27. Jahrgang | Nummer 15 | 15. Juli 2024

Mit lauter Stimme gegen den Krieg

von Gabriele Eichner / Peter Jarchow

Kriegserklärung gegen den Krieg“ von Jean Paul. Verglichen mit einer 65-bändigen Gesamtausgabe seiner Werke ist diese Schrift mit ihren knapp 20 Seiten recht bescheiden. Es ist ein Verdienst des Herausgebers Wolfgang Hecht, dass in der „Bibliothek deutscher Klassiker“ die zwei Jean Paul-Bände die „Kriegserklärung“ enthalten. In dem lesenswerten Vorwort betont Hecht die Bedeutung dieser Schriften im Gesamtschaffen Jean Pauls und die Bedeutung für uns, erschienen 1987, in der fünften Auflage.

 

Beim Lesen befanden wir die „Kriegserklärung“ für so erkenntnisreich und wichtig, dass wir zu handeln, zu schreiben uns entschlossen haben.

 

Aus alten Büchern lernen heißt mit heutigen Augen lesen. Wir haben uns bemüht und möchten mitteilen, was wir neu begriffen haben.

 

Für Frieden zu sein ist schwerer als für Krieg!

 

Jean Paul: „Gegen den Krieg zu schreiben ist allerdings soviel, als im Druck harte Winter scharf rügen oder die Erbsünde. […] Gleichwohl wäre ein Wort für den Krieg noch heilloser als eines dagegen fruchtlos ist; in keiner Zeit aber mehr als der jetzigen, – wo vernagelte Köpfe und vernagelte Kanonen einerlei gelten wollen und wo alle Blüten der Völker sich bloß den Sichelwagen der Kriegsminister auf ihren eisernen Gleisen unterstreuen sollen.“

 

„Wir müssen bis 2029 kriegstüchtig sein.“ (Boris Pistorius, 05.06.2024, vor dem Deutschen Bundestag)

 

„[…] das System der stehenden Heere in ganz Europa [ist]) auf die Spitze getrieben – in einem Grad, wo es entweder die Völker durch die Militärlast ökonomisch ruinieren oder in einen allgemeinen Vernichtungskrieg ausarten muß […].“ (Friedrich Engels, Kann Europa abrüsten, 1893)

 

„Gibt es denn keinen Ausweg aus dieser Sackgasse außer durch einen Verwüstungskrieg, wie die Welt noch keinen gesehen hat?“ (ebenda)

 

„Die Abrüstung und damit die Garantie des Friedens ist möglich, […] und Deutschland, mehr als ein andrer zivilisierter Staat, hat zu ihrer Durchführung die Macht und den Beruf.“ (ebenda)

 

„Die Welt kann es sich einfach nicht mehr leisten, die Verantwortung den Generälen, Politikern und Bürokraten zu überlassen, die auf einer Politik der Konfrontation bestehen, die stets Kriege zur Folge hat.“ (Harry Belafonte, Friedenskonzert Bochum, 1982)

 

„Ich würde sagen, Deutschland muss friedenstüchtig werden.“ (Klaus von Dohnanyi, Interview 30.05.2024)

 

„Signal an Putin: Stoppe den Krieg, oder wir tragen ihn zu dir.“ (Sigmar Gabriel (SPD), Berliner Zeitung, 12.06.2024)

Unsere Fragen: Wer ist wir? Etwa Herr Gabriel selbst?

 

„Werden wir Krieg haben? Wenn wir zum Krieg rüsten, werden wir Krieg haben. Werden Deutsche auf Deutsche schießen? Die Antwort: Wenn sie nicht miteinander sprechen, werden sie aufeinander schießen.“ – „Das große Karthago führte drei Kriege. Es war noch mächtig nach dem ersten, noch bewohnbar nach dem zweiten. Es war nicht mehr auffindbar nach dem dritten.“ (Bertolt Brecht, Brief an die deutschen Künstler und Schriftsteller, 1951)

 

„Und ein Schrei von Millionen stieg auf zu den Sternen, / Werden die Menschen es niemals lernen. / Gibt es ein Ding, um das es sich lohnt? / Wer ist das, der da oben thront, / von oben bis unten bespickt mit Orden, / und immer befiehlt: Morden! Morden!“ (Kurt Tucholsky, Krieg dem Kriege, 1919)

 

Alle Kriegstechnik dient dem Morden und wird den Frieden nicht erhalten.

 

Jean Paul: „Der Mechanikus Henri in Paris erfand […] Flinten, welche nach einer Ladung vierzehn Schüsse hintereinander geben;- welche Zeit wird hier dem Morden erspart und dem Leben genommen!“ – „Der Krieg kommt endlich selber am Kriege um; seine Vervollkommnung wird seine Vernichtung  […].“

 

„Seit fünfundzwanzig Jahren rüstet ganz Europa in bisher unerhörtem Maß. Jeder Großstaat sucht dem andern den Rang abzugewinnen in Kriegsmacht und Kriegsbereitschaft.“ – „Gerade in diesem Augenblick mutet die deutsche Regierung dem Volk eine neue, so gewaltsame Kraftanstrengung zu, daß selbst der gegenwärtige sanfte Reichstag davor zurückbebt.“ (Friedrich Engels, Kann Europa …)

Und der Deutsche Bundestag in diesem Augenblick?

