamationsheischend lautet: „Wenn du tot bist, weißt du nicht, dass du tot bist. Aber für dein Umfeld ist es hart. Genauso ist es, wenn du blöd bist.“ Wobei, so ließe sich ergänzen, nicht zuletzt das Fernsehen maßgeblich dafür sorgt, dass das von besagter Härte betroffene Umfeld immer überschaubarer wird …

Marcus Franz, kakanisches Nationalratsmitglied – Sie haben in die österreichische Debatte über ein Gesetz gegen sexuelle Belästigung öffentlich und also ernsthaft folgenden Einwand eingebracht: „Ob der Popsch hält, was der Blick verspricht. Das erfahren zu wollen wird nun bestraft. Cui bono?“ Dem Vernehmen nach sind Sie außer Politiker auch Arzt, man darf – vor allem Ihren weiblichen – Patienten wohl zu Ihnen gratulieren. Zu bedauern ist hingegen, dass das Grabschen an anderer Leute Hirn praktisch nicht möglich ist. Es wäre doch gar zu reizvoll zu erfahren, worauf man bei Ihnen bei einem solchen Versuch stoßen würde.

Siegfried Jacobsohn, Gründer und Herausgeber von Schau- und Weltbühne – Als sie die ursprünglich als Theaterblatt konzipierte Schaubühne für politische Themen öffneten, zoffte Ihr Mitstreiter Lion Feuchtwanger im September 1913, mit Gattin gerade auf Italien-Reise, heftig mit Ihnen herum. Der knapp 30-Jährige – sein nachmaliger Freund Arnold Zweig sollte später erklären: „Er hat, abgesehen von der Leidenschaft und ausschließlichen Begabung für literarische und geistige Dinge, den Stoß des Geschicks noch nicht erfahren, jenen rüden Schubs, mit dem das Schicksal ausprobiert, ob einer sich beiseite werfen oder zu sich selbst bringen läßt.“ – vertrat noch eine scharfe Trennung von Kunst und Politik. Ihre Antwort fiel knapp aus und erscheint auch heute als Richtschnur geeignet: „Ich bin keine Korkseele, die immer auf der Oberfläche ihrer einmal vorgefaßten Meinung schwimmt.“

Pawel Astachow, russischer Sittenwächter – Unerhörtes deckten Sie in einer Orenburger Tanzschule auf: Ließ da doch jüngst eine Tanzlehrerin eine Mädchengruppe in schwarz-orangenen Bienenkostümen auftreten. Es soll sogar zu obszönen Gesten gekommen sein! Die Tanzschule hatte nicht beachtet, dass das „Georgsband“ schwarz-orange Farben trägt. Inzwischen soll die Staatsanwaltschaft ermitteln. Nein nicht gegen Sie wegen beleidigender Äußerungen gegen die Orenburger Künstler. Dummheit ist ja leider weder bei uns noch in Russland strafbar. Der Kindertanz stelle eine „Missachtung des Sieges“ über den Faschismus dar. Am besten, alle Kunstäußerungen werden künftig nur noch in schwarz-weißen Dekors abgegeben. Damit kann man mit einiger Sicherheit keine politischen Symbole blasphemieren. Und Schwarz-Weiß ist ja im politischen Denken weltweit angesagt.

Michael Müller, Berliner Regierender Bürgermeister und Ablasshändler – Schon die Hohenzollern kannten den „ökonomischen Effekt“ kirchlicher Großveranstaltungen. Das entsprechende Agieren des Kardinals Albrecht von Brandenburg war dem Bruder Martinus L. die Initialzündung zur Reformation – der sich der mit Albrecht versippte brandenburgische Kurfürst erst recht spät anschloss. 2017 wird das groß gefeiert werden. Der Berliner Senat will unter anderem den Ende Mai 2017 geplanten Evangelischen Kirchentag ein wenig unterstützen: 8,4 Millionen Euro will er locker machen. Der Bund zahlt 2,5 Millionen, Brandenburg eine weitere. Summa summarum sind das 11,9 Millionen Euro Steuergelder für ein Kirchenfest einer der christlichen Kirchen! Insgesamt kostet das Unternehmen übrigens 23 Millionen Euro. Herr Müller, Sie argumentieren trefflich: „Neben den genannten politischen und gesellschaftlichen Effekten bringen Kirchentage auch für den jeweiligen Ort ökonomische Vorteile.“ 63 Millionen Euro Umsatz soll die Schaffe bringen. „Wenn das Geld im Kasten klingt …“ – der Dominikaner Johann Tetzel hat im Roten Rathaus einen trefflichen Adepten gefunden! Fehlt nur noch ein neuer Luther …