28. Jahrgang | Nummer 11 | 16. Juni 2025

Millionen Millionäre

von Ulrich Busch

Pressemeldungen zufolge ist die Zahl der Dollar-Millionäre in der Welt im vergangenen Jahr weiter gestiegen: Etwa 23,4 Millionen Menschen verfügten 2024 über ein Privatvermögen von mindestens einer Million US-Dollar. Die meisten Reichen sind Bürger der USA, laut Forbes-Liste neun der zehn an der Spitze stehenden Super-Reichen. Insgesamt erhöhte sich die Summe der privaten Vermögen in der Welt um 4,2 Prozent auf einen neuen Höchstwert von 90,5 Billionen US-Dollar. Bei dieser Größe handelt es sich aber nicht um einen exakt statistisch erfassbaren Wert, sondern lediglich um eine Schätzung, die Aktien, festverzinsliche Wertpapiere, Bargeld und nicht selbst genutzte Immobilien umfasst. Kunstsammlungen, Schmuck und Gebrauchsgüter wie Möbel, Autos, Luxusyachten, Flugzeuge und dergleichen sind hierin ebenso wenig eingerechnet wie selbstgenutzte Wohnungen, Häuser, Villen, Schlösser und Ländereien. Ganz zu schweigen von Kapitalanlagen im Ausland, in Jersey, Gibraltar oder auf den Cayman-Inseln. Zudem beruht die Schätzung auf Selbstauskünften der Vermögenden und Recherchen von Steuerbehörden und Vermögensverwaltungen. – Es kann also getrost davon ausgegangen werden, dass die tatsächliche Zahl der Vermögensmillionäre höher ist als hier angegeben und der Umfang der Privatvermögen weit größer.

Dies gilt auch für Deutschland, wo es im Jahr 2024 mindestens 1,6 Millionen Millionäre gab. Deutschland landete damit beim weltweiten Millionärsranking, wie das Beratungs- und Dienstleistungsunternehmen Capgemini ermittelte, auf Platz drei. Das Vermögen der deutschen Millionäre wird insgesamt auf 6,32 Billionen US-Dollar geschätzt. Aber auch hier gelten die genannten Einschränkungen, was die Zuverlässigkeit und Validität der Daten anbelangt. Die tatsächlichen Zahlen dürften also deutlich höher sein. So wird die Zahl der Millionäre in anderen Quellen mit 2,6 beziehungsweise 2,8 Millionen Personen angegeben. Je nachdem, auf welche Angabe man sich stützt, ist heute jeder 30. bis 50. Deutsche Millionär!

Aber was bedeutet heutzutage schon eine Million? 1960 etwa, als eine Million US-Dollar in der populären Vorstellung noch als Symbol für ultimativen Reichtum galten, verkörperte eine Million die Kaufkraft von heute acht Millionen US-Dollar! Und auch beim Euro, als einer der stabilsten Währungen der Welt, haben sich die Maßstäbe spürbar verschoben. Wer 1999, im Jahr der Euro-Einführung, ein Geldvermögen von einer Million Euro besaß, braucht heute mehr als 1,4 Millionen Euro, um über die gleiche Kaufkraft zu verfügen. Dies erklärt sich aus dem Kaufkraftverlust des Euro von rund 39 Prozent seit 1999. Allein die Inflation sorgt also dafür, dass die Zahl der Millionäre von Jahr zu Jahr steigt, auch wenn sie dadurch nicht wirklich reicher werden.

Eine Frage, die viele Menschen umtreibt, ist die nach den Chancen, in die Liga der Millionäre aufzusteigen. Hierauf gibt es, sofern man von Zufällen wie Lottogewinnen, überraschenden Entdeckungen auf dem Dachboden oder dem Auffinden eines Goldschatzes beim Umgraben im eigenen Garten absieht, drei Antworten: Die klassische Antwort zielt auf die Gründung eines Unternehmens ab. Auch wenn nicht alle Unternehmungen glücken und Unternehmen auch Verluste einfahren können, so ist es doch eine Tatsache, dass der größte Teil der Millionärsvermögen aus Unternehmensgewinnen stammt oder, anders ausgedrückt, sich aus akkumulierten Profiten speist. Sollte diese Option scheitern, weil es an Ideen mangelt, die Risikobereitschaft zu gering ist oder es am nötigen Startkapital fehlt, so verbleiben als Alternativen die Spekulation an der Börse mit Aktien oder Krypto-Währungen, der Vermögensaufbau im Immobiliensektor oder der Antritt einer Erbschaft.

