27. Jahrgang | Nummer 14 | 1. Juli 2024

Antworten

Meryl Streep, Ausnahme-Actrice – Gerade erst, im Mai 2024, haben Sie beim Filmfestival in Cannes die Goldene Ehrenpalme für ihr Lebenswerk erhalten – quasi eine Art Nobelpreis in Sachen Schauspielerei. 1978 waren Sie in Michael Ciminos „The Deer Hunter – Die durch die Hölle gehen“ zu sehen. Der Film verursachte bei der Berlinale einen formidablen Eklat: Die Ostblockstaaten verließen geschlossen das Festival, weil der Film das vietnamesische Volk beleidige und gegen das Gebot der Völkerverständigung verstoße. Ihr internationaler Durchbruch kam ein Jahr später mit „Kramer gegen Kramer“: Sie spielten eine Ehefrau, die sich im Sorgerechtskampf mit ihrem Mann (Dustin Hoffman) aufreibt. Doch die Figur war Ihnen zunächst zu böse angelegt, und sie erkämpften sich das Recht, für zwei entscheidende Szenen ihren Text selbst neu schreiben zu dürfen. Die Rolle brachte Ihnen den ersten Oscar, als Beste Nebendarstellerin. Am bleibendsten berührt hat uns Ihre Darstellung der jungen Mutter in Alan Pakulas „Sophies Entscheidung“ (1982), die an der Rampe in Auschwitz von einem sadistischen Aufseher vor die Wahl gestellt wird, eines ihrer zwei kleinen Kinder behalten zu dürfen, sie müsse jedoch selbst entscheiden welches. Sie verliert dann auch das andere, überlebt zwar das KZ, nicht jedoch ihre eigenen Schuldgefühle … Oscar als Beste Hauptdarstellerin. Einen weiteren solchen erhielten Sie für Ihre Hauptrolle als Margret Thatcher in „Die Eiserne Lady“ (2012, Regie: Phyllidia Lloyd). Nominiert für den Academy Award waren Sie bisher insgesamt einundzwanzigmal und damit neunmal mehr als die auf dem Silbertreppchen rangierende legendäre Katherine Hepburn.

Starke, zugleich auch verletzliche Frauen könnte man als Ihr Markenzeichen benennen – so ebenfalls in „Jenseits von Afrika“ (1985, Regie: Sydney Pollack), „Die Brücken am Fluss“ (1995, Regie: Clint Eatswood) und „Die Verlegerin“ (2017, Regie; Steven Spielberg). Richtig böse können sie allerdings auch – wie in der rabenschwarzen Komödie „Der Tod steht ihr gut“ (1992, Regie: Robert Zemeckis) oder „Der Teufel trägt Prada“ (2006, Regie: David Frankel).

Vor kurzem behaupteten einschlägige Medien, am 22. Juni 2024 seien Sie bereits 75 geworden. Das wollen wir gar nicht glauben. Haben aber trotzdem vorsichtshalber auf Sie angestoßen.

 

John J. Mearsheimer, US-Politologe, Professor an der University of Chicago – Zur Perspektive des Ukraine-Krieges vertreten Sie folgende Auffassung: Ich glaube, dass die Ukraine in einer hoffnungslosen Lage ist und den Krieg verlieren wird. […] Das wäre eine verheerende Niederlage für die NATO, für den Westen und insbesondere für die USA. Um das zu verhindern, wird der Westen versucht sein, sich in die Kämpfe einzumischen. Wir sprechen da vor allem von den USA. Das Ergebnis wäre ein Großmachtkrieg direkt an der russischen Grenze. Mit einem großen Potenzial für eine Eskalation bis zur nuklearen Ebene. Eine Einmischung des Westens wäre katastrophal.“

Und was ist mit Putin?

