Dieter Hildebrandt, Start-up-Unternehmer – Kabarettistisch umtriebig waren Sie ja zeitlebens, dass Sie aber mit über 80 jetzt auch noch als Jung-Unternehmer durchstarten, wäre trotzdem nicht ohne weiteres zu erwarten gewesen. Im März geht das Internet-Fernsehportal „Störsender TV“ online, nachdem die für das erste Jahr notwendigen 125.000 Euro per Spenden zusammengekommen sind. (Auch das Blättchen hat einen Obolus entrichtet.) Namhafte Kollegen haben ihre Beteiligung zugesagt – von Konstantin Wecker über Georg Schramm bis zu Gerhard Polt. Wir wünschen von Herzen viel Erfolg und bleiben via www.stoersender.tv am Ball.
Peer Steinbrück, Immer-noch-Kandidat der SPD – Wir würden ja gern auch mal wieder eine Ausgabe ohne Sie machen, aber Sie lassen uns einfach keine Chance. Nun haben Sie also die steigenden Mieten im Lande samt deswegen sich zuspitzender sozialer Verwerfungen für Ihren Wahlkampf entdeckt und wollen sich „darüber Gedanken machen […], wie wir Mieter besser schützen“ können und kündigen für den Fall eines Wahlsieges neue Förderprogramme an. Mann, Sie haben vielleicht Chuzpe! Während der Regierungszeit der SPD von 1998 bis 2009 wurden Hunderttausende Wohnungen aus öffentlichem Besitz an Privatinvestoren verscherbelt, die anschließend und nahezu ohne Rücksicht auf die Mieter „modernisieren“ und die Mieten erhöhen konnten. Oft wurde edel- bis luxussaniert, wurde zu Eigentumswohnungen „umgewidmet“. Als dies hat den Auftrieb der Mieten entscheidend befeuert. Als Bundesfinanzminister seit Ende 2005 standen Sie an der Spitze dieser Privatisierungen. Im Falle der Münchner Ludwigsfeld-Siedlung, die nach dem Krieg für Überlebende der KZs gebaut worden war, half nicht einmal eine Intervention Ihres Parteifreundes, des Münchner Oberbürgermeisters Christian Ude. Auch diese Siedlung wurde privatisiert. Und nun also vom Saulus zum Paulus? Mieterschutz? Wir täten Ihnen angesichts Ihrer politischen Vita und Ihres Auftretens in den letzten Monaten sicher bitter Unrecht, unterstellten wir in diesem Falle echten Gesinnungswandel. Sie dürften vielmehr als weiteres Beispiel dafür stehen, dass, wer herrschen will, flexibel zu sein sich nicht scheuen darf. Paris ist noch allemal eine Messe wert.
Kurt Tucholsky, Nicht-vorgestellt-zu-werden-Brauchender – Wir widersprechen Ihnen nur höchst ungern, aber an dieser Stelle müssen wir, denn Sie schreiben: „Jakubowski war ein blutiger Laie.“ Also, unser Herausgeber … Ach so, Sie meinten den Großvater. Ja, dann …
Bernhard Blaszkiewitz, Chef von Zoo und Tierpark in Berlin und ein Art zoologischer Steinbrück – Sie haben nicht nur eine gewissen Ähnlichkeit mit ihm, Sie bewegen sich gern auch mal wie der sprichwörtliche Dickhäuter im Porzellanladen, und bevor jetzt jemand meint, das könne von Fall zu Fall durchaus sympathisch sein und etwas Leben in die Bude bringen, wollen wir noch hinzufügen, dass Sie sich „als gläubiger Katholik und Antikommunist als natürlicher Fressfeind seiner Ex-DDR-Mitarbeiter im Tierpark“ (Berliner Zeitung) betrachten. Dass Sie mental dabei auch noch einer Art Geschlechter-Apartheid huldigen, verwundert nicht wirklich, wurde aber erst dieser Tage so richtig offenbar, als in einem Vermerk von Ihnen bei einer Auflistung von Nachnamen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern drei Namen mit dem Vorsatz „0,1“ versehen waren. Biologen wie Sie brauchen ja bei der Geschlechterzuordnung von Herdentieren nicht viele Worte zu machen, weil Sie wissen: Wenn ein Bestand von neun Zebras mit „3,6“ angegeben wird, dass es sich um drei männliche und sechs weibliche Tiere handelt. In Ihrer Auflistung waren demzufolge also die weiblichen Namensträger auf diese höchst effektive Weise markiert worden. Das sei ein Zeichen der Wertschätzung für die Damen, ließen Sie auf eine parlamentarische Anfrage aus dem Berliner Abgeordnetenhaus hin wissen. Wir werten diese Antwort als Zeichen Ihrer höchst berechtigten Selbstgewissheit, dass Ihnen die Berliner Politik auch diese erneute Entgleisung durchgehen lassen wird, statt Sie endlich – um Ihnen geläufiges Vokabular zu verwenden – artgerecht zum Abschuss freizugeben.
