Der momentane Höhenflug des Bitcoin fachte erneut die Diskussion darüber an, welche Bedeutung digitalen nichtstaatlichen Währungen in der Zukunft zukommt und ob die aktuelle Entwicklung nicht als ein Signal für den Niedergang der Weltwirtschaft und der bisherigen Weltwährungsordnung zu werten sei.
Der Bitcoin ist eine virtuelle Kryptowährung, die auf Basis eines dezentral organisierten Buchungssystems generiert wird. Zahlungen mit Bitcoin werden kryptographisch legitimiert und über ein Netz gleichberechtigter Rechner abgewickelt. Anders als bei traditionellen Währungen und im Bankensystem Usus, ist dafür kein zentrales Clearing der Geldbewegungen erforderlich. Die Währung funktioniert also ohne das übliche Instrumentarium und unabhängig vom Bankensystem.
Problematisch sind jedoch die hohen Kosten, die mit der Hervorbringung der Kryptowährung, dem sogenannten Bitcoin-Mining, verbunden sind. Während traditionelle Währungen wie Euro, Schweizer Franken, Rubel oder US-Dollar faktisch aus dem Nichts geschöpft werden, durch einfache Banktransaktionen, die lediglich Kosten durch Emission und Zirkulation von Bargeld (Banknoten und Münzen) verursachen, werden Bitcoins elektronisch „geschürft“, das heißt durch Algorithmen auf Computersystemen erzeugt. Die virtuelle Währung wird dann mit Hilfe eines dezentral geführten elektronischen Registers verwaltet, der sogenannten Blockchain-Technik, was eine hohe Sicherheit garantieren und den Missbrauch durch Staaten oder Banken ausschließen soll. Das System ist zudem hochgradig anonymisiert, so dass der Besitz von Bitcoins nur über elektronische Codes nachweisbar ist, wodurch aber die Anonymität nicht aufgehoben wird, da niemand die Namen und Adressen der Eigner kennt.
Die Produktion der Bitcoin-Währung erfolgt in Großrechnern, die überall in der Welt stehen können, und die sehr viel Energie (Strom) verbrauchen. Derzeit rund 120 Terawattstunden jährlich, Tendenz steigend. Das sind rund 0,5 Prozent des globalen Stromverbrauchs – doppelt so viel wie der Stromverbrauch der Schweiz beziehungsweise fast ein Viertel des jährlichen Stromverbrauchs Deutschlands. Von Bedeutung ist des Weiteren, dass es sich hierbei nicht etwa um „grünen“ oder Ökostrom handelt, sondern überwiegend um Strom, der aus fossilen Brennstoffen gewonnen wird. Dies erklärt sich daraus, dass die privaten Betreiber des Bitcoin-Mining ihre Rechner dort aufstellen, wo der Strom am billigsten ist, in Regionen also, wo Kohle, Erdöl oder Erdgas in großen Mengen zur Verfügung stehen. Mit dem hohen Stromverbrauch sind entsprechend hohe CO2-Emissionen verbunden – mit einschlägigen Folgen für Erderwärmung Klimawandel. Schon deshalb ist das ganze Projekt kritikwürdig.
Wer braucht Bitcoins? Eigentlich niemand. Die Idee ist aus Staatsverdruss geboren und verkörpert, ebenso wie bei Tausenden anderen Kryptowährungen in der Welt, eine alternative Antwort auf die Währungsmanipulationen von Regierungen, Notenbanken und im internationalen Finanzsektor. Zugleich aber sind Kryptowährungen ein Experiment, bei welchem Techniken und Verfahrensweisen ausprobiert werden, die den Notenbanken möglicherweise dabei helfen, Lösungen für den Übergang zu elektronischem Geld zu finden. Ein Ersatz für die regulären Währungen sind Bitcoin & Co. jedoch nicht. Dafür sind sie entschieden zu wenig verbreitet, zu sehr heftigen Kursschwankungen ausgesetzt und zu umständlich und teuer in Produktion und Handhabung. Abgesehen von Drogenhändlern, anonymen Internet-Erpressern, Terroristen und Waffenhändlern, die mit Vorliebe zu Kryptowährungen greifen, gibt es nur ein Motiv, Bitcoin zu kaufen und zu akkumulieren: die Spekulation. Was für die Aktienmärkte, insbesondere für deren spekulative Segmente, gilt, für das Daytrading und für Leerverkäufe, gilt in besonderem Maße auch für den Bitcoin-Markt: Der Kurs steigt, wenn die Nachfrage steigt, während das Angebot stabil gehalten wird. Anfang 2017 war ein Bitcoin 1000 US-Dollar wert, am Ende des Jahres waren es 12.000. Danach ging es weiter, mal auf, mal ab, per Saldo aber nach oben, von einer Rekordmarke zur nächsten.
Am 22. Februar 2021 stand ein Bitcoin bei 53.568 US-Dollar oder 44.940 Euro. Am folgenden Tag waren es rund zehn Prozent weniger: 48.385 US-Dollar beziehungsweise 39.770 Euro. Vielleicht fällt der Kurs weiter, vielleicht aber steigt er auch wieder an. Die Entwicklung ist nicht vorhersehbar. Man kann sich jedoch fragen, was die Gründe für den rasanten Kursanstieg bisher waren. Ist es wirklich nur das Spekulationsfieber, das, wie einige glauben, erst eine „Blase“ hervorbringt und dann, wenn diese platzt, einem großen Katzenjammer weichen wird? Oder ist es nicht auch das Misstrauen gegenüber den offiziellen Währungen, den Staaten und den Notenbanken in der Welt, das sich immer mehr vertieft und ausbreitet? Stehen US-Dollar, Yen und Euro möglicherweise am Abgrund, wie einst die Währungen nach dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg oder infolge der großen Finanzkrise 2007/2008? Eine Flucht in Immobilien, Aktien, Gold, Diamanten und Kunstwerke wären die üblichen Ausweichreaktionen. Kryptowährungen sind nun dazugekommen.
Vielleicht verbindet sich in dem gegenwärtig zu beobachtenden Run auf Bitcoins aber auch das Spekulationsfieber mit der Angst vor einer großen Inflation und einem drastischen Währungsverfall, einem Finanzcrash. Die immer noch nicht überwundene Corona-Pandemie und die unabsehbaren Folgen, die hieraus für das Finanzsystem erwachsen können, befördern ein solches Verhalten. Nicht zuletzt insbesondere deshalb, weil überzeugende Antworten, wie die Finanzierungskosten der Billionen-Aufwendungen zur Abwendung einer Wirtschaftskrise und zur Überwindung der Pandemie volkswirtschaftlich aufgebracht werden könnten, bisher fehlen.
Dies alles trägt dazu bei, die Bitcoin-Euphorie und -Hysterie weiter zu befeuern, die Bitcoin-Blase weiter aufzupumpen und den Kurs der Kryptowährung weiter emporschnellen zu lassen. Wie lange das funktioniert, weiß heute niemand. Sicher ist nur eines: Die Bitcoin-Währung bietet letztlich keine tragfähige und stabile Lösung für die angestauten Probleme.
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