Der „hatte kein eigentliches Interesse daran, gegen die Ukraine Krieg zu führen“ und diese „zu erobern. Das ist ein Mythos, der im Westen geschaffen wurde, um Putin als Bösewicht darzustellen, der hauptverantwortlich für den Ausbruch des Krieges ist.“

Mit solchen Auffassungen, werter Herr Professor, brauchten Sie sich bei unseren hiesigen Ampelkoalitionären nicht mal auf einen Hausmeisterposten zu bewerben!

 

Harald Kujat, General a.D. und ehemaliger Generalinspekteur der Bundeswehr, Vorsitzender des NATO-Militärausschusses sowie des NATO-Russland-Rates – Sie sind offenbar ernsthaft, denn Sie haben sich wiederholt entsprechend geäußert, der Meinung: „Weder aus den sicherheitspolitischen und strategischen Grundsatzdokumenten der russischen Regierung noch aus öffentlichen Äußerungen Putins lassen sich Pläne für Angriffe auf NATO-Staaten ableiten. Selbst die offiziellen Bedrohungsanalysen der amerikanischen Regierung – einschließlich der von 2024 – geben keinen Hinweis auf eine entsprechende russische Absicht. In der aktuellen amerikanischen Bedrohungsanalyse heißt es: ‚Russland will mit ziemlicher Sicherheit keinen direkten militärischen Konflikt mit den Streitkräften der USA und der NATO […].‘“

Also wirklich?!

Als Hausmeister kommen Sie jedenfalls auch nicht in Frage.

 

Sepp Müller, Vizefraktionschef der CDU/CSU im Bundestag mit Wahlkreis in Sachsen-Anhalt – Sie meinten nach der Europawahl doch tatsächlich, man könne auch mal über die 70 Prozent der ostdeutschen Wähler reden, die nicht für die AfD gestimmt hätten. Nur so zur Abwechslung. Doch wie soll das gehen, wenn am Wahlabend in der Talkshow bei Frau Miosga wieder nur vier Westdeutsche saßen, um über den Osten zu reden?

Eine Erklärung für den Stimmanteil der AfD haben Sie natürlich trotzdem. Es gebe bei den Menschen ein Gefühl, nicht nur im Osten, dass in Deutschland das System nicht mehr funktioniere. „Da geht es nicht nur um Migration. Es geht um fehlende Leistungsbereitschaft, es geht um die Bahn, die immer unpünktlicher wird, um Ärzte, die auf dem Land fehlen.“ Eine Reaktion auf dieses Gefühl sei die Wahl einer Partei, die das System ablehnt.

Da mögen Sie völlig Recht haben. Aber wäre es dann nicht besser an der Zeit, von der Leipziger Nikolaikirche aus die Montagsdemos wiederaufzunehmen?

 

Katja Hoyer, Historikerin aus Guben mit Dienstsitz im Vereinigten Königreich – Zum Ergebnis der Europawahl stellen Sie fest: „Die Ampelparteien verloren bundesweit insgesamt fast elf Prozentpunkte, während die CSU keinen einzigen Prozentpunkt zulegte und die CDU auch nur gut einen. Die Diskrepanz lässt sich durch das Wahlverhalten der knapp 17 Prozent Ostdeutschen allein nicht erklären.

Viele Ostdeutsche trugen ihren Frust zur AfD, aber wo sind die unzufriedenen Westdeutschen hin, wenn die Union stagniert? […] Sie gehen lieber gar nicht wählen: 5,4 Millionen ehemaliger Wähler von Union, SPD, Grünen und FDP entschieden sich nicht für andere Parteien, sondern gegen die Wahl als solche.“ Überdies zeige die Analyse, dass „die AfD bundesweit bei Arbeitern mit einigem Abstand an erster Stelle [liegt]. Ein Drittel dieser Schicht stimmte für sie […].“ Und Sie fragen sich, „wo ist die Bestürzung in der SPD, Deutschlands alter Arbeiterpartei, darüber, dass ihr nur noch zwölf Prozent dieser Gruppe vertrauen?“

Da sind wir aber jetzt froh, dass wir doch nix an Augen und Ohren haben, denn gesehen und gehört haben wir in dieser Hinsicht genau so wenig wie Sie.

