Franz von Stuck war einer der selbstbewussten Malerfürsten, dessen Reputation europaweit anerkannt wurde. Seine Bilder, in kostbare Rahmen gefasst, beschwören eine stilisierte Welt symbolischer Verschlüsselungen, es sind gleichsam verweltlichte Andachtsbilder. So hat er seine berühmte „Die Sünde“ (um 1893), den erotischen Frauentyp einer Femme fatale – ein Schlangenkopf schaut ihr über die Schulter –, anstelle eines Altarbildes als provozierende Antithese placiert. „Salome“ (1906) wiederum ist Sinnbild der Verführung, wie ein gleißendes Schmuckstück leuchtet ihr Körper in tänzerischer Bewegung; aus dem Dunkel wird ihr das Haupt ihres Opfers gereicht, das in seinem Strahlenkranz ebenso schmuckhaft wirkt. Lust und Tod sprechen hier wie ein leuchtendes Gestirn im Bild. Eine wunderbare psychologische Studie ist Stucks „Tilla Durieux als Circe“ (um 1913). Mit verführerisch-lauerndem Blick offeriert die Schauspielerin in ihrer Rolle als Zauberin Circe einem unsichtbaren Gegenüber (Odysseus) den Zaubertrank. Als Schöpfer von Symbolgestalten und damit als Sinngeber der Welt und seiner Menschen war Stuck noch ganz ein Protagonist des – die Jahrhundertwende bezeichnenden – Fin de Siècle; er wurde schon bald darauf von der modernen Kritik als Relikt vergangener Gedankenmalerei verspottet. Auch sein ehemaliger Schüler Wassily Kandinsky sollte dann Stucks Kunst der Vergangenheit zuordnen und ganz andere Wege gehen.
Stuck war aber wichtigster Exponent der ersten, 1892 in München gegründeten Secession, der dann 1897 die Gründung der Wiener Secession mit Gustav Klimt als Leitfigur und 1899 die Gründung der Berliner Secession mit Max Liebermann als zentraler Figur folgen sollten. Mit den Protagonisten Stuck, Klimt und Liebermann können auch die Hauptvertreter des Symbolismus, des Jugendstils und des Impressionismus bezeichnet werden. Aber die Secessions-Bewegung bevorzugte keine Stilrichtung, sie war ein Aufbruch aus dem Fin de Siècle in die Moderne und trat für künstlerische Freiheit und Vielfalt ein. Und diesen drei deutschsprachigen Secessionen und ihren wichtigsten Exponenten haben die Kuratoren Ursula Storch (Wien Museum) und Ralph Gleis (Alte Nationalgalerie Berlin) ihre beeindruckende Ausstellung gewidmet. 200 Gemälde, Skulpturen und Grafiken von 80 Künstler:innen – darunter 14 Frauen – werden vorgestellt. In der Zusammenschau der drei deutschsprachigen Kunstmetropolen, im Austausch ihrer Werke kann man in die Ausstellungen des anderen hineinschauen und Neues, Unbekanntes entdecken. Durch ihre Netzwerke miteinander verbunden, strebten die Secessionen nach Anschluss an die internationale Kunstentwicklung. Es geht den Kuratoren nicht um eine Chronologie der Secessionen, sondern um ihre vergleichende Darstellung, nur deren Anfangsphasen – von 1892 bis 1913 – werden in den Blick genommen. Das Neue sind die Themen, sie bringen den Aufbruch mit sich, Gemeinsamkeiten wie Unterschiede werden deutlich, die Rolle der Künstlerinnen, die ja außer in Berlin nicht Secessionsmitglieder werden durften, aber dennoch ausstellten, wird in Konkurrenz mit ihren männlichen Kollegen beleuchtet. Ein Drittel der Namen kennt man heute nicht mehr, sie sollen wieder ins Bewusstsein gehoben werden. Internationale Gäste waren Ferdinand Hodler, Edvard Munch, Auguste Rodin oder Jan Toorop.
Dank dem Wien Museum, das die weltweit größte Sammlung von Papierarbeiten Klimts besitzt, kann erstmals Klimt mit 40 Arbeiten in Berlin gezeigt werden. Bei ihm wird der weibliche Akt in ein abstrakt-dekoratives Gefüge – mit wie geschuppten, insektenflügelartigen Bildoberflächen – eingebaut, so dass er fast wie ein „objet trouvé“ wirkt. Diese rein flächenhafte Darstellung mit arabeskenhaft geführten Umriss- und Binnenzeichnungen und die ebenso flächig eingesetzte Farbe ist charakteristisch für den Jugendstil, wie er im Wien Klimts dominierte. Es treten vor allem die immateriellen Eigenschaften des Motivs in Erscheinung, ein Prinzip, an das dann vor allem der Expressionismus anknüpfen sollte. Das berühmte „Porträt Emilie Flöge“ (1902) ist das erste Damenporträt, in dem das Ornament Eigenwert besitzt. Hoheitsvoll steht die Dargestellte in Lebensgröße vor uns, die naturalistischen Gesichtszüge im Kontrast zum abstrakten Ornamentgefüge, das den Körper einhüllt. Klimt bedient hier ein modernes Frauenbildnis, das aber der Dargestellten, die selbst Modegestalterin war, nicht entsprach. Es gleicht wie auch seine anderen Frauenbildnisse mehr einer künstlerischen Inszenierung des männlichen Blicks auf die Frau.
