26. Jahrgang | Nummer 12 | 5. Juni 2023

Antworten

Robert Habeck (Die Grünen), Bundeswirtschaftsminister, sozial vorbildlich – Wie Sie Ihrer Fürsorgepflicht als Dienstvorgesetzter im Falle des gestrauchelten Ex-Staatssekretärs Patrick Graichen nachgekommen sind, das könnte wahrlich Schule machen, wenn – das Verfahren in Regierungskreisen nicht längst Standard für die Versorgungsabsicherung und Ruhigstellung nicht länger haltbarer schwarzer Schafe wäre. Sie haben den Mann nach Trauzeugen-Affäre und einem weiteren gravierenden Verstoß gegen die Compliance-Regeln Ihres Hauses nicht einfach geschasst, sondern vielmehr in den einstweiligen Ruhestand versetzen lassen. Dadurch stehen dem 51-jährigen Jungrentner – was ihm bei schnödem Rausschmiss verwehrt gewesen wäre – drei Monate Gehaltsfortzahlung zu (laut Besoldungstabelle 15.074 Euro pro Monat), anschließend ein erhöhtes Ruhegehalt für seine Gesamtzeit als Staatssekretär (nach Berechnungen von Business Insider rund 11.000 Euro im Monat, 17 Monate lang, insgesamt also 187.000 Euro) und danach wohl auch mindestens 35 Prozent seiner letzten Amtsbezüge, konkret 5.250 Euro im Monat. Und zwar – lebenslang.

Kann man da eigentlich noch von Goldenem Handschlag sprechen?
Oder wäre Platin nicht angemessener?

 

Kai Wegner (CDU), Regierender Poet von Berlin – Am 25. Mai gaben Sie vor dem Abgeordnetenhaus Ihre erste Regierungserklärung ab. Festzustellen war vor allem, dass Sie noch immer vom eigenen Wahlsieg begeistert sind. Das können wir verstehen. Also erstiegen Sie einen rhetorischen Gipfel nach dem andern. „Wir brennen für Berlin“, lautete einer ihrer blütenreichen Sprüche. Das wollen wir nun nicht hoffen. Der „revolutionäre 1. Mai“ ging ja einigermaßen glimpflich an der Stadt vorbei – und nun kommen Sie mit sowas … Kürzlich warnte mich die Berliner Feuerwehr vor einem Großbrand. Aber glücklicherweise war das nur ein Papierberg in Neukölln, nicht das Rote Rathaus.

 

Rishi Sunak, politischer Kraftmensch aus London, Downing Street 10 – „China ist die größte Herausforderung unserer Zeit für die globale Sicherheit und den globalen Wohlstand“, tönten Sie auf dem jüngsten G 7-Gipfel. In China dürfte man das anders sehen und sich noch recht gut an die Opium-Kriege der Briten, die Niederschlagung des Boxeraufstandes durch eine Art früher „Koalition der Willigen“ und andere westeuropäische Beiträge zur Wahrung von globaler Sicherheit und globalem Wohlstand erinnern. Nicht nur der derzeitige russische Amoklauf, auch die von Ihnen eifrig betriebene „Kampfjet-Koalition“ – ohne dass Sie selbst über die abverlangten Mordgeräte zu verfügen, aber das nur nebenbei – dürften der Welt klarmachen, dass die größte „Herausforderung unserer Zeit“ von gewesenen Imperien ausgeht, die von machtpolitischen Phantomschmerzen geschüttelt werden. Wie auch Sie immer wieder unter Beweis stellen, ist das British Empire davon nicht ausgenommen.

 

Philipp Amthor (MdB-CDU), sangesfreudiger Fahnenschwinger – „Patriotische Glücksmomente“ wollen Sie dem deutschen Volke, vor allem dessen ostdeutschen Teil, bescheren. Weshalb Sie ausgerechnet die Ossis zum morgendlichen Fahnenappell verdonnern möchten, ist allerdings rätselhaft. Aber wir üben Nachsicht. Sie sind Jahrgang 1992, sie können das nicht wissen: Noch nie in der deutschen Nachkriegsgeschichte wurde der Vers „Deutschland, einig Vaterland“ im Zusammenhang mit wedelnden Deutschlandfähnchen so inbrünstig vorgetragen, wie 1990 auf dem Territorium der Noch-DDR. Aber offensichtlich hat man Ihnen in der Schule eingeredet, dass der Kanzler Kohl gemeinsam mit David Hasselhoff die Mauer eingerissen hat.

