Rügens Nachbarinsel, „dat söte Länneken“ Hiddensee, wechselte in der Vergangenheit mehrfach den Besitzer. Wizlaw II. von Rügen schenkte die Insel im April 1296 dem Zisterzienserkloster Neuenkamp in Franzburg bei Stralsund, das noch im gleichen Jahr eine Zweigstelle auf Hiddensee gründete. Ältere Besitzrechte, etwa der Erben des Ritters Andreas Erlandson oder des ehemaligen Inselvogtes Detlev, wurden mit Geld oder durch Vergleiche abgefunden. Pfarrer Wulfhard von Schaprode, zuvor „geistliches“ Oberhaupt der Insel, erhielt eine jährliche Rente von 2½ Mark.
Nach der Reformation wurde Hiddensee ab 1570 durch das herzogliche Domänen-Rentamt in Bergen verwaltet, 1608 an den herzoglichen Finanzverwalter („Rentmeister“) Joachim von Scheele verpfändet und 1629 vom letzten Pommernherzog Bogislaw XIV. an seine Schwester Anna abgetreten. Deren Sohn verkaufte die Insel zusammen mit dem rügenschen Udars 1657 für 28.000 Taler an den Stralsunder Ratsherrn und Kaufmann Behrend von Wolf(f)radt. Weitere Familienmitglieder folgten. Der Mann von Wolf(f)radts Urenkelin Brigitte Helene, der schwedische Major Michael Matthias von Loos, verpachtete das Ländchen von 1723 bis 1754 an Rittmeister Bertram von Smiterlöw. Von Looses Erben wiederum verkauften Hiddensee samt Bewohnern im Juni 1754 für 10.464 Reichstaler an den schwedischen Kammerrat und Kaufmann Joachim Ulrich von Giese zu Stralsund. Eigentlich suchte der umtriebige Giese nur nach einer Sommerfrische, entdeckte aber an der Nordwestküste Hiddensees am Hochufer des Dornbuschs einen Rohstoff, den ihm der Stralsunder Protophysikus Dr. Bernhard Nicolaus Weigel und Berliner Wissenschaftler als „für die Herstellung von Keramikerzeugnissen geeignet“ bescheinigten: Cyprinenton, benannt nach einer häufig darin zu findenden Muschel. Giese wollte den Ton zunächst auf Hiddensee verarbeiten, entschied sich dann aber für Stralsund. Dort entstand mit einem Aufwand von 50.000 Reichstalern eine Fayencemanufaktur, die ihre Arbeit 1757 begann und die blauweißen Hiddenseer Fayencen herstellte, benannt nach der italienischen Stadt Faenza. Auf Hiddensee gruben sechs Arbeiter den Ton aus dem Steilhang, brachten ihn mit Eseln zum Gutshof Kloster, wo er durch Schlämmen gereinigt, in Schuten verfrachtet und von weiteren sechs Arbeitern nach Stralsund transportiert wurde. Ein Johann Christoph Karsten aus Grieben soll diese Arbeiten überwacht haben. Die Flurbezeichnungen „Eselsteig“ und „Porzellainsbrück“ erinnerten an diese Zeit.
Giese, der sich auch um andere Geschäfte kümmern musste, verpachtete das Unternehmen 1767 an Johann Eberhard Ludwig Ehrenreich. Unter ihm, dem früheren Zahnarzt des schwedischen Königs und Gründer der schwedischen Manufaktur in Marieberg auf der Insel Kungsholmen, wurde die Fayencemanufaktur zu einer der führenden in Europa. Kriegsereignisse, der Bankrott Ehrenreichs und andere Probleme brachten das Unternehmen aber bald ins Schlingern, die Explosion eines nahegelegenen Pulverturms zerstörte Gebäude und Einrichtungen. Nach dem Tod Gieses 1780 konnten die Erben und der technische Leiter Carl den Betrieb nur noch einige Jahre weiterführen. Ab 1788 wurde die Manufaktur zwangsverwaltet, ehe 1792 das Ende mit Versteigerungen kam. Letztes „Lebenszeichen“ war im Stralsunder Ratsarchiv eine Futterrechnung für den Wachhund des Werkes.
