von Erich Schmidt-Eenboom
Durch den so genannten NSA-Skandal wurde der Focus auf die technische Aufklärung (SIGINT) der USA in aller Welt und in der dabei besonders hohe Priorität genießenden Bundesrepublik Deutschland gelenkt. Außer Acht blieb weitestgehend die Frage, in welchem Ausmaß das klassische nachrichtendienstliche Instrument der Spionage mit menschlichen Quellen (HUMINT) seitens der Vereinigten Staaten in und gegen Deutschland eingesetzt wird.
Die als mächtigster Geheimdienst der Welt apostrophierte NSA hatte 2013 einen Jahresetat von 10,8 Milliarden US-Dollar. Die CIA erhielt mit 14,7 Milliarden deutlich mehr, die in der Bundesrepublik stark vertretene DIA (Defense Intelligence Agency) immerhin noch 4,4 Milliarden Dollar.
Die Auftragssteuerung aller US-Nachrichtendienste erfolgt aus dem Weißen Haus, obliegt seit 2004 dem Director of National Intelligence. Wenn es sehr gut koordiniert läuft, werden Agenten nur da eingesetzt, wo die technische Aufklärung lückenhaft ist. Wenn es wie gewöhnlich läuft, bemüht sich die CIA in Konkurrenz zur NSA dem amerikanischen Präsidenten ihre Leistungsstärke dadurch zu demonstrieren, dass sie auch allein das ganze Spektrum seiner Wissbegier zu befriedigen vermag.
Allein diese weithin bekannten Tatsachen begründen den Anfangsverdacht, dass es – weit über das Joint-venture von NSA und CIA beim Betrieb von Special Collection Sites aus Botschaften wie der US-Vertretung in Berlin hinaus – in Deutschland eine massive US-Spionage mit menschlichen Quellen gibt. Ein Whistleblower, der öffentlich macht, wie das CIA-Hauptquartier in Langley es mit den Deutschen hält, ist bislang nicht in Sicht.
1958 hatte sich der BND entschieden, seinem Partnerdienst „Hortensie“ auf die Finger zu gucken und er spürte allein in Bayern 587 CIA-Agenten auf. Höchste Zeit, einmal wieder Nachschau zu halten, wie die menschliche Seite der grenzenlosen Geheimdienstgier nach Informationen aus allen Bereichen von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft aussieht.
Nicht unterschätzen darf man auch den Beitrag, den der diplomatische Dienst des State Department zur Auslandsaufklärung leistet. Dass auch hier eine bis ins Kleinste reichende Ausforschung stattfindet, macht ein in Wikileaks auffindbares Dokument deutlich: Am 4. September 2009 veranstaltete die CSU-nahe Hanns-Seidel-Stiftung in München einen nichtöffentlichen wehrtechnischen Kongress, zu dem auch der amerikanische Generalkonsul eingeladen war. Unter der Überschrift „Bayern ruft zu den Waffen“ berichtete Conrad Tribble über die Zusammensetzung der Tagung (CSU-Politiker, Lobbyisten und Manager bayerischer Rüstungsfirmen, die ein Drittel der bundesdeutschen wehrtechnischen Unternehmen repräsentieren) sowie über die inhaltlichen Schwerpunkte der Veranstaltung. Er kommentierte die einhellige Forderung, Bundeskanzlerin Angela Merkel möge in ähnlicher Weise wie der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy im Ausland offensiver Rüstungsaufträge einwerben, mit der Einschätzung, dass sich die CSU in der Koalition als treibende Kraft bei der Steigerung des Waffenexports erweisen werde. Conrad Tribble schickte seinen als vertraulich eingestuften Bericht nicht nur an das State Department, sondern auch an die Central Intelligence Ageny sowie unter anderen an die Defense Intelligence Agency in Washington und das europäische Hauptquartier der US-Streitkräfte in Europa (EUCOM) in Stuttgart-Vaihingen.
Dass deutsche Unternehmen durch HUMINT auch im Ausland ausgeforscht werden, macht ein Fernschreiben des US-Botschafters in Peking deutlich, das über einen von der chinesischen Regierung gesponserten Kongress im Juli 2009 zur Einführung von 3G-Kommunikationssystemen (TV, schnelles Internet et cetera) im Reich der Mitte berichtete, an dem neben chinesischen Telekommunikationsunternehmen auch Motorola, Nokia, Vodafone sowie die Münchner Unternehmen Siemens und Rhode und Schwarz teilnahmen. Das Fernschreiben mit der Betreffzeile „3G: NO LICENSES IN SIGHT BUT PLENTY OF ENTHUSIAM“, das auch an das US-Schatzministerium ging, hob dabei vor allem die Positionen der beiden deutschen Unternehmen zur prioritären Einführung von Handys hervor.
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