28. Jahrgang | Nummer 10 | 26. Mai 2025

Antworten

Friedrich Merz (CDU), Bundeskanzler und: Keine Ahnung von Statistik? – Auf dem Wirtschaftstag der CDU Mitte Mai haben Sie sich doch tatsächlich zu folgender Behauptung verstiegen: „Wir müssen in diesem Land wieder mehr […] arbeiten. Mit Viertagewoche und Work-Life-Balance werden wir den Wohlstand dieses Landes nicht erhalten können.“

Da haben die bei Gabor Steingarts (war mal Handelsblatt-Chefredakteur) Plattform Pioneer wahrscheinlich schallend gelacht: Hätten Sie Ihre „Anmerkungen auf die Reformmüdigkeit der CDU und die Home-Office-Kultur im Staatsdienst bezogen, könnte niemand widersprechen. In der Privatwirtschaft aber ist die Behauptung des neuen Kanzlers nicht haltbar.“ Denn allein das Gesamtarbeitsvolumen der abhängig Beschäftigten erreichte schon 2023 ein Allzeithoch von 54,7 Milliarden Stunden. Hinzu kämen zwölf Millionen bei Selbständigen „ohne starres Arbeitszeitregime“ Beschäftigte sowie jährlich insgesamt etwa 600 Millionen Überstunden „außerhalb jeder Zeiterfassung“. Und dann ist da noch die Teilzeitquote – „30 Prozent aller Erwerbstätigen, das betrifft 13,8 Millionen Menschen“ –, deren Wirkung auf die Statistik zu verstehen nicht so einfach ist. Pioneer: „Arbeitet der Mann 38,5 Wochenstunden (à 45 Arbeitswochen), während seine Partnerin nicht erwerbstätig ist, ergeben sich 1.732,5 geleistete Arbeitsstunden pro Jahr, fast exakt der OECD-Durchschnitt. Erhöht aber der Mann seine Arbeitszeit auf 40 Wochenstunden und seine Partnerin startet eine Teilzeitbeschäftigung mit 20 Wochenstunden“, schnappe die Statistik-Falle zu: „Denn die durchschnittliche Arbeitszeit (30 Stunden à 45 Arbeitswochen) der beiden sinkt auf 1.350 Stunden. Statistisch sind die Deutschen durch den Fleiß dieses Paares fauler geworden. Merz tadelt die, die er loben müsste.“

Da fährt uns doch glatt der Schreck in die Knochen – bei dem Gedanken, Sie könnten auf anderen Politikfeldern mit vergleichbarer Kompetenz herumwuseln …

 

Johann Wadephul (CDU), neuer Hausherr im Auswärtigen Amt und der Mann an der Spitze der Bewegung – Rein ressortmäßig sind Sie zwar für die deutschen Rüstungsausgaben ein Johann ohne Land, also nicht zuständig, aber für die überhaupt guteste Sache ever, die militärische Verteidigung der Heimat gegen den sprungbereiten russischen Bären, muss man auch mal alle Fünfe gerade sein lassen! Daher ist Ihre Ansage beim jüngsten Treffen der NATO-Außenminister im türkischen Antalya, das eh bekannt ist für All-inclusive-Resorts, zunächst mal vorbehaltlos zu begrüßen: „Deutschland folgt USA bei Fünfprozentziel.“* (Zitiert nach Der Spiegel.)

Gemeint sind fünf Prozent vom BIP (= Bruttoinlandsprodukt, was meint, dass man netto eigentlich deutlich weniger zur Verfügung hat).