Für die Spekulation an der Börse steht ein großes Reservoir an Instrumenten zur Verfügung: Aktien, Anleihen, Derivate, diverse Fonds und dergleichen. Aktien tragen gleich doppelt zur Vermögensbildung bei, durch Kursgewinne und durch die Ausschüttung von Dividenden. Wer seine Kriegstüchtigkeit schon im Januar 2022 dadurch bewiesen hat, dass er für 45.000 Euro (bar oder auf Pump) einen Posten Aktien der Rüstungsfirma Rheinmetall erwarb, ist heute bereits Millionär. Das Kursplus beträgt 1500 Prozent!

Ganz so schnell funktioniert die Vermögensbildung am Immobilienmarkt nicht. Aber wer zum richtigen Zeitpunkt ein Grundstück, ein Haus oder eine Wohnung in günstiger Lage erwirbt, bebaut und parzelliert oder möbliert vermietet und sie schließlich weiterverkauft, hat gute Chancen, hohe Gewinne zu kassieren und mittelfristig zum Millionär aufzusteigen.

Den bequemsten Weg, ein Millionen-Vermögen zu erwerben, bietet jedoch eine Erbschaft. Sie ist in Deutschland derzeit die mit Abstand häufigste Form der Vermögensbildung. 2024 wurden Vermögen in Höhe von rund 400 Milliarden Euro verschenkt oder vererbt. Jeder 50. Deutsche vererbte mehr als eine Million Euro. 75 Prozent der großen Vermögen sind daher nicht selbst erarbeitetes, sondern ererbtes Vermögen. Das reichste 0,1 Prozent der Deutschen erbte im Schnitt ein Vermögen von 17 Millionen Euro. Jeder 12. Deutsche erwartet ein Erbe von mehr als 200.000 Euro. Und Steuern werden darauf so gut wie keine gezahlt.

Neben Profiten, Spekulationsgewinnen und Erbschaften als den drei Hauptquellen von Millionenvermögen soll es auch möglich sein, durch Arbeit und Sparen reich zu werden. Im Prinzip stimmt das. Es funktioniert bloß praktisch nicht oder nur sehr selten. 2024 verdiente ein Arbeitnehmer in Deutschland im Durchschnitt 27.416 Euro. Würde er davon 11,0 Prozent sparen, was der durchschnittlichen Sparquote entspricht, so wären dies 3016 Euro jährlich. Auf diese Weise würde es mehr als 300 Jahre dauern, bis er ein Vermögen von einer Million zusammen hätte. Bei einigen Berufsgruppen, Selbstständigen und Privilegierten wie Zahnärzten, Investmentbankern, Film- und Fußballstars, Entertainern, Influencern und Politikern sind die Voraussetzungen günstiger. Einerseits, weil hier die Einkommen höher sind, andererseits aber auch, weil diese Leute mehr als Durchschnittsverdiener sparen können. Trotzdem dauert es auch hier relativ lange, bis ein Millionenvermögen erreicht ist. Und wer es mit Ach und Krach geschafft hat, eine Million zusammenzukratzen, ist in den Augen der anderen deshalb noch lange kein richtiger Millionär!

Am Ende zeigt sich recht deutlich: Der Club der Millionäre bleibt unter sich, auch wenn ihre Zahl wächst. Auch ist nicht zu übersehen, dass sich der Besitz der Millionenvermögen überwiegend auf Unternehmer, Rentiers und Immobilieneigentümer konzentriert. Je reicher eine Person ist, desto höher ist der Anteil der überwiegend leistungslosen Gewinn- und Kapitaleinkommen am Budget. Der typische deutsche Millionär ist im Schnitt über 50 Jahre alt, männlich, westdeutsch und hat keinen Migrationshintergrund. Frauen sind in dieser Gruppe mit einem Drittel vertreten, Ostdeutsche so gut wie gar nicht. Zuletzt wuchs die Zahl der Personen unter 30 Jahren im Club der Millionäre. Zugleich stieg der Anteil des Ererbten am Gesamtvermögen und erreichte die Zahl der ausschließlich von ihrem Vermögen lebenden Personen Höchstwerte.