 

Thomas Geisel, Politiker – Während Ihrer vier Jahrzehnte in der SPD waren Sie unter anderem Oberbürgermeister von Düsseldorf, und Sie behaupten unverändert von sich: „Ich bleibe selbstverständlich Sozialdemokrat.“ Doch seit jüngstem vertreten Sie das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) im Europaparlament. Wo der entscheidende Wandel stattgefunden hat, deuten Sie wahrscheinlich an, wenn Sie sagen: „Es muss darum gehen, Europa wieder zu dem zu machen, wofür Europa gegründet wurde, nämlich zu einem Gemeinschaftsprojekt für Frieden und Wohlstand. […] Ich halte es für eine verhängnisvolle Entwicklung, wenn sich Europa an Handelskriegen und Wirtschaftssanktionen beteiligt, die uns selbst mehr schaden als dem Adressaten.“ Darüber hinaus meinen Sie: „Sich dem woken Zeitgeist von Political Correctness, Cancel Culture und Identitätspolitik entgegenzustellen, gilt heute komischerweise als rechts. Wer sich dafür ausspricht, den Ukrainekrieg durch Diplomatie und Verhandlungen zu beenden, gilt als russlandnah und Putinversteher. Ich denke, wir sollten uns von dieser ziemlich hysterischen Stimmungsmache nicht verrückt machen lassen.“

Bei ersterem sind wir ganz bei Ihnen, und um letzteres bemühen auch wir uns bei jeder Blättchen-Ausgabe aus neue.

 

Andreas Kopietz, geschätzter Kollege von der Berliner Zeitung – Wie wären Berlin und seine Bevölkerung auf den Kriegsfall vorbereitet, wollten Sie kürzlich wissen und interviewten deshalb den Kommandeur des Landeskommandos Berlin der Bundeswehr, den Brigadegeneral Jürgen Karl Uchtmann. Der verwies sofort „auf die konkrete Bedrohung, die über uns schwebt“, und mahnte in Richtung derer, die es betrifft: „Das vorsichtige Formulieren um den heißen Brei herum, weil gerade wieder Wahlen anstehen, bringt nichts.“ Denn in Sachen Kriegsvorbereitung, so der General, seien wir „auf einer Skala von eins bis zehn bei eins“. Doch gottseidank gebe es bereits „einfachste Maßnahmen, die zumindest einen Mindestschutz gewährleisten“ – „zum Beispiel gegen (sic!) den Schutz vor Glassplittern die Vorhänge zuziehen“. An dieser Stelle hätte der General überdies getrost daran erinnern können, dass man sich bei einem Atomschlag zügig hinter eine Bordsteinkante legen und die Aktentasche über den Kopf halten sollte. Das galt im Westen schon in den 1950er Jahren als probate Schutzmaßnahme … Und dann appellierte der Landeskommandeur: „Wir suchen Männer und Frauen, die bereit sind, mit einer Waffe in der Hand Berlin zu verteidigen.“ Spätestens hier, lieber Kollege, hätten Sie allerdings nachhaken müssen: „Berlin verteidigen? Mit einer Waffe in der Hand? Ja gegen wen denn eigentlich, um Himmels willen? Doch nicht wirklich im Ernst gegen die Russen, die es in zweieinhalb Jahren nicht mal bis nach Kiew und Charkiw geschafft haben? Gegen wen also?“ Dass Sie das, aus welchen Gründen auch immer, anscheinend nicht interessiert, befremdet uns zwar, doch allzu sehr schelten wollen wir Sie deswegen nicht. Denn in Zeiten wie diesen kommt es natürlich vor allem auf eines an: „Kompanie stillgestanden! Im Gleichschritt – Marsch!“

 

