Antworten

Dante Alighieri, Weitsichtiger – „Italien, Sklavin, Schlund voll Schmerz und Graus, Schiff ohne Steuer auf durchstürmten Meeren, nicht Herrscherin der Welt, nein, Hurenhaus“, haben Sie im Sechsten Gesang des „Fegefeuers“ Ihrer Göttlichen Komödie gedichtet, woran eine Titelstory des Spiegel jüngst ironisch erinnerte. Auch Sie selbst wurden vor der Pforte jenes Purgatorium bekanntlich vom wachenden Engel der sieben Todsünden Hochmut, Jähzorn, Neid, Habgier, Wollust, Völlerei und Trägheit geziehen, von denen Sie sich gefälligst zu reinigen hätten, wollten Sie ins Paradies gelangen. Wir hoffen, Ihnen war Erfolg beschieden. Nur schwer, nein – eigentlich gar nicht vorstellen können wir uns allerdings, dort dereinst Silvio Berlusconi zu begegnen.

Hans-Peter Friedrich, Bundesinnenminister – nachdem wir dank Google herausgefunden haben, dass Sie der oberste deutsche Sicherheits- und Verfassungshüter sind, gratulieren wir Ihrer Behörde zur Kunst präzisestmöglicher Lagebeurteilungen. Laut einem hausinternen Bericht wissen wir nun, dass es sich bei der Beteiligung saudischer Truppen an der blutigen Niederschlagung der Oppositionsbewegung in Bahrain um eine „Sicherungsmaßnahme wichtiger Infrastruktur“ gehandelt hat. Die Aussicht, dass Riad noch viel mehr wichtige Infrastruktur schützen kann, wenn es über 200 neue deutsche Sicherungs-Panzer verfügt, stimmt uns zuversichtlich und stärkt unser Sicherheitsempfinden.

Enoch zu Guttenberg – Sie haben uns in Ihren Memoiren wissen lassen, dass Ihnen ein ärmliches Leben – vergleichbar mit Hartz IV – nicht unvertraut ist. Weil Ihnen Ihr Vater ein Pleite-Unternehmen hinterließ, herrschte in den 70er Jahren Geldnot: „Ich fuhr Mofa, um Benzin zu sparen, wir wohnten in einer winzigen Wohnung in einem kleinen Bauernhof. Unsere Haushälterin schlief im Wohnzimmer und teilte das Bett mit meinem Sohn Philipp, und ich schlief in einem Bett mit Karl-Theodor, so spartanisch war das.“ Da hatten Sie ja Glück im Unglück, dass sich diese Praxis nicht herumgesprochen hat und die Gesellschaft seinerzeit noch nicht hinreichend sensibilisiert war für das Thema, das daraus leicht hätte werden können … Aus heutiger Sicht ist allerdings nicht völlig auszuschließen, dass gerade diese Verhältnisse bei Karl-Theodor, dem späteren Ex-Verteidigungsminister, zu jenem moralisch-ethischen Defekt geführt haben, der ihn zu dem zweifelhaften Verdienst befähigte, jene Lawine loszutreten, durch die alle promovierten Politiker nunmehr unter dem Generalverdacht stehen, ebenfalls „geguttenbergt“ zu haben.

Spiegel-online-Redakteure, Meinungsbildner – mit einem liebevollen Stadtporträt („Jubelschrei der Seele“) haben Sie unlängst Rio de Janeiro für einen Besuch wärmstens empfohlen und hatten dabei den Tipp parat, auch Favelas zu besuchen, was man mittlerweile gut und gern „auf eigene Faust“ tun könne. Von solcher Orts- und Sachkenntnis tief beeindruckt, erwarten wir nun spannungsvoll analoge Empfehlungen für die Randbezirke von Mexico-City, Mumbay oder die Johannesburger Slums. – P.S.: Liebe Blättchen-Leser, nach Rücksprache mit unserem Brasilien-Korrespondenten Klaus Hart, der jüngst in Berlin weilte, möchten wir Ihnen allerdings nahelegen, den Spiegel-online-Tipp nur an Personen weiterzugeben, die Sie nicht leiden können oder auf deren fortgesetzte Bekanntschaft Sie nicht wirklich Wert legen.