Erstmalig am 20. September 1785 erschien in der Stralsundischen Zeitung eine Anzeige, in der „die Herren Erben“ Gieses Hiddensee meistbietend zum Kauf anboten. Das Angebot umfasste nicht nur das Land, das „fast drittehalb Meilen lang und an einigen Stellen eine halbe Meile breit ist“, die Gebäude, die landwirtschaftlichen Flächen, das Vieh und die Fähre. Zum Verkauf standen außer der Gerichtsbarkeit und der Jagd- und Fischereigerechtigkeit auch „ohngefähr 280 Unterthanen und viele freye Einwohner“ sowie die fixen Einnahmen aus der „Recognition“ (Identitätsbestätigung) der freien Schiffer und untertänigen Segelknechte. Die Anzeige wurde noch einige Male veröffentlicht, weil sich zunächst kein Interessent fand. Beginnend am 8. November 1785 baten die Erben Gieses um Angebote, die höher liegen sollten als die „aussergerichtlich offerirten 36000 Rthlr. in zwei Gr-stücken“. Zu diesem Preis hatten sie die Insel inzwischen auf Gieses Sohn Joachim Thurow überschrieben. Dessen Erben verkauften Hiddensee 1800 für 54.000 Reichstaler an Hauptmann und Ritter Wilhelm Friedrich Ludwig von Bagewitz auf Ralow. Für die Insulaner begann eine schwere Zeit. Der Schneidersche „Reisegesellschafter durch Rügen“ (Berlin 1823) hatte – sicherlich idealisierend – Giese als gutmütigen Mann beschrieben, unter dessen Herrschaft die Hiddenseer „ihr „goldenes Zeitalter“ lebten. Erst recht bei seiner Frau Sophie Elisabeth von Schwerin, die ihm, selbst gerade erst siebzehnjährig, das Jawort gegeben hatte und 13 Kinder gebar, von denen sieben am Leben blieben. Nach Gieses Tod verzog sie nach Hiddensee in ein neues Herrenhaus und wurde fortan in Stralsund „Königin von Hiddensee“ und als Wohltäterin von den Insulanern „ihre liebe Mutter“ genannt. Als der geplante Inselverkauf publik wurde, boten ihr die Hiddenseer sogar höhere Abgaben und längere Dienste an, wenn sie nur bei ihnen bliebe.
Das ganze Gegenteil war von Bagewitz mit seinem Statthalter Hindrich Michel Engelbrecht, dem Bagewitz auf einem Grabstein auf dem Kirchhof von Hiddensee nicht umsonst für „ausgezeichnete Eigenschaften“ und „unbegränzte Treue“ dankte. Von Bagewitz steigerte die Abgaben der Hiddenseer immens, trieb sie zu jährlich 104 Tagen Frondienst auf seine Güter, verhinderte eine Schule für die Kinder, verweigerte einigen Orten das Hüterecht für ihr Vieh. Freie Bauern von Grieben wurden unter seiner Herrschaft gelegt und zu Leibeigenen. Selbst nach Aufhebung der Leibeigenschaft 1806 durch König Gustav IV. Adolf von Schweden änderte sich daran nichts, den Kossaten von Vitte wurde sogar noch angedroht, auch sie zu legen.
Es verwundert nicht, dass Angehörige derer von Bagewitz zu denen gehörten, die Ernst Moritz Arndt 1803 wegen seines „Versuchs einer Geschichte der Leibeigenschaft in Pommern und Rügen“ beim Schwedenkönig Gustav IV. Adolf anzuschwärzen versuchten. Vergeblich. Im „Reisegesellschafter durch Rügen“ heißt es rückblickend, die Erinnerung an die Zeit unter der Herrschaft der Familie Giese sei bei den Hiddenseern umso lebhafter, „je schmerzlicher das nachfolgende Zeitalter sie an die Vergangenheit mahnte“.
Am 15. Januar 1835 bot Wilhelm Friedrich Ludwig von Bagewitz Hiddensee neben anderen Gütern in der Stralsundischen Zeitung bereits zum dritten Mal zu Verkauf oder Verpachtung an. Im März gleichen Jahres starb er. Am 30. April 1835 wurde in der Zeitung der Verkauf Hiddensees angekündigt, allerdings gäbe es Schwierigkeiten, „die anzuberaumenden Termine“ und die „zum Grunde zu legenden Bedingungen“ festzulegen. Offenbar hatte Bagewitz „in Veranlassung mancher augenblicklicher Verwicklungen“ noch Vereinbarungen mit seinen Gläubigern getroffen. Dies, sowie der zwischenzeitliche Verkauf zweier rügenscher Güter und der Tod des Erblassers sorgten wohl für die Probleme in der Erbschaftsabwicklung. Erst am 17. Dezember 1835 wurden diejenigen, die an den Nachlass des von Bagewitz „Forderungen und Ansprüche haben, oder machen zu können vermeinen“, in der Stralsundischen Zeitung aufgefordert, diese an zwei Terminen im Dezember 1835 und einem im Januar 1836 vor dem Königlichen Hofgericht anzumelden und nachzuweisen. Letztlich ging die Insel durch Kaufvertrag vom 19. März 1836 für 68.000 Reichstaler an das Kloster zum Heiligen Geist in Stralsund. Noch im gleichen Jahr kam es zu ersten Pachtangeboten, unter anderem für Gut, Mühle und Krug von Kloster sowie das Gut von Grieben auf Hiddensee. Langsam verbesserten sich die Verhältnisse für die Bewohner; durch Vereinbarung einer jährlichen Ablösungsrente war es ihnen möglich, Haus und Boden zu erwerben.
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