Donald Sutherland, Hollywood-Legende – Aus der ostkanadischen Provinz New Brunswick stammend, machten Sie beim Film Karriere, obwohl es anfänglich etwas holperte. Nach Ihrem ersten Vorsprechen für einen Film, 1962, hatten Sie eigentlich ein gutes Gefühl. Und tatsächlich, am nächsten Tag rief der Produzent an und gratulierte herzlichst, weil Sie so wundervoll gewesen seien. Cum grano salis, denn dann kam es: „Ich wollte Ihnen nur gern persönlich erklären, warum wir Sie trotzdem nicht engagieren werden. Wir haben uns für die Rolle einen Durchschnittskerl vorgestellt, so ein Typ, der nebenan wohnen könnte. Ich hoffe, Sie nehmen es uns nicht übel – aber Sie sehen nicht aus wie jemand, der neben irgendjemandem wohnt.“ Lag das an Ihrer Größe (1,93 Meter), Ihren eisblauen Augen oder an dem diabolischen Grinsen, zu dem Sie fähig waren? Wie dem auch sei, das nächste Casting muss anders verlaufen sein, denn seither waren Sie in mehr als 150 Filmen und TV-Produktionen zu sehen und bedienten mit enormer Wandlungsfähigkeit jedes Genre. Zum ersten internationalen Erfolg wurde 1967 der Kriegsfilm „Das dreckige Dutzend“. 1971 brillierten Sie als Privatdetektiv in Alan Pakulas Psychothriller „Klute“ an der Seite von Jane Fonda. 1973 war Julie Christie Ihre Partnerin in dem Mystery-Thriller „Wenn die Gondeln Trauer tragen“. 1976 waren Sie neben Robert De Niro, Gérard Depardieu und Burt Lancaster in Bernardo Bertoluccis Monumentalfim „1900“ zu sehen. 1978 waren Science Fiction und Horror angesagt in „Die Körperfresser kommen“, einem Remake von Don Siegels „Invasion of the Body Snatchers“ von 1956. Aber dieses Mal wirklich zum Fürchten. 2015 schließlich standen Sie mit Ihrem Sohn Kiefer erstmals gemeinsam vor der Kamera, in dem Spätwestern „Forsaken“.

Seit 2011 haben Sie einen Stern auf dem „Walk of Fame“ in Hollywood – übrigens gleich neben der Plakette Ihres Sohnes. Für einen Oscar sind sie eigentümlicher Weise nie nominiert worden, doch 2018 würdigte Sie die Academy zumindest mit einem Ehren-Oscar für Ihr Lebenswerk. Sie nahmen’s launig und zitierten in Ihrer Dankesrede den US-Komiker Jack Benny: „Ich habe diesen Preis nicht verdient, aber ich habe Arthritis, und die habe ich auch nicht verdient.“

Jetzt sind Sie, 88-jährig, verstorben. Insbesondere in Ihren erwähnten Filmen werden Sie uns gut in Erinnerung bleiben.

 

Maurice Höfgen, Kolumnist der Berliner Zeitung – Seit der vergurkten Europa-Wahl fordern CDU-Chef Friedrich Merz und FDP-Chef Christian Lindner, dass Klimaschutz in Zukunft anders gemacht werden müsse: weniger Staat,

mehr Markt. Also Subventionen runter und CO2-Emissionen verteuern. Dem halten Sie entgegen: „Was Merz und Lindner nie erwähnen: Je mehr Subventionen gestrichen werden und je höher der Preis für CO2-Emissionen steigt, desto teurer

wird der Klimaschutz und desto ärmer werden die Verbraucher. Was Merz und Lindner „mit Habeck eint: Sie vergessen Menschen mit kleinen Geldbeuteln. Klimaschutz wird abgewählt, weil er als Zumutung gesehen wird. Es braucht also mehr Ausgleich für kleine und mittlere Einkommen.“

Allerdings – diesen Schuss hatte schon der Fein- und Freigeist Habeck in seiner Einkommensklasse nicht gehört. Warum sollte das ausgerechnet bei Merz und Lindner anders sein?