26. Jahrgang | Nummer 20 | 25. September 2023

Antworten

Oskar Lafontaine, zweifacher Parteivorsitzender, Held und Feindbild – Vor einigen Tagen feierten Sie Ihren 80. Geburtstag im saarländischen Merzig. Unsere besten Wünsche! Sie sind der einzige Politiker, der es geschafft hat, gleich zwei Parteien zu führen und beide wieder zu verlassen. Sie sind einer der wenigen Politiker, die mehrfach erfolgreiche Wahlkämpfe als Spitzenkandidat führten, auch das für zwei Parteien und eine Wählervereinigung. Nach wie vor sind Sie aktiv, auf ausgedehnten Radtouren, neuerdings mit dem E-Bike, an der heimatlichen Saar und Mosel mit Ihrer Ehefrau Sahra Wagenknecht.

Wie schrieb doch Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung unlängst: „Wollte man ein Symbol wählen für sein politisches Leben: Es wäre die Achterbahn. Lafontaine ist der vollendet Unvollendete, einer der ungewöhnlichsten Politiker der bundesdeutschen Geschichte; der genialste von Willy Brandts Enkeln.“

Mit Ihrem Widersacher Gerhard Schröder, einem anderen Enkel, haben Sie sich unlängst ausgesprochen und versöhnt, wie man hört. Dazu lesen wir interessiert im Spiegel: „Vielleicht ist die Versöhnung von Schröder und Lafontaine ja zumindest eine Inspiration für die zerstrittene Linke, sich wieder zusammenraufen. Oder noch besser: ein Anlass, endlich mit der Politik dieser vergangenen Zeit abzuschließen. Stattdessen die Fenster aufzumachen, durchzulüften und endlich zu überlegen, welche neuen Impulse und Vorbilder linke Politik heute braucht.“

Sie lesen gern Bücher in Ihrem Merzinger Haus und beraten Ihre Frau. Sehen wir Sie bald in einer neuen linken Partei wieder? Zuzutrauen ist es Ihnen allemal. Das Senium kann warten.

 

Gitta Connemann, MdB-CDU sowie Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion – Sie stellten gegenüber der Gazette DIE WELT dieser Tage fest: „In Deutschland gibt es derzeit noch acht Lehrstühle für Kernforschung, aber 173 Lehrstühle für Genderforschung. Da fehlt jedes Maß. Deutschland ist auf einem völlig falschen Weg unterwegs.“

Wohl war!

Doch hätte dies selbst der seit 2021 regierende Ampel-Unfall in der Kürze der Zeit nicht hinbekommen. Dazu brauchte es schon 16 Merkel-Jahre.

Sie selbst gehören dem Bundestag übrigens seit 2002 an. Sicher berichten Sie demnächst darüber, wie sie sich einst gegen das Einschlagen dieses völlig falschen Weges gestemmt haben …

 

Christoph Hickmann, Kollege vom SPIEGEL – Der Bundeskanzler, so Sie jüngst in Ihrem Hamburger Nachrichtenmagazin, erinnere „dieser Tage […] an einen Immobilienmakler, der eine Bruchbude als Wohlfühloase anpreist. Der Putz bröckelt, in den Ecken schimmelt es, die Decke hängt verdächtig schief, der Maklerkanzler jedoch geht von Zimmer zu Zimmer und schwärmt, wie schön das hier bald alles aussehen werde. Ein Wohntraum, man braucht nur ein bisschen Fantasie. Im wahren Leben sieht das so aus: Die Wirtschaft stagniert, Unternehmen drohen abzuwandern, die AfD robbt sich in den Umfragen ans Volkspartei-Niveau heran, Bahnfahren ist nur noch etwas für Abenteurer oder Menschen mit viel Zeit, günstige Elektroautos kommen bald wohl eher aus China als aus Deutschland, das Ansehen der Regierung liegt knapp über dem von Rammstein und der Fifa. Aber der Kanzler sagt: Keine Sorge, alles wird gut.“ Und: „Olaf Scholz […] konnte einem schon immer mit dem Rücken zur Wand erklären, dass da gar keine Wand sei, und zwar dermaßen überzeugend, dass man irgendwann zur Sicherheit nachschaute, weil man sich fragte: Was, wenn er doch recht hat?“

Gut gebrüllt, Löwe!

Aber immerhin ist der Olaf auf diese Weise schon mal Kanzler geworden!
Oh, mein Gott, das lässt ja für die Zukunft noch Schlimmes befürchten …

 

Alexander Kissler, Redaktor der Neuen Zürcher Zeitung in Berlin – Zum Tortenangriff auf den islamkritischen Fernsehmoderator und Buchautor Constantin Schreiber an der Uni Jena und zum feigen Schweigen der Leitung des Hauses, die zwei Tage brauchte, um – und auch dann nur auf Anfragen hin – die „tätlichen Angriffe“ zu verurteilen, konstatierten Sie: „Die akademische Welt übt sich oft in vorauseilendem Gehorsam gegenüber den herrschenden Tendenzen der Zeit.“

Das erscheint uns, mit Verlaub, denn doch historisch arg verkürzt und weichgespült – angesichts des Sachverhaltes, dass die Zeiten noch nicht so lange her sind, in denen deutschsprachige Akademiker sich über den bloßen vorauseilenden Gehorsam hinaus proaktiv mit an die Spitze der Bewegung stellten.