Klimts „Pallas Athene“ (1898) war das programmatische Bild zur Gründung der Wiener Secession, es wurde zur Leitfigur und Schutzgöttin für die neue Wiener Künstlervereinigung. Klimt zeigt die wehrhafte Göttin in metallenem Brustpanzer – ein Medusenhaupt mit herausgestreckter Zunge verhöhnt den Kunst-Skeptiker. Der sich im blauen Malerkittel mehr und mehr zum Priesterkünstler stilisierende Klimt hat die weibliche Körperdämonie im „Beethovenfries“ mit dem Rittertum konfrontiert; der goldene Ritter wird zu einer Manifestation reiner Geistigkeit und männlichen Willens.
Eine Gegenrichtung schlug Oskar Kokoschka ein, der 1906 zum ersten Mal Werke von Vincent van Gogh sah. Die suchende, bekenntnisartige Intensität von dessen Porträts, vor allem dessen Selbstporträts, traf ihn wie ein Blitz. Auf ihn, der in der morbiden, nach innen gewandten Atmosphäre der Wiener Moderne lebte, mussten diese Bilder eine traumatische Wirkung haben. In seinen „Schwarzen Portraits“ malte Kokoschka eine Reihe von Intellektuellen, Künstlern und Mäzenen, die so neurotisch in Einzelteile zerlegt, so überfeinert und auseinandergenommen waren, dass sie alle Versuche einer „psychologischen Portraitmalerei“ seit van Gogh übertrafen.
Für Max Liebermann, der 12 Jahre die Präsidentschaft der Berliner Secession innehatte, waren Gegenstand und realistische Gesinnung wichtiger als das optische Verhalten der Dinge in der Flut von Licht und Atmosphäre. Dennoch brachte gerade er eine unerhörte Kultivierung der Maltechnik ein, die sowohl auf einer intimen Kenntnis der holländischen Malerei als auch auf einer „Abkürzung“ der Pinselhandschrift beruhte. Seine tonige Malerei hebt sich deutlich von der Maltechnik der französischen Impressionisten ab. Nachdem 1888 die Nationalgalerie mit der „Flachsscheuer“ als erstes deutsches Museum ein Bild von ihm erworben hatte, gehörten Biergärten („In den Zelten“, 1900), Figuren am Strand, Badende und Porträts dann zu den Motiven, die um 1900 Liebermanns Arbeits- und Gruppenbilder der Frühzeit ablösten. In vielen Werken waltet der lebendig hingestrichene Eindruck vor. Mit dem „kammermusikalischen“ Ton mischt sich ein „impressionistisches“ Element in seinem Schaffen. Der Künstler wandte sich dem Problem von Licht- und Sonneneinwirkung in der Landschaft zu: Die konkrete Form beginnt sich aufzulösen, das Skizzenhafte und das Spiel der Lichteffekte dominieren, die Fluktuation des Lichtes verlangt eine Leuchtkraft der Farbflecke.
In der Berliner Künstlervereinigung durften Frauen von Anfang an gleichberechtigt mit ihren männlichen Kollegen ausstellen. Dora Hitz („Kirschenernte“, 1905), Sabine Lepsius („Monica, die Tochter der Künstlerin“, 1900), Ernestine Schultze-Naumburg („Dame in Weiß“, 1898) und Julie Wolfthorn („Flötenbläser“, um 1900) waren von Anfang an mit dabei. Käthe Kollwitz („Selbstbildnis en face“, 1904), Clara Siewert, Charlotte Berend-Corinth kamen später mit dazu.
Der hier vorgeführten Vielzahl bekannter und unbekannter Namen aus den Secession-Ausstellungen ist zuzugestehen, dass es in ihren Bildern um ein sensibles Erahnen des Eigentlichen hinter den Fakten geht, dass sich in ihnen weit mehr verbirgt als das bloße Zeitbild, nämlich zunächst einmal Vision, Hoffnung, Aufruf zur Veränderung. Sie ergeben insgesamt ein Mosaik von starker Ausdruckskraft.
Secessionen. Klimt – Stuck – Liebermann, Alte Nationalgalerie, Museumsinsel Berlin; bis 22. Oktober. Katalog (Hirmer Verlag) 30,00 Euro.
Schlagwörter: Alte Nationalgalerie Berlin, Berliner Secession, Franz von Stuck, Gustav Klimt, Klaus Hammer, Malerei, Max Liebermann