26. Jahrgang | Nummer 26 | 18. Dezember 2023

Antworten

Sahra Wagenknecht, Parteigründerin – Programm für Ihre Neugründung gibt es zwar noch keines – der eigentliche Akt solch ja auch erst am 27. Januar 2024 erfolgen –, doch Programmatisches aus Ihrem Munde ist allemal schon zu vernehmen. Zum Beispiel schlugen Sie kürzlich im Interview mit der Welt am Sonntag vor: „Der Westen sollte Russland anbieten, keine Waffen [an die Ukraine – die Redaktion] mehr zu liefern, wenn Moskau im Gegenzug einem sofortigen Waffenstillstand zustimmt. Dafür muss man natürlich die anderen westlichen Länder ins Boot holen. Aber wenn die USA und andere das nicht wollen, dann müssen sie die endlosen Milliarden für weitere Waffenlieferungen eben allein aufbringen.“

Kein übler Gedanke …

 

Shahak Shapira, israelischer Comedian – Einer Ihrer Großväter ist als Trainer

der israelischen Leichtathleten bei den Olympischen Spielen 1972 in München als Geisel palästinensischer Terroristen auf dem Militärflughafen Fürstenfeldbruck gestorben.

Zu dem Vorwurf an Israel, es sei am Leid der Palästinenser schuld, sagen Sie: „Es gibt genug Schuld für alle bei der Sache. Die UN hat 1947 das Mandatsgebiet Palästina geteilt und sich nicht wirklich darum gekümmert, was mit den Palästinensern passieren soll. Dann hat Israel sich gegründet und musste als erstes gegen alle Nachbarn einen Krieg kämpfen. Welches Land der Welt hat sich seitdem wirklich um die Palästinenser gekümmert? Ich will damit nicht sagen, dass Israel keine Verantwortung trägt oder den katastrophalen Umgang mit Palästinensern rechtfertigen, aber wenn die Welt seit Jahrzehnten so unzufrieden ist, warum sagen kein Land oder die UN: Wir gehen da rein, wir helfen, wir gehen mit der Hamas um! […] Fairerweise muss man erwähnen, dass Israel und die USA jede Intervention verhindern, aber ich behaupte, das wird gerne angenommen, weil es einfach bequemer ist.“

Mit solchen Ansichten sitzen Sie natürlich zwischen allen Stühlen und wurden folgerichtig schon sowohl als Nazi als auch als Kolonialherr beschimpft. Da aber auch wir nicht davon lassen können, komplexe Sachverhalte ebenso zu betrachten, weil sie nur so (vielleicht) einer Lösung zugeführt werden können, wollen wir Sie ausdrücklich ermuntern, bei Ihrer Sichtweise zu bleiben.

 

Christian Wück, Weltmeister-Trainer der U17-Nationalmannschaft – Wir können es kaum glauben, aber es ist wahr. Die von Ihnen trainierten männlichen Fußballer wurden nach einem packenden Finale mit Elfmeterschießen gegen Frankreich kürzlich Fußballweltmeister in Indonesien. Zum ersten Mal gelang es einer deutschen Juniorenmannschaft, diesen Titel zu erobern. Im Sommer dieses Jahres war sie gerade Europameister geworden. Das gibt uns Hoffnung, ehrlich gesagt nicht gleich für die EM 2024, aber für folgende Jahre durchaus. Wenn einige der jetzt erfolgreichen 17-Jährigen den Kader der deutschen Nationalmannschaft bei der WM 2026 in Nordamerika stellen sollten. Stellvertretend seien zwei der Spieler genannt: der Kapitän und Spielmacher Noah Darvich und der Stürmer Paris Brunner. Schon mal Namen merken …

 

Schulleistungsuntersuchungen, auch PISA-Studien der OECD und anderer Staaten – „PISA-Schock 2.0“, „Abgrund“, „Debakel“ und „Desaster“ sind nur einige der ersten Reaktionen auf die aktuelle Studie zu den Neuntklässlern. Die fünfzehnjährigen Schüler in Deutschland schlossen so schlecht wie nie ab, in allen untersuchten Bereichen: Mathematik, Naturwissenschaften und Leseverständnis. „Deutschland verhält sich seinen Kindern und Jugendlichen gegenüber verantwortungslos“, war im Spiegel zu lesen. Wenn ein knappes Drittel der Schüler an einfachen Aufgaben in Mathematik scheitert und rund ein Viertel beim Lesen und in Naturwissenschaften, muss uns schon Heidenangst und Bange werden in einem Land, das sich als Bildungsnation versteht (oder doch nur verstand?).

