Angst sorgt für Panik, Angst macht dumm, Angst macht kurzsichtig. Angst ist ein nachvollziehbares Gefühl, wenn man auf die derzeitige Weltlage schaut. Da ist seit drei Jahren dieser Krieg gegen die Ukraine, und da ist seit ein paar Wochen dieser US-Präsident, der all die alten bundesrepublikanischen Gewissheiten vom Großen Bruder als allzeit kampfbereiter Beschützer einfach über den Haufen wirft und die Sicherheit Europas nun Europa recht allein überlassen will. Vor allem aber will Trump möglichst viel Rüstung. Sofort ist da auch bei vielen in Deutschland ein großes Gefühl der Angst. Das ist grundsätzlich ein überlebenswichtiges Steuerungsgefühl, das uns bei Gefahr weglaufen oder erstarren lässt oder dafür sorgt, dass wir uns wegducken. Wegducken ist angesichts dieser brennenden Welt kaum möglich, deshalb hat die eventuell künftige Bundesregierung aus Union und SPD über ein neues 500 Milliarden Euro schweres „Sondervermögen“ gesprochen, von dem auch viel Geld für Waffen ausgegeben werden soll. Und was schreibt eine große Berliner Tageszeitung über einen Artikel zum Thema? „Endlich Aufrüstung.“
Endlich Aufrüstung? Das ist nicht als Satire gemeint, sondern als ernst gemeinter Kommentar. Was soll das? Bei vielen grassiert nun vor einem möglichen Frieden wieder eine besonders heftige Angst vor den Russen, obwohl Putin große Teile seiner Kampftruppen verloren hat. Sofort wird ein neues Wettrüsten gefordert, gegen das der Kalte Krieg zu einer Witznummer werden könnte.
Natürlich ist es notwendig, dass umgesteuert wird bei der Verteidigung. Aber es ist schon ein großer Unterschied, ob da gesagt wird: „Endlich Aufrüstung“ oder „Leider ist Aufrüstung nötig.“ Es ist schon bedenklich, dass nun ständig und überall euphemistisch von einem Sondervermögen gesprochen wird, statt im Angesicht des Ernstes der Lage jedes Mal die Wahrheit zu sagen und von Sonderschulden zu sprechen.
Letzteres klingt wie der Versuch, die Realität zu beschreiben, Ersteres klingt fast wie eine Art Hurra-Patriotismus, eine vorweggenommene Kriegsbegeisterung. In dem Artikel heißt es auch: „Wir rüsten auf – sagte der CSU-Vorsitzende Markus Söder am Dienstagabend und traf damit den Nagel auf den Kopf.“ Warum diese Euphorie? Wer in uralte Zeitungen schaut, hat eine solche Begeisterung für das Militärische auch schon mal 1914 gesehen, als viele deutschen Zeitungen am Tag nach Beginn des Ersten Weltkriegs titelten: „Krieg!“
Selbst unter den letzten Pazifisten in Deutschland werden nun viele sein, die Angst vor dem Krieg haben. Natürlich ist die pazifistische Sicht vieler Deutscher naiv, aber nachvollziehbar. Wer einstmals mit Hitler loszog, um die Welt in Brand zu setzen und zu unterjochen, darf sich hinterher gern auch so sehr dafür schämen, dass er dann erst mal nicht mehr an das Primat des Militärischen glaubt, sondern an die Vernunft, an das Verhandeln.
Doch die Zeiten haben sich geändert. Die Hoffnung auf eine Weltpolitik, die sich an Werten und Normen orientiert und sich an feste Regeln hält, scheint erst mal dahin. Das machohafte Ich-bin-der-Größte-Gehabe ist zurück auf der Weltbühne. Aber sollte dieser Rausch des Militärischen, des Martialischen nicht kritisch gesehen werden?
Offenbar gibt es reichlich Menschen in der politischen und medialen Welt, die sehr viel Angst vor dem Frieden haben. In Friedenszeiten gilt natürlich immer der Krieg als das Böse, in Kriegszeiten aber stellt bei einigen offensichtlich auch der Frieden eine Gefahr dar.
Warum wird sich nicht gefreut, dass nun immerhin wieder geredet wird über den Frieden, dass versucht wird, das Morden, Töten und Sterben zu beenden? Es war doch von Anfang an klar, dass der russische Angriff auf die Ukraine nicht mit einem Sieg über Russland enden wird – Russland ist eine Atommacht und damit quasi unbesiegbar. Trotzdem wurde lange so getan, als würden die Ukrainer mit unserem Geld und unseren Waffen schon irgendwie gewinnen; und das Wort Friedensverhandlungen galt als Tabu.
Es sind eigentümliche Zeiten, wenn Leute, die für den Frieden eintreten, als suspekt eingestuft werden. Dabei zeigt die Geschichte, dass Friedensapostel vielleicht blauäugig sind, aber keine echte Gefahr darstellen, denn vor allem in Kriegszeiten sind sie immer in der Minderheit und bestenfalls Mahner.
Die Politik aber machen andere. Und da muss es nun mal egal sein, dass Putin, Trump und die chinesische Führung eine reine interessengeleitete Machtpolitik betreiben. Sie sind die Einzigen, die den Frieden zulassen können. Und Frieden sollte immer wichtiger sein als Krieg.
Berliner Zeitung, 10.03.2025. Übernahme mit freundlicher Genehmigung des Autors und des Verlages.
Schlagwörter: Angst, Aufrüstung, Frieden, Jens Blankennagel, Krieg, Russland