Das mit den Glückmomenten lässt sich aber leicht lösen: Sie sollten für den nächsten Wahlkampf mehrere Tonnen Glückskekse ordern. Die dämlichen Devotionalien, die von den Parteien sonst immer unter das Volk geworfen werden, reißen eh keinen mehr vom Hocker. Unsere chinesischen Geschäftspartner lassen die Kekse ganz bestimmt auch in schwarz-rot-goldenes Papierchen einschweißen und auf die eingebackenen Papierstreifen drucken die auf Kundenverlangen auch knackige patriotische Sprüche. Aus den Zeiten der Kulturrevolution wisssen die noch, wie man das macht.

Natürlich kriegen nur Leute einen patriotischen Glückskeks, die die Hymne singen können. Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft ist da schon mal weg vom Fenster …

 

Andrij Melnyk, Schwiegermuttertyp, wenn er den Mund hält – Es ist zwar schon etwas her, dass Sie als ukrainischer Botschafter in Deutschland und „diplomatischer Trampel“ (O-Ton Süddeutsche Zeitung), Ihr Ränzlein schnüren mussten, doch sie sorgen sich immer noch darum, was Berlin daran hindert, einen maximalen Beitrag zur Aufrüstung Ihres Heimatlandes zu leisten. Erkannt haben Sie nun dieses: „Die Bedeutung der Rüstungsindustrie für Arbeitsplätze in Deutschland wird oft unterschätzt. In Zukunft könnte diese systemrelevante Branche, in der schon heute über 135.000 Beschäftigte 30 Milliarden Euro Wertschöpfung generieren, genauso viele Arbeitsplätze schaffen wie die Autoindustrie [2021: 786.000 Beschäftigte – die Redaktion] oder der Maschinenbau [2021: eine Million Beschäftigte – die Redaktion].“

Nunmehr, so pfeifen es die Kiewer Spatzen von den Dächern, sollen Sie Botschafter in Brasilien werden. Uns liegen zwar keine Erkenntnisse über den Zustand der Wehrindustrie dieses Landes vor, doch wir befürchten das Schlimmste. Und hoffen daher, dass Sie bereits eifrig Portugiesisch lernen, um den Verantwortlichen vor Ort gegebenenfalls rasch und gehörig den Marsch blasen zu können. Wenn nötig inklusive angemessener Adelung Unbotmäßiger – etwa als „salsicha insultada“, wie weiland im Falle von Bundeskanzler Olaf Scholz („beleidigte Leberwurst“), oder einfach als „parvalhão“, wie gegenüber dem SPD-Bundestagsabgeordneten Michael Roth („Arschloch“).

 

Gregor Gysi, listiges Naivchen – Sie machen sich so Ihre Gedanken über die deutsche auswärtige Politik. Das ist ehrenwert, aber einigermaßen sinnlos. Jetzt grübelten Sie öffentlich über das beknackte russisch-deutsche Muskelspiel mit gegenseitigen Personalausweisungen nach und kamen zu dem faszinierenden Schluss, dass man doch hätte dem Putin erstmal ganz leise ins Ohr flüstern können, man könne ja eventuell Generalkonsulate dichtmachen … Und dann hätte man doch erst mal abwarten müssen, ob er wirklich den Rausschmiss der deutschen Diplomaten und Lehrkräfte durchzieht. Wir wissen ja nicht, ob „Onkel Wowa“ derzeit nach Lachen zumute ist. Wir sind uns aber ziemlich sicher, über ihren Vorschlag dürfte ihm zumindest ein leichtes Lächeln über das Antlitz huschen. Auf was für Ideechen diese Deutschen doch so kommen!

 

Rupert Stadler, Geständiger Ex-Audi-Chef – Noch hat das Landgericht München sein Urteil im sogenannten „Abgas-Prozeß“ noch nicht gefällt. Aber ein Coup ist Ihnen und Ihren Anwälten „im Rahmen einer Verständigung mit Gericht und Staatsanwaltschaft“ so formuliert es die Berliner Zeitung offenbar gelungen: Sie werden mit einer Bewährungsstrafe davonkommen. Gegen Zahlung von satten 1,1 Millionen Euro. Wer hat, der kann … Oder wie es der Volksmund formuliert: „Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen.“
Wer wundert sich angesichts solcher Praktiken auch in der angeblich unabhängigen Justiz noch über den wachsenden Unmut vieler Menschen gegenüber der viel beschworenen freiheitlich-demokratischen Grundordnung?