Wie sagte doch Robert Habeck zutreffend universell für alle Lebenslagen beim letzten Talk von Anne Will: „Wir sind umzingelt von Wirklichkeit.“

Es gibt wohl – dem Vernehmen nach – Hoffnungsschimmer zu vermelden: Die ersten Schüler und Eltern sollen darum gebeten haben, dass ihnen die Ergebnisse der PISA-Studie laut vorgelesen werden.

 

Jaroslav Rudiš, begnadeter Literat und Eisenbahnfreund – Sie erhielten unlängst den Mörike-Preis der Stadt Fellbach. Als in Berlin und in Lomnice nad Popelkou lebender tschechischer Autor, der in letzter Zeit in deutscher Sprache schreibt, sind Sie viel unterwegs. Am liebsten mit der Eisenbahn, wovon nicht nur Ihr Roman „Winterbergs letzte Reise“ und die vorzügliche „Gebrauchsanweisung fürs Zugreisen“ zeugen. Als einer der inspirierendsten zeitgenössischen Autoren werden Sie vermutlich einen Teil der 15.000 Euro des Preisgeldes auf Schienenwegen und in Speisewagen investieren. Wir gratulieren und freuen uns auf die literarischen Ausschüttungen.

 

Sandra Hüller, ausgezeichnete und auszuzeichnende Schauspielerin – Sie wurden in Suhl geboren, wuchsen in Thüringen auf, leben in Leipzig und sind inzwischen eine international begehrte und vielfach ausgezeichnete Schauspielerin. Ihre Filmografie ist lang, Die Hauptrolle als Unternehmensberaterin und Tochter eines skurrilen Pensionärs in „Toni Erdmann“ (2026) bleibt unvergessen.

Nun erhalten Sie Schlag auf Schlag einen Preis nach dem anderen für Ihre Hauptrollen in „The Zone of Interest“ und „Anatomie eines Falles“, beide Filme sind aus diesem Jahr. Sie spielen einerseits Hedwig Höß, die Ehefrau des KZ-Kommandanten Rudolf Höß, und in dem Justizdrama eine deutsche Autorin, die verdächtigt wird, ihren französischen Ehemann ermordet zu haben. Für beide Rollen erhielten Sie bereits Auszeichnungen wie den Europäischen Filmpreis. Jetzt sind Sie vor wenigen Tagen für den Golden Globe in Los Angeles Mitte Januar nominiert worden. Der Weg zum Oscar scheint nicht mehr weit zu sein. Wir drücken die Daumen.

 

Monika Gruber, bayerische Kabarettistin – Im Sommer hatten Sie in Erding mit einer Freiluftveranstaltung „gegen die Heizungsideologie“ von Habeck & Co. für einiges Aufsehen gesorgt – nicht zuletzt wegen der Redner: Hubert Aiwanger und Markus Söder. Immerhin 10.000 Leute waren gekommen. Jetzt gaben Sie der WELT Einblicke in Ihren Befund zum Zustand der Gesellschaft: „Die Hälfte aller Rentner in Sachsen-Anhalt […] lebt unter der Armutsgrenze, und dann sagt man denen, ihr heizt falsch und es mangelt euch an Weltoffenheit und Toleranz. Da braucht man sich nicht zu wundern, wenn die politischen Ränder Zulauf bekommen: Das ist keine Radikalisierung, das ist Physik.“

In diesem Falle allerdings hoffen wir, dass Sie irren! Denn Physik, das wäre Naturgesetz, und dann könnte man wirklich nichts dagegen machen …