Das wären, die Medien haben natürlich sofort nachgerechnet, 225 Milliarden Euro pro Jahr. ntv ordnete ein: „Die gesamten Ausgaben des Bundeshaushalts beliefen sich im vergangenen Jahr auf rund 466 Milliarden Euro. Gemessen daran würden die Ausgaben von 225 Milliarden Euro 48 Prozent des Gesamtetats ausmachen.“

Da fragen wir uns allerdings, ob es bei Ihrer kreativen Phantasie nicht noch spürbar Luft nach oben gibt: Wozu noch 52 Prozent des Gesamtetats für sekund …, nee, tertiären Scheiß ausgeben? Verteidigung first! Das jährliche monatelange Hickhack, welches Ministerium bekommt welchen Anteil am Kuchen – ein für allemal Geschichte. Alle Ministerien außer dem Pistorius-Tempel wären auf einen Schlag überflüssig. Das machte nochmal Mittel frei …

Also, lieber Wadephul – wer A sagt, darf bei B nicht zucken: „Legen Sie nach! Klotzen, nicht bloß Kleckern!!“

 

* – Auch wenn die Amis damit keineswegs sich selbst meinen, sondern nur entsprechende Kriegsverhütungsinvestments von ihren NATO-Vasallen erwarten.

 

Robert Francis Prevost, 267. Bischof von Rom (Papst) – Kaum hatte sich der weiße Rauch über der Sixtinischen Kapelle verzogen und Sie sich der Welt erstmals als Leo XIV. gezeigt, da geiferten manche in den USA bereits los. So die rechte Aktivistin und Verschwörungstheoretikerin Laura Loomer: Sie seien „Anti-Trump, Anti-MAGA [Make America Great Again, das Trump-Mantra – die Redaktion], für offene Grenzen und ein totaler Marxist“: Wie Papst Franziskus: „Eine weitere marxistische Marionette im Vatikan“. Und Trumps früherer Chefberater Steve Bannon äußerte, Sie seien „die schlimmste Wahl für MAGA-Katholiken“!

Da sind wir nun aber wirklich gespannt, ob und – wenn ja – inwieweit Sie diese Adelungen rechtfertigen werden.

 

Gabor Steingart, Gründer & Herausgeber The Pioneer – Das am 20. Mai 2025 erschienene Buch „Hybris: Verfall, Vertuschung und Joe Bidens verhängnisvolle Entscheidung“ der US-Journalisten Jake Tapper und Alex Thompson darüber, wie das Weiße Haus, die Demokratische Partei und US-Medien jahrelang den moribunden Gesundheits- und Geisteszustand des seinerzeit amtierenden US-Präsidenten Joe Biden vertuschten, haben Sie schon am nächsten Tag auf Ihrer Plattform The Pioneer aufgegriffen und resümiert: „Der ehemalige US-Präsident war schon lange vor seinem Abgang zu alt, zu vergesslich, zu gebrechlich, zu unfit für den Job im Oval Office. […] Ein schwer angeschlagener Greis mit nur noch reduziertem Erinnerungsvermögen und limitierter Auffassungsgabe stapfte durch den Wahlkampf. Erst beim Präsidentschaftsduell, als kein Souffleur und kein Teleprompter zur Verfügung standen, brach die Inszenierung zusammen.“

Soweit, so schlecht.

Aber – Sie sind immerhin Jahrgang ‘62 – kommt Ihnen das Ganze nicht schrecklich bekannt vor? Sie müssen doch das physische und geistige Siechtum der früheren sowjetischen Partei- und Staatschefs Leonid Breschnew, Juri Andropow und Konstantin Tschernenko Ende der 1970er bis Mitte der 1980er Jahre bereits mitbekommen haben, das damals auch schon durch die Medien ging und im Westen im Übrigen weit respektloser kommentiert und durch den Kakao gezogen wurde als jetzt Bidens Verfall.

Seither weiß man: nicht die zunehmend unzurechnungsfähigeren Tattergreise an der Spitze sind verantwortlich für das Übel, sondern die demokratisch nicht legitimierten politischen und gouvernementalen Apparate dahinter, die ihre Felle, auch ihre Pfründe nicht davonschwimmen sehen wollen.

