Einer Presseinformation der Deutschen Bundesbank zufolge ist das Geldvermögen der privaten Haushalte in Deutschland zum Ende des dritten Quartals 2024 auf die Rekordsumme von 9.004 Milliarden Euro gestiegen. 37,1 Prozent davon sind Bargeld und Bankeinlagen, 28,4 Prozent Versicherungs- und Alterssicherungsguthaben, 19,5 Prozent Aktien und sonstige Anteilsrechte, 12,2 Prozent Anteile an Investmentfonds, 2,4 Prozent Schuldverschreibungen und 0,4 Prozent sonstige Forderungen. Die Deutschen sind damit so reich wie nie zuvor. Allein im dritten Quartal des Jahres 2024 ist ihr Geldvermögen um 197 Milliarden Euro angestiegen. Der Zuwachs ist zu mehr als einem Drittel auf eine verstärkte Spar- und Investitionstätigkeit zurückzuführen. Überwiegend aber auf hohe Bewertungsgewinne bei Aktien sowie bei Versicherungs- und Pensionsansprüchen. Diese betrugen 124 Milliarden Euro, während die Zunahme der Ersparnisse 73 Milliarden Euro ausmachte. Die Deutschen haben selten so viel gespart! Die private Sparquote, also der Anteil der Ersparnisbildung am verfügbaren Einkommen, lag bei 10,6 Prozent. Im Jahr 2023 waren es 10,4 Prozent gewesen.
Dies sind beeindruckende Zahlen. Ohne Zweifel. Sie verlieren jedoch an Faszination, wenn man drei relativierende Aspekte berücksichtigt: Erstens die Verschuldung der privaten Haushalte, die 2024 ebenfalls angestiegen ist, und zwar allein im dritten Quartal um rund 8 Milliarden Euro auf nun insgesamt 2.154 Milliarden Euro. Dadurch wird aus der Bruttogröße der privaten Geldvermögen eine Nettogröße von 6.850 Milliarden Euro.
Zweitens ist die Verteilung der Vermögen zu berücksichtigen. Da sich die Nettogeldvermögen extrem ungleich auf die privaten Haushalte verteilen, verbietet es sich, Durchschnittsgrößen auszurechnen und zu unterstellen, alle Haushalte wären 2024 wohlhabender und reicher geworden! Dies ist, wie jeder weiß, mitnichten der Fall. In Deutschland besitzen die vermögendsten 10 Prozent der privaten Haushalte mehr als 70 Prozent der gesamten Nettogeldvermögen, die anderen 90 Prozent weniger als 30 Prozent. Da die untere Hälfte der 90 Prozent fast nichts besitzt und teilweise sogar verschuldet ist, verteilen sich die 30 Prozent der Geldvermögen auf die mittlere Gruppe der Haushalte, die eigentlichen Sparer.
Unter den reichsten 10 Prozent befinden sich laut jüngstem Oxfam-Bericht in Deutschland aktuell 130 Milliardäre. Ihr Geldvermögen wird insgesamt auf 625,4 Milliarden Euro geschätzt. Im Unterschied zu den kleinen und mittleren Geldvermögen, den Ersparnissen und Versicherungsguthaben der Mittelschicht, stammen 71 Prozent dieser besonders hohen Vermögen aus Erbschaften, die ihren Besitzern leistungslos in den Schoß gefallen sind. Dass die Ungleichheit in der Vermögensverteilung nicht geringer, sondern im Zeitverlauf immer größer wird, hat auch etwas mit der Steuerpolitik zu tun, die im Jahr 2024 noch in der Verantwortung der FDP lag. Im Bericht von Oxfam lesen wir, dass die in Deutschland zu findende „extreme Ungleichheit“ maßgeblich auf die extrem „ungerechte Steuerpolitik“ zurückzuführen sei. „Superreiche zahlen hierzulande oft weniger Steuern und Abgaben als Mittelschichtsfamilien.“ Sie können daher mehr als andere sparen, wodurch ihr Vermögen Jahr für Jahr überproportional wächst.
Der dritte Aspekt betrifft die Inflation, die in den zurückliegenden Jahren zu einer spürbaren Entwertung der laufenden Einkommen, ebenso aber auch der nominalen Geldvermögen geführt hat. Setzt man das Preisniveau vor der großen Inflationswelle, also 2020, gleich 100, so lag es Ende 2024 (berechnet nach dem nationalen Verbraucherpreisindex VPI) bei 120,5. Das bedeutet, dass sich die Kaufkraft des Geldes in den letzten vier Jahren, also seit 2020, um mehr als ein Fünftel verringert hat. Ein nominales Geldvermögen von heute 9.004 Milliarden Euro entspricht folglich (inflationsbereinigt, auf der Preisbasis von 2020) einem realen Vermögenswert von nur 7.472 Milliarden Euro. Die Differenz von 1.532 Milliarden Euro ist der Inflationsverlust.
Schaut man sich daraufhin die Statistik für 2020 an und ermittelt die Höhe des damaligen privaten Geldvermögens, so stößt man für das 3. Quartal 2020 auf eine Größe von 6.738 Milliarden Euro. Das sind nur 734 Milliarden Euro weniger als die für 2024 bei stabilem Geldwert errechnete Größe. Dies bedeutet, der größte Teil des seit 2020 zu verzeichnenden Vermögenszuwachses in Höhe von 2.266 Milliarden Euro ist nichts anderes als eine inflationäre Aufblähung des Nominalvermögens, die als „Wertzuwachs“ ausgegeben wird. Der reale Zuwachs fällt demgegenüber deutlich bescheidener aus. Dies gilt es zu beachten, denn die inflationäre Wirkung ist für eine realistische Beurteilung der Vermögensentwicklung bedeutsam und schützt vor Fehlschlüssen und geldpolitischen Fehlentscheidungen.
Legt man derartigen Überlegungen den in der Europäischen Union üblicherweise verwendeten Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) zugrunde, so ist in Deutschland seit 2015 ein Preisniveauanstieg von 30,2 Prozent zu verzeichnen – für Nahrungsmittel sogar von 46,9 und für Energie von 46,2 Prozent. Dies unterstreicht die Notwendigkeit der Beachtung der inflationsbedingten Relativierung der Vermögensentwicklung deutlich.
Auf der anderen Seite ist mit den Vermögen zugleich auch die Verschuldung angestiegen. Es erhöhten sich aber nicht nur die Verbindlichkeiten der privaten Haushalte, sondern mehr noch die der (nichtfinanziellen) Unternehmen, deren Summe auf 11.655 Milliarden Euro anstieg. Das ist weit mehr als die Geldvermögen der Unternehmen ausmachen, welche mit 8.964 Milliarden Euro zu Buche schlagen. Folglich weist der Unternehmenssektor insgesamt ein negatives Geldvermögen oder eine Verschuldung in Höhe von 2.691 Milliarden Euro auf. Die auf das nominale Bruttoinlandsprodukt bezogene Verschuldungsquote der Wirtschaft liegt derzeit bei 68,3 Prozent. Das ist im internationalen Vergleich wenig und weist auf ein hohes finanzielles Polster bei vielen Unternehmen hin. Die immer wieder zu hörende Behauptung, die deutsche Wirtschaft würde finanziell nicht gut dastehen, lässt sich von den Daten her nicht verifizieren. Das Gerede der Wirtschaftslobby, die deutschen Unternehmen müssten steuerlich weiter entlastet und stärker subventioniert werden, da sie ansonsten in ihrer Existenz bedroht seien, erweist sich mithin als reine Zweckpropaganda, die trotz einzelner Probleme, die es natürlich gibt, generell nicht durch Fakten gestützt und hinreichend begründet ist.
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