Cato der Ältere, römischer Feldherr, Staatsmann, Schriftsteller und Geschichtsschreiber, gehörte zu den Einpeitschern im Vorfeld des dritten Punischen Krieges (149 bis 146 vor Christus) der künftigen antiken Supermacht Rom gegen Karthago, die etablierte mediterrane Konkurrenz.
Der Überlieferung zufolge pflegte Cato jede seiner öffentlichen Reden mit dem Satz zu beenden: „Ceterum censeo Carthaginem esse delendam.“ („Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden muss.“)
So kam es bekanntlich, und „das große Karthago“, das drei Kriege geführt hatte, war „nicht mehr auffindbar nach dem dritten“. Wie es Brecht im September 1951 formulierte, in Anspielung auf die Gefahr eines erneuten Weltkrieges.
Ceterum censeo steht seither, neutral gesprochen, für beharrliches Wiederholen einer Forderung, einer Position, um den Eintritt des Gewünschten am besten zu beschleunigen.
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Vorgestellt wird Alexander Dubowy in der Berliner Zeitung als Politik- und Risikoanalyst sowie Forscher zu internationalen Beziehungen und Sicherheitspolitik mit Schwerpunkt auf Osteuropa, Russland und dem GUS-Raum; er sei Mitarbeiter der Wochenendausgabe des Blattes.
Dubowy als den Russland-Erklärer der Berliner Zeitung zu apostrophieren, dürfte angesichts seiner regelmäßigen, häufig mindestens ganzseitigen Beiträge nicht zu hoch gegriffen sein.
Was den Ukraine-Krieg anbetrifft, so liegt Dubowy auf einer Linie, die den Mainstream in Politik und Qualitätsmedien hierzulande kaum zum Widerspruch reizen dürfte: „[…] je länger und entschlossener sich die Ukraine mithilfe der westlichen Waffenlieferungen gegen Russland zu wehren vermag, desto schneller wird die Bedrohungswahrscheinlichkeit für weitere Eskalationen in- und jenseits der Ukraine sinken und desto geringer wird der Preis sein, den die Ukraine und letztlich auch der Westen für den Frieden zahlen müssen.“ (Das könnte sich als suizidal irrige Prognose erweisen – siehe dazu den Beitrag „Atomschlag bei Existenzgefährung“ in dieser Ausgabe –, ist hier aber nicht Gegenstand der Betrachtung.)
Es soll Dubowy nicht unterstellt werden, dass ihm als Ziel des Ukraine-Krieges die Zerstörung Russlands vorschwebt. Doch auf der Hand liegt, dass sein Kalkül voraussetzt, es zumindest nicht zu einem – und schon gar nicht zu einem „vorschnellen“ – Waffenstillstand und sich daran anschließenden Verhandlungen über eine diplomatische Lösung des Konfliktes kommen zu lassen. Und in dieser Hinsicht hat der Mann sein ceterum censeo gefunden, das er seit Monaten gebetsmühlenartig unter die Leute bringt:
- Berliner Zeitung (online), 05.11.2022: „Nach über acht Monaten fruchtloser Friedensbemühungen zwischen der Ukraine und Russland und nach zahllosen enttäuschten Hoffnungen kann mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit festgehalten werden, dass der russische Präsident von Beginn an keinerlei Interesse an einer ehrlichen diplomatischen Lösung hatte.“
- Berliner Zeitung, 05.12.2022: „Putin zeigte seit Verhandlungsbeginn keine Bereitschaft, die Vorschläge der Ukraine auch nur ansatzweise ernst zu nehmen. Vielmehr dienten die Friedensverhandlungen dem Kreml stets als diplomatisches Feigenblatt auf dem Weg zur Durchsetzung der politischen Ziele der sogenannten Spezialmilitäroperation.“
- Berliner Zeitung, 28./29.01.2023: wortgleiche Wiederholung der soeben zitierten Passage.
- Berliner Zeitung, 18.02.2023: „Nach bald zwölf Monaten fruchtloser Friedensbemühungen zwischen der Ukraine und Russland und zahlloser enttäuschter Hoffnungen kann mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit festgehalten werden, dass der russische Präsident von Anbeginn an keinerlei Interesse an einer ehrlichen diplomatischen Lösung hatte.“
- Berliner Zeitung, 21.02.2023: „Nach 363 Tagen des brutalen russischen Angriffskrieges kann mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit festgehalten werden, dass der russische Präsident von Beginn an keinerlei Interesse an einer diplomatischen Lösung hatte.“
Was das russische Desinteresse „an einer ehrlichen diplomatischen Lösung“ des Ukraine-Konfliktes anbetrifft, so kann ein solches derzeit durchaus konstatiert werden, denn Indizien für eine gegenteilige Annahme liegen seit längerem nicht vor. Zumal die aktuelle chinesische Friedensinitiative vom Kreml zwar verbal begrüßt wurde – „Alle Versuche, Pläne zu entwickeln, die dazu beitragen, den Konflikt in eine friedliche Bahn zu bringen, verdienen Aufmerksamkeit.“ (Kreml-Sprecher Dmitri Peskow) –, nur um in einer nachfolgenden Bemerkung sofort wieder vom Tisch genommen zu werden: „Wir wiederholen noch einmal, dass wir im Moment keine Voraussetzungen sehen, um diese ganze Geschichte in eine friedliche Richtung zu bringen.“ (Peskow)
Es befremdet allerdings, dass Dubowy zwar von – erst acht, dann zwölf – „Monaten fruchtloser Friedensbemühungen zwischen der Ukraine und Russland“ spricht, ohne allerdings deutlich zu machen, wo er diese Bemühungen eigentlich gesehen haben will. Der Deal um den Export ukrainischen Getreides kann ebenso wenig gemeint sein wie gelegentliche Gefangenenaustausche zwischen den unmittