von Heinz Jakubowski
Es bleibt der Betrachtungsweise des Lesers überlassen, ob er hinter den Titel dieses Textes ein Frage- oder ein Ausrufezeichen setzt; wünschenswert wäre ersteres, näher läge, scheint mir, leider das Letztere.
Um dies gleich klarzustellen: Darunter, was man zumindest parteipolitisch „Links“ nennt, verstehe ich mit etlicher Großzügigkeit – nebst diversen weiteren Gruppierungen – die Linkspartei, die SPD und die Grünen. Alle sind sich zumindest in wichtigen Ansätzen ähnlich, pflegen allerdings zuvorderst ihre Unterscheidungen. Nicht dass das unstatthaft wäre, schon gar nicht unüblich, die Geschichte ist diesbezüglich voller Beispiele – mit tragischem, auch weil selbstzerstörerischem Ende.
Aus geschichtlicher Erfahrung hätte allen, die sich als links verstehen, in Fleisch und Blut übergegangen sein müssen: Wenn linkes Ideengut die Chance einer realen Wirkungsmacht haben soll, ist dies nur mit vereinten Kräften zu erreichen – andernfalls droht Sektengedümpel oder Ruin. Das gilt umso mehr, je dringender die gesellschaftliche und internationale Entwicklung dies erfordern. Was damit gemeint ist, muss hier nicht aufgeführt werden, der allgemeine Rechtsruck in Deutschland und Europa sei nur stellvertretend genannt.
Hat die Linkspartei für sich eine Chance, das Politische mitzugestalten und gar mitzuprägen? Bei den rund zehn Prozent, um die sich ihre Wählerschaft trotz vorausgegangener Vereinigung mit der WASG bewegt, ganz sicher nicht. Die SPD? Befindet sich in einem historischen Sinkflug und rangiert in Bundesteilen bereits jetzt hinter der AfD. Und die Grünen? Delektieren sich wiederum an ihrem derzeitigem relativen Höhenflug, dessen Grenzen ihnen aber selbst dann klar sein sollten, wenn sie da und dort von den Konservativen zum Mitspielen gebraucht werden.
Was noch vor recht kurzer Zeit anders war: Zusammengenommen haben die drei Parteien keine wählerische Mehrheit mehr. Dafür haben sie ihren Stolz. Und wie der funktioniert, lässt sich daran ablesen, wie – jedenfalls die Parteioberen – auf die Initiative „Aufstehen“ reagieren. Die SPD, die nichts nötiger braucht als Kraftzuwachs auch durch Verbündete, pflegt den nun schon seit fast 30 Jahren tradierten Hochmut nicht nur gegenüber der Linkspartei, der sie gebetsmühlenartig Bündnis- und sogar Kooperationsunfähigkeit attestiert, sondern auch der Bewegung „Aufstehen“, da zu deren Frontfiguren ja Sahra Wagenknecht und – igitt! – Oskar Lafontaine gehören. Auch die Grünen unter ihrer pragmatischen Führung geben sich abweisend. Und die Linkspartei? Sie bietet vielleicht das beschämendste Beispiel politischen Gebarens. Nicht nur, dass ihre Spitzenleute stante pede die Bewegung als „überflüssig“ und parteischädlich qualifiziert haben. Der Gipfel war die veröffentliche Haltung des Parteivorstands, der Mitgliedschaft den Beitritt zur Bewegung nicht anzuempfehlen, die Entwicklung von „Aufstehen“ aber „mit Interesse zu verfolgen“. Mit Interesse!
Man kann von den Aussichten der Bewegung halten, was man will, und schon des Boykotts durch die genannten linken Parteien wegen sind diese Aussichten eher trübe. Eines allerdings ist mindestens der Linkspartei, aber auch SPD und Grünen als unverzeihlich, als pures Versagen anzukreiden: In einer gesellschaftspolitischen Lage nicht nur der Bundesrepublik Deutschland, sondern Europas und der Welt mit solcher Fadenscheinigkeit von Binneninteressen und Dominanzängsten auf einen Versuch der Sammlung zu verzichten, ähnelt fatal dem Verhalten analoger Parteien der Weimarer Republik, lieber sich selbst zu zerfleischen als den eigenen Alleinvertretungsanspruch ankratzen zu lassen. Aber Linke können wohl nicht anders…
Schlagwörter: "Aufstehen", Grüne, Heinz Jakubowski, Linke, Sammlungsbewegung, SPD