Über das sogenannte Reichssicherheitshauptamt (RSHA) etwa, die Terrorzentrale des Dritten Reiches, weiß Wikipedia: „Seine Führungsschicht […] bestand tatsächlich überproportional aus hochgebildeten Akademikern […], die sich aus eigenem Antrieb heraus in den Dienst der Sache stellten.“

Zum Beispiel:

Dr. phil. Reinhard Heydrich, SS-Obergruppenführer und Leiter des RSHA, Cheforganisator des Holocausts;

Dr. jur. Ernst Kaltenbrunner, SS-Obergruppenführer und Nachfolger Heydrichs als RSHA-Chef;

Dr. jur. Heinrich Müller, SS-Gruppenführer und Chef der Gestapo;

Dr. jur. Walter Schellenberg, SS-Brigadeführer und Leiter der vereinigten Geheimdienste im RSHA;

Dr. jur. Werner Best, SS-Obergruppenführer und Theoretiker, Organisator und Personalchef der Gestapo sowie der massenmordenden sogenannten Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD; et cetera pp.

Nicht zu vergessen: Auch der propagandistischen Advocatus Diaboli des Systems war als Dr. phil. promoviert – Joseph Goebbels.

 

Slavoj Žižek, slowenischer Philosoph und kritischer Beobachter der Zeitläufte – Ihnen ist die Meinung des russischen Generals a.D. Alexander Wladimirow, Verfasser einer „Allgemeinen Theorie des Krieges“, die in seinem Heimatland als „Kriegsbibel“ gilt, übel aufgestoßen. Wladimirow zum Ukraine-Krieg: „Ich bin sicher, dass in diesem Krieg Atomwaffen zum Einsatz kommen werden – zwangsläufig, denn weder wir noch der Feind haben einen anderen Ausweg.“ Dass es tatsächlich dazu kommen könnte, daran wirken nicht zuletzt westliche Scharfmacher wie der Ex-US-Botschafter in Deutschland, John Kornblum, mit, der unverblümt fordert, der Westen möge „den Konflikt sowohl militärisch als auch rhetorisch nach Russland“ tragen.

Vor diesem Hintergrund diagnostizierten Sie als „unseren wahren Wahnsinn“: „Es ist möglich, dass wir alle in einem Atomkrieg untergehen, aber was uns wirklich ärgert, sind die Cancel Culture oder die populistischen Exzesse, und letztlich ist uns nicht einmal das wirklich wichtig, sondern nur unser Alltag.“

Das hat schon etwas vom suizidalen Fatalismus der Lemminge. Wobei der Todestrieb letzteren allerdings nur angedichtet worden ist … Im Übrigen fragen aber auch wir uns schon länger, wo die Hunderttausende von Friedensbewegten eigentlich abgeblieben sind, die in Bonn am 10. Oktober 1981 (300.000) und am 22. Oktober 1983 (650.000) gegen Atomwaffen protestiert hatten.

 

Karl Schlögel, emeritierter Historiker und Osteuropaexperte – Mit „Terror und Traum: Moskau 1937“, erschienen 2008, war Ihnen eine höchst beeindruckende Darstellung der Entwicklung in der Sowjetunion der 1930er Jahre gelungen. Inzwischen jedoch neigen Sie offenbar zu, mit Verlaub, fragwürdigen historischen Vergleichen. So donnerten Sie jetzt bei Anne Will die eine Verhandlungslösung für den Ukraine-Krieg präferierende Sahra Wagenknecht an: Hitler sei mit Waffen besiegt worden, so auch Putin! Basta.

Hitler mit einem atomaren Arsenal wie Putin wäre in der Lage gewesen, den Sieg der Alliierten über ihn in eine weitgehende Zivilisationszerstörung zu verwandeln. Natürlich steht es Ihnen frei, diesen nicht ganz unerheblichen Unterschied in den Skat zu drücken. Aber bitte erwarten Sie nicht, dass wir Ihnen in dieser potenziell suizidalen Ignoranz ebenso folgen wie Anne Will und deren andere geladenen Gäste.

 

Loral O’Hara, US-Astronautin – Vor wenigen Tagen flogen Sie vom Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan in einer russischen Sojus-Trägerrakete mit den russischen Kosmonauten Oleg Kononenko und Niolai Tschub zur ISS, die seit 1998 die Erde umkreist. Es ist Ihr Weltraumdebüt, sechs Monate sollen Sie bleiben. Damit gehören Sie zu einem der wenigen Projekte, bei denen US-Amerikaner und Russen nach Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine Ende Februar 2022 noch zusammenarbeiten. Unlängst wurde gemeldet, dass die Zusammenarbeit für die nächsten Jahre bis 2028 weitergehen wird., nachdem schon ein schnelles Ende prophezeit worden war. „Es ist ein ganz besonderer Moment und ein sehr gutes Gefühl, Teil von etwas zu sein, das größer ist als wir und das so viele Menschen zusammengebracht hat“, sagten Sie auf der Pressekonferenz vor dem Start. Da stimmen wir zu. Zusammenarbeit im All und anderswo ist immer noch produktiver als Sternenkrieg, wo auch immer.