Friedrich Merz liebt klare Worte. In einem ZDF-Interview am Rande des G-7-Gipfels in Kanada sagt er zum laufenden Krieg Israels gegen den Iran: „Das ist die Drecksarbeit, die Israel macht für uns alle.“ Weiterhin stellt er fest: „Ich kann nur sagen, größten Respekt davor, dass die israelische Armee, die israelische Staatsführung den Mut dazu gehabt hat, das zu machen.“
Respekt wofür eigentlich? Für die gezielte Tötung der militärischen Führung des Irans ohne eine Kriegserklärung? Für die Androhung des Mordes am geistigen und politischen Führer des Landes Ali Chamenei?
Ein bisschen verwundert, dass auf einmal das Völkerrecht in der Argumentation des Kanzlers keine Rolle mehr spielt, ein Völkerrecht, das einen Angriffskrieg eindeutig verbietet. Ein präemptiver Schlag zur Verteidigung ist erlaubt, aber es muss ein Angriff unmittelbar bevorstehen. Das wurde zwar mit dem Hinweis auf die Urananreicherung behauptet, die angeblich den Bau einer iranischen Atombombe innerhalb weniger Tage erlaube. Aber zwingende Beweise dafür wurden nicht vorgelegt. Es riecht ein wenig nach der damaligen Fake-Meldung des US-Außenministers Colin Powell, in der es hieß, der Irak hätte Massenvernichtungswaffen, deren Einsatz die USA unbedingt durch einen militärischen Einmarsch und den Regimewechsel, einschließlich der Tötung von Saddam Hussein, verhindern müsse. Damals war allerdings Deutschland, unter Kanzler Gerhard Schröder, nicht davon überzeugt. Zu Recht, wie sich herausstellte.
Wenn es der „guten Sache“ dient, dann dürfen wir (also der Westen) alle Mittel nutzen, wenn wir uns nur trauen, die „Drecksarbeit“ zu machen? Das hat vielleicht doch den Haken, dass es im Nahen Osten nicht ganz einfach ist festzustellen, was denn die gute Sache ist und was und wer ihr wirklich dient. Denn der andere Krieg Israels, der anfangs auf die Terrormorde der Hamas vom 7. Oktober 2023 reagierte, läuft weiter. Seit März setzt die israelische Führung unter Benjamin Netanjahu Hunger gegen zwei Millionen Menschen als Waffe ein. Ein Kriegsverbrechen. Mit fadenscheinigen Argumenten wird versucht, es zu legitimieren – die Hamas bereichere sich an den Lebensmittellieferungen der Welt an die Bevölkerung, das wolle man verhindern.
Deutschland überlegt noch, wie es auf das offenkundige Verbrechen der israelischen Führung reagieren soll. Es ist ja der zweitgrößte Waffenlieferant Israels. Sein Wort hat Gewicht. Aber die Regierung zögert, soll sie sich wirklich Frankreich, Großbritannien und Kanada anschließen, die Sanktionen gegen die rechtsextremen Minister verhängen wollen? Jene Minister, die von Vertreibung der Palästinenser aus dem Gazastreifen reden. Nicht nur reden, sondern Schritte gehen, die als Vorstufe zur Vertreibung angesehen werden können. Und welche den Siedlungsbau zu Lasten der palästinensischen Bevölkerung im Westjordanland vorantreiben.
Mit der „guten Sache“ ist es also nicht so einfach, wenn man darunter mehr versteht als nur bloße Machtinteressen. Ist es vielleicht die Demokratie, die davon profitiert, wenn irgendwer „den Mut hat“, „die Drecksarbeit zu machen“? Ein Blick in die jüngere Geschichte kann uns helfen, die Frage zu beantworten. Die Demokratie sollte ja auch in Afghanistan, dem Irak und in Libyen durch Interventionen installiert werden. An diesen Fällen kann man gut ablesen, wie es mit der „guten Sache“ einer massiven Militärintervention ausgeht, auch weil die „Drecksarbeit“ ja auch schon vor einiger Zeit gemacht wurde, was diese für den Sieg der Demokratie bringt.
In Afghanistan siegten 2021 die Taliban, die vorher jahrelang durch eine westliche Militärkoalition bekämpft wurden. Das Land ist in keiner Hinsicht demokratisch geworden. Im Irak wurde zwar das diktatorische Regime militärisch gestürzt, aber danach herrschte ein Bürgerkrieg. Einige Jahre lang, bis 2017, hielt der Islamische Staat Teile des Staatsgebiets besetzt. Nach dem Demokratieindex ist der heutige Irak ein autoritäres Regime. In Libyen wurde 2011 der bisherige autoritäre Herrscher Muammar al-Gaddafi mit Hilfe einer Koalition westlicher Staaten gestürzt und ermordet, danach entwickelte sich ein Bürgerkrieg und das Land zerbrach in zwei Teile. In diesen beiden Teilen haben unterschiedliche ausländische Mächte Einfluss. Das Land gilt als instabil, als gescheiterter Staat.
Kurz gesagt, die Versuche westlicher Staaten, die demokratischen Regime durch militärische Interventionen zu etablieren, scheiterten. Möglicherweise liegt das daran, dass sich „das Gute“ nicht auf diesem Wege durchsetzen lässt?
Mir scheint, Friedrich Merz war schlecht informiert, als er seinen starken Spruch in die Mikrofone des ZDF sagte. „Drecksarbeit“ hinterlässt immer hässliche Spuren. Und „dem Guten“, nämlich den Interessen der Bevölkerungen in den betroffenen Ländern, dient sie sicher nicht.
Eine Kritik des Versuchs der gegenwärtigen rechtsradikalen israelischen Regierung, die eigene Herrschaft in der Region mit massiven militärischen Schlägen durchzusetzen, ist dagegen angebracht. Frankreich, die arabischen Staaten in der Region, die Türkei haben sich kritisch zum israelischen Militärschlag gegen den Iran geäußert. Von der deutschen Regierung hört man nur die Aufforderung an den Iran, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Zu Israel hören wir leider nur die oben zitierten, in hohem Grade unangemessenen Worte des Kanzlers.
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