Sollte Ihnen gelegentlich etwas dazu einfallen, wie dieser systemischen Macke erfolgreich der Garaus zu machen wäre, bringen Sie’s auf The Pioneer und wir bringen’s unter die Leute.*

 

* – Das Blättchen steht kurz vor der magischen Marke von drei Millionen Seitenaufrufen p.a. …

 

Pete Townshend, Gitarrist brachialer Klänge – Als Songwriter der britischen Rockband „The Who“ beeinflussten Sie die Rockmusik seit den 1960er Jahren. Und deren Weiterentwicklung bis hin zu Punk und Heavy Metal. Sie gelten als der erste Gitarrenzerstörer in der Rockgeschichte – noch vor Jimi Hendrix. Legendär Ihre Performance nach dem Spielen Ihres großen Hits „I Can‘t Explain“ bei einer Fernsehshow der BBC 1965. Gemeinsam mit Keith Moon zerstörten Sie Ihre Instrumente. Zerstören als künstlerisches Element, nicht von jedem goutiert. „The Who“ war eine Sensation. 1969 erschien das Konzeptalbum „Tommy“. Ein Meilenstein der Musikgeschichte, die erste Rockoper wurde später erfolgreich verfilmt (1975) und kam als orchestrale Version mit dem London Symphonie Orchestra heraus. Bis heute wird „Tommy“ als Musical weltweit aufgeführt.

Im Alter von 20 Jahren schrieben Sie 1965 einen der größten Hits, „My Generation“, mit der unglaublichen wie berühmten Textzeile: „I hope I die before I get old“. Der Wunsch war nicht unbedingt wörtlich zu nehmen, sondern eher eine Metapher für die Rebellion der Jugend gegen die Erwachsenen und Reichen. Er erfüllte sich auch nicht. Sie wurden alt und reich. Vor wenigen Tagen feierten Sie Ihren achtzigsten Geburtstag. Glückwunsch!

 

Annette Lehnigk-Emden, Präsidentin des Bundesamts für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) in Koblenz – Kritikern gilt Ihr Amt mit seinen insgesamt 9600 Beschäftigten seit langem als bürokratischer Moloch von sprichwörtlicher Bräsigkeit und Ineffizienz. In scharfem Kontrast zu diesem Image haben Sie kürzlich im Spiegel eine nachgerade hymnische Eloge auf die Kompetenz und Cleverness der Behörde angestimmt, die in dem vollmundigen Selbstlob gipfelte: „Uns wird niemand über den Tisch ziehen.“ Leider haben die Hamburger Kollegen nicht nachgehakt, wie man dann für Uniformen für knapp 182.000 Soldaten der Bundeswehr 825 Millionen Euro (Stückpreis vulgo über 4500 Euro) veranschlagen kann oder warum die in den USA georderten Kampfflugzeuge vom Typ F-35 Deutschland 286 Millionen Euro pro Flieger kosten, die Schweiz hingegen nur 167 Millionen (Stand: 2022) …

 

PS: Dieser Tage war der Süddeutschen Zeitung zu entnehmen, dass ein durch das BAAINBw bei einem französischen Hersteller beschafftes 56 Millionen Euro teures neues Fallschirmsystem für die Bundeswehr untauglich sei, weil es unter anderem technisch nicht zu den Flugzeugen der Bundeswehr passe. Im BAAINBw selbst empfehle man, „zeitnah über eine geeignete technische Nachfolgelösung“ zu entscheiden.

 

Hartmut Renk, Zweisternegeneral der Bundeswehr, bisher Vize-Befehlshaber des NATO-Kommandos zur Hilfeleistung für die Ukraine in Wiesbaden – Eine launige Casino-Sottiese hat Sie nach 43 Jahren Dienst die Karriere gekostet. Sie sollen gesagt haben: „If rape is inevitable, relax and enjoy“ („Wenn eine Vergewaltigung unvermeidlich ist, entspanne dich und genieße es“). Ihre nachgeschobene Erklärung, der Spruch sei Teil einer sarkastischen und ironischen Motivationsrede gewesen und nicht wörtlich gemeint, hat die Sache nicht wirklich besser gemacht. Der Bundesverteidigungsminister jedenfalls hat statt Beförderung vorzeitigen Ruhestand verordnet. Der ist aber zumindest finanziell bestens gepampert: bei vermutlich über 15.000 Euro monatlichem Sold erwarten Sie bis zu 71,75 Prozent Ruhebezüge. Wir allerdings fragen uns, was das für ein, mit Verlaub, eigentümliches Biotop sein muss, in dem ein ethisch-moralischer Rohrkrepierer wie Sie es bis zum General bringen kann. Oder gar – bringen muss?