Ilka Bessin, Degenerationsmodell – Nun ist er also endgültig angekommen, der Trash, in dem, was man – nun ja – gehobene Unterhaltung nennt und dessen Flaggschiff wiederum den Namen „Wetten, dass …“ trägt: Cindy aus Marzahn, als die Sie im Comedy-Stadel reüssieren, wird also „offizielle Assistentin“ des Showmasters. Nun braucht jener nur noch durch Oliver Pocher ersetzt werden, der dann Dshungel-Camp-Teilnehmer Ekelinsekten daran erkennen lässt, wie verschiedenartig diese auf der Zunge zergehen. Aber nebbich – wir haben doch nur das Fernsehen, was wir verdienen… P.S.: Eine Bitte, wirklich nur aus ästhetischen Gründen, hätten wir aber doch – tragen Sie nicht ganz so freizügige Mode wie Ihre Vorgängerin im Amte und lassen Sie sich vielleicht auch nicht von Hochglanzmagazinen zu sexy Fotoshootings verführen.
Lance Armstrong, bald armer Schlucker – Ihr brutalstmöglichstes Dopingouting hat die Welt offenbar etwas weniger aufgerüttelt, als Sie sich das im Interesse einer Weiterbeschäftigung in Radrenn- oder „Triathlon-Ställen“ erhofft haben, was uns leid tut und uns zur Sympathie für einen cartoonierten Vorschlag im Eulenspiegel verführt, der Dopingsünder unter der Voraussetzung wieder an Radtouren zulassen würde, wenn deren Vorderrad durch die Walze einer Asphaltplaniermaschine ersetzt würde. Ansonsten haben Sie sicher recht, wenn Sie sagen: „Cosi fan tutte“. Georg Schramm hat dazu den egalitären Vorschlag gemacht, jeder möge nach Belieben dopen, aber das Logo seines präferierten Pharmakonzerns auf dem Trikot tragen. Mehr „Waffengleichheit“ wäre nimmer.
Manfred Spitzer, Ulmer Hirnforscher – „Sind die wahnsinnig?“, haben Sie mit Blick auf die Verursacher der rapiden Aufrüstung von Spielzeug mit reizüberlastender Elektronik rhetorisch gefragt und die Frage en passant damit zugleich beantwortet. Dass man „die Gehirne der Kinder nicht dem Markt überlassen darf“ ist Ihre ebenso ehrenvolle wie wohl vergebliche Forderung. Ernst Klick, der Chef der Spielwarenmesse e.G., die als Genossenschaft den weltgrößten Spielzegrummel in Nürnberg organisiert, versteht das natürlich gar nicht. Wie auch?! „Achtunddreißig Hühner treten auf, lachen und trippeln wieder ab.“ (Tucholsky)
Henryk M. Broder, publizistischer Exorzist – Für Ihre Antisemitismusvorwürfe gegen Jakob Augstein haben Sie sich nunmehr entschuldigt und Ihren Vergleich Augsteins mit dem nationalsozialistischen Politiker Julius Streicher, Herausgeber des antisemitischen Hetzblattes „Der Stürmer“, mit den Worten „Das war vollends daneben.“ zurückgenommen. Damit ist es nun höchste Zeit, Sie mit dem „Pour le tolérance“ zu adeln. Das sollte rasch geschehen auf dass die Gelegenheit nicht ungenutzt verstreiche. Denn dass Selbstkritik sich bei Ihnen je wiederholen könnte, dürfte eher unwahrscheinlich sein.
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