Mit der Verschärfung der politischen Kämpfe in Deutschland und der gleichzeitigen Zuspitzung der Lage im Fernen Osten – am 18. September 1931 besetzten japanische Truppen die Mandschurei und vom 28. Januar bis zum 5. Mai 1932 attackierten sie Shanghai – mündeten die programmatischen Unterschiede zwischen der KPD und der SPD in der Bewertung der chinesischen Revolution und der japanischen Aggression in scharfe tagespolitische Auseinandersetzungen.
So empörte sich Die Rote Fahne am 4. Februar 1932 darüber, dass „die von der KPD geforderte Freigabe des Lustgartens für die Demonstration der Roten Arbeiterfront gegen den japanischen Imperialismus und für die Verteidigung der Sowjetunion und der überfallenen chinesischen Werktätigen von dem sozialdemokratischen Polizeipräsidenten [Albert] Grzesinski verboten worden“ sei, und sie stellte diese Entscheidung in eine Linie mit der Billigung der „Kriegsmateriallieferungen nach Japan und China“ durch den „Hamburger sozialdemokratischen Koalitionssenat“, mit dem Eintreten von Grzesinskis „japanischen Parteigenossen […] für den Raubzug gegen China und die Sowjetunion und die Annektion der Mandschurei“ und dem Stillhalten der „französischen Sozialdemokratie“ angesichts dessen, dass „die französische Regierung […] den japanischen Imperialismus finanziert“ (zitiert nach „Aus dem Kampf der deutschen Arbeiterklasse zur Verteidigung der Revolution in China“, Berlin 1959).
Ihre Unterstützung der chinesischen Revolution verband die KPD mit der Entlarvung des Wirkens der deutschen Beraterschaft bei Jiang Jieshi. „Überall“, schrieb Die Rote Fahne am 24. August 1930, „wo der Imperialismus unterdrückte Volksmassen knechtet, würgt und niederschießt, wirken die deutschen Faschisten durch ihre Vertreter mit: in China durch die Kapp-Putschisten Wetzel [Georg Wetzell] und [Hermann] Kriebel […].“ Und unter der Überschrift „Nazis als Henker der chinesischen Freiheitsbewegung“ druckte sie am 26. November 1930 einen „Aufruf der KP.Chinas an die deutschen Werktätigen“, in dem es hieß, dass „50 Nationalsozialisten, engste Freunde Hitlers,“ in Nanjing „als Militärinstrukteure der chinesischen Reaktion tätig“ seien und „soeben im Begriff“ stünden, „einen konzentrierten Angriff gegen die chinesischen Sowjetgebiete und die Rote Armee zu unternehmen“ (zitiert nach: Ebenda).
Und Mao? Er war noch nicht als konkrete Persönlichkeit wahrgenommen. So ausführlich Die Rote Fahne und die Arbeiter Illustrierte Zeitung (A.I.Z.) auch über China berichteten – die Nennung Maos in der Roten Fahne am 23. April 1929 (siehe Teil I) blieb ein Einzelfall. Nur in der Provinz tauchte Mao noch einmal auf, am 12. Februar 1931 in der Arbeiterstimme, der in Dresden erscheinenden Tageszeitung der KPD für Ostsachsen. Dort war unter der Überschrift „Tschangkaischeks [Jiang Jieshis] Niederlage. Sowjetgebiete in Hunan und Hupei [Hubei] erweitert“ zu lesen, dass die „Truppen des roten Generals Mao Tse Dun [Mao Zedong] den Nanking [Nanjing]-Truppen“, die „von den ausländischen Mächten mit Munition gut versorgt“ worden seien und „unter Führung deutscher Offiziere (Nazis)“ stünden, einen „schweren Schlag zugefügt“ hätten.
Da in der Meldung der Arbeiterstimme wie schon in anderen zitierten Artikeln die dritte Silbe in Maos Namen „dun“ geschrieben ist, sie hier ein kleiner Schriftexkurs gestattet: „Dun“ lässt erkennen, dass es sich um eine Übersetzung aus dem Russischen handelt, einschließend die dort gebräuchliche Umschrift der chinesischen Zeichen – und auch, dass denen, die die Meldung verfassten, die Problematik der verschiedenen Umschriften in verschiedenen Sprachen wohl unbekannt war. Bei von vornherein in Deutsch verfassten oder aufs Englische zurückgehenden Texten finden wir „dung“ oder „tung“. – Und was die heutige standardisierte Schreibweise „dong“ betrifft, so ist zu beachten, dass die Aussprache trotz des „o“ wie immer schon „dung“ lautet.
Mao Zedong. Die Leserinnen und Leser des in Bielefeld erscheinenden Aufwärts. Christliches Tageblatt erfuhren von ihm am 9. August 1931 ohne den Umweg einer Übersetzung in einem Beitrag des Missionars der Rheinischen Mission in China Immanuel Gottlieb Genähr, der seine Texte mit „G.“ oder „Im. Genähr“ zeichnete. „Die Kommunisten“, schrieb Genähr unter dem Titel „Kommunismus in China“, „haben gut ausgebildete und mutige Führer. Einer ihrer Führer, Peng Teh-huai [Peng Dehuai], der im Juli 1930 Tschangsha [Changsha] erobert hatte, ist erst 38 Jahre alt und erhielt seine Erziehung in einer französischen Missionsschule. Die anderen vier Generale sind: Tshuh Teh [Zhu De], Huang Kungliao [?], Ho Lung [He Long] und Mao Tseh-tung [Mao Zedong]. […] Die Kommunisten operieren in fünf Provinzen […], erfreuen sich der Mitwirkung Rußlands und der Sympathie und Mithilfe von Millionen von Bauern und Arbeitern, und wenn sie in offener Schlacht von den Nationalisten angegriffen werden, geschieht es häufig, daß Gruppen meuternder Soldaten zu ihnen übergehen.“
Dennoch werde – so Genähr weiter – der Kommunismus in China „voraussichtlich […] nicht zur Herrschaft gelangen“, denn erstens seien die Bauern „grundsätzlich und wesentlich konservativ“, zweitens habe die „zunehmende Industrialisierung des Landes“ noch keine „große proletarische Klasse“ hervorgebracht, und drittens verletze der Kommunismus „den demokratischen Instinkt der Chinesen, ihre sozialen Ideen und die der Familie sowohl als auch ihre Vorliebe für Vergleiche und friedliche Methoden.“
Am 31. Mai 1932 musste Genähr – wiederum im Aufwärts – einräumen, dass die „offen zutage tretende Schwäche der Nanking-Regierung […] von den Kommunisten […] in weitestem Umfang ausgenutzt worden“ sei. Die „Roten Truppen“ unter den „bekannten Kommunistengeneralen Tschu Te [Zhu De] und Mao Tse-tung [Mao Zedong]“ hätten „einen Vorstoß nach Fukien [Fujian]“ unternommen, „um auch diese Provinz ihrer Herrschaft anzugliedern.“ Dabei sei der „Vertragshafen Amoy [Xiamen] zeitweise so stark bedroht“ gewesen, „daß die Fremdmächte Kriegsschiffe dorthin entsandten und mit den chinesischen Behörden gemeinsame Sache machten.“
Die Teile I und II erschienen in den Ausgaben 15/2023 und 16/2023.
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