Peter Hahne, televisionärer Prediger – „Die traditionelle Kultur des Bettelns in unserer abendländischen Gesellschaft hat in einem Sozialstaat keine Berechtigung mehr. Diese Bettelei ist Belästigung und Nötigung“, haben Sie uns via Bild Ihre vorbildlich caritative Auffassung zu jenen Menschen wissen lassen, die ihre Mitbürger – sicher aus Jux und Tollerei – um Geld angehen. Nun wissen wir nicht, ob Sie Ihr abendländisches Weltbild mehr ihrem Theologiestudium oder Ihrer Fernsehkarriere zu verdanken haben, aber auf eines möchten wir Sie schon hinweisen: Jemand, der einen Staat überhaupt als Sozialstaat qualifiziert, in dem Menschen zur Existenzerhaltung keinen anderen Weg als Bettelei mehr sehen, und jemand, der diese Menschen dann explizit oder indirekt auch noch in einen Topf mit organisierter krimineller Bettelei wirft, der könnte seinen Platz im Paradies bereits verwirkt haben. Denn wie heißt es doch bei Matthäus (25, 45) im Hinblick auf die Verfluchten: „Wahrlich, ich sage euch: Was ihr nicht getan habt einem unter diesen Geringsten, das habt ihr mir auch nicht getan. […] Und sie werden in die ewige Pein gehen […]“

Antworten – Bisweilen erreicht die Redaktion eine Anfrage, aus wessen Feder diese oder jene Antwort entstamme. Das soll aber auch künftig unser kleines Geheimnis bleiben. Andererseits verraten wir nicht zu viel, wenn wir bekennen, daß wir es in diesem wie in anderen Punkten entweder weitgehend oder zumindest im gewissem Sinne wie bei Schau- und Weltbühne halten. Deren Gründer und Chef Siegfried Jacobsohn hatte die Rubrik 1913 eingeführt und sah sich bereits im Jahre 1915 an Kurt Tucholsky, der offenbar öffentlich aus der Schule geplaudert hatte, zu schreiben veranlasst: „[…] was Sie bis jetzt […] Ihren Freunden gesagt haben, ist gesagt und bleibt gesagt, und es wäre ebenso unrichtig wie unehrlich, irgendetwas zu redressieren. Aber in Zu­kunft täten Sie mir allerdings einen großen Gefallen, wenn Sie die Entstehung der ‚Antworten’ als Berufsgeheimnis zwischen uns beiden behandelten. Es können mir da von böswilligen Leuten – und wissen Sie einen, der noch mehr Feinde hat als ich? – die unangenehmsten Dinge eingebrockt werden. Denn schließlich steht auf Leibbinden und Plakaten und Inseraten: Antworten von S.J. So steht [es] da, weil das den Absatz beträchtlich hebt, nicht, weil ich den Wunsch oder nötig hätte, mich mit fremden Federn zu schmücken; es haben ja die drei Jahre, während Sie draußen waren (S.J. spielt auf Tucholskys Militärdienst von 1915 bis 1918 an, während dessen Zeit dieser kaum für die Schaubühne arbeitete. Anm. d. Red.), auch ganz hübsche und wirksame Antworten im Blättchen gestanden. Daß ich Ihre Hilfe für diese Rubrik in Anspruch nehme, geschieht haupt­sächlich, weil ich von früh bis abends den Verlag mit noch größerer Intensität leiten muß als die Redaktion und eigentlich nur sonntags zu zusammenhängender Arbeit komme, die dann meinem Artikel und der meist mühsamen und wohl zu überle­genden Zusammenstellung der Nummer gilt. Mit meinem Ge­wissen kann ich also unsern Pakt und sogar seine Verschwei­gung nach außen hin teils dieserhalb, teils außerdem, teils deshalb vereinen, weil ich ja beinah jede Antwort in meinen Jargon übersetze. Aber wann wäre das zu beweisen, wenn Ihre Äußerungen so weit herum getratscht würden, daß einmal ein neuer Fall Jacobsohn entstünde? Deshalb wärs mir eine große Beruhigung, wenn Sie mir den Gefallen täten, meinen Wunsch zu erfüllen. Herzlichst Ihr S.J.“