 

Ein Krieg bringt nur Wenigen Gewinn und Millionen den Tod!

 

Jean Paul: „Das Unglück der Erde war bisher, dass zwei den Krieg beschlossen und Millionen ihn ausführten und ausstanden, indes es besser, wenn auch nicht gut gewesen wäre, dass Millionen beschlossen hätten, und zwei gestritten.“

 

„Und so kann’s eines Tages noch passieren, / da wird man uns wieder kommandieren, / zu irgendeinem schönen Zweck / roll’n wir wieder mitten rein in den Dreck. / Und sie schreien Hurra und versprechen Sieg, / wir packen ein und zieh’n in den Krieg. / Wir sind ja nur Murmeln, /[…] …. das kostet nicht viel – / nur die Toten in jedem Land.“ (Ernst Busch, Das Lied von den Murmeln [Text: Max Ophüls; Musik: Harry Ralton], 1932)

 

„Auf dem Weg zu einer europäischen Armee kann also auch das [Atombomben der EU – G.E./P.J] ein Thema werden.“ (Katarina Barley (SPD), Tagesspiegel, 13.02.2024)

 

Zu erwähnen wären Bücher gegen den Krieg. Stellvertretend für alle – „Die Waffen nieder“ von Bertha von Suttner (1889). Wir erinnern an den Film „Die Brücke“, von Bernhard Wicki (1959) und an den Kinderkreuzzug  von Bertolt Brecht (1939).

 

Die beiden zuletzt genannten schildern den Kriegstot von Jugendlichen und Kindern.

 

Im Kinderkreuzzug heißt es: „In Polen, im Jahr Neununddreißig / War eine blutige Schlacht / Die hat viele Städte und Dörfer / Zu einer Wildnis gemacht. /  – Eine Elfjährige schleppte / Ein Kind von vier Jahr / Hatte alles für eine Mutter / Nur nicht ein Land, wo Frieden war / […] Und da war ein Hund / Gefangen zum Schlachten / Mitgenommen als Esser / Weil sie’s nicht übers Herz brachten.“

Der Hund sollte den Kindern helfen mit einer Tafel um den Hals: „Darauf stand: Bitte um Hilfe! / Wir wissen den Weg nicht mehr.“

 

Die letzten Zeilen vom Kinderkreuzzug: „Die Schrift war eine Kinderhand. / Bauern haben sie gelesen. / Seitdem sind eineinhalb Jahre um. / Der Hund ist verhungert gewesen.“

 

Frieden ist allemal besser als Krieg

 

Jean Paul: „Wollte ein großer Staat nur die Hälfte seines Kriegsbrennholzes zum Bauholz des Friedens verbrauchen, wollt’ er nur halb soviel Kosten aufwenden, um Menschen als Unmenschen zu bilden, und halb soviel, sich zu entwickeln als zu verwickeln: wie ständen die Völker ganz anders und stärker da.“

 

„Muss Deutschland in der Welt nicht mehr Verantwortung übernehmen? Der Zeitgeist hat dafür gesorgt, dass Verantwortung automatisch mit Waffenlieferungen und Kriegsbereitschaft gleichgesetzt wird.“ (Gabriele Krone-Schmalz, Russland – und wie weiter, 06.05.2024)

 

„Mehr Verantwortung kann auch bedeuten, Verhandlungen zu initiieren oder für einen Friedensplan zu sorgen. Diplomatie ist das Kerngeschäft der Politik, Waffenlieferungen ist eher eine Bankrotterklärung derselben.“ (ebenda)

 

„Lasst uns die Warnungen erneuern, und wenn sie schon wie Asche in unserem Mund sind. Denn der Menschheit drohen Kriege, gegen welche die vergangenen wie armselige Versuche sind und sie werden kommen ohne jeden Zweifel, wenn denen, die sie vorbereiten, nicht die Hände gebunden werden.“ (Bertolt Brecht, Brief an die deutschen …)

 

Wir fühlen uns verpflichtet, mit lauter Stimme dem Krieg den Krieg zu erklären, nicht lauter als wir können, aber auch nicht leiser.

 

Vor nahezu 2500 Jahren schrieb Aristophanes die Komödie „Der Frieden“. Unvergesslich die von Peter Hacks stammende Bühnenfassung für das Deutsche Theater 1962, in der es am Ende in einem Lied hieß: „ Die Oliven gedeihn, / Der Krieg ist vorbei, / Es tönt die Schalmei, / Der Frieden zog ein. / Wir würzen den Wein / Mit Zimt und Salbei. / Die Oliven gedeihn, / Der Krieg ist vorbei.“

*

Jean Paul (Johann Paul Friedrich Richter) lebte von 1763 bis 1825. Die „Kriegserklärung gegen den Krieg“ verfasste er 1808, in einer Epoche zahllreicher Kriege.

 

Gabriele Eichner ist Diplom-Historikerin und Managerin für internationale Pilotprojekte; sie lebt in Berlin. Ihr Co-Autor wurde anlässlich seines Blättchen-Entrees in der Ausgabe 12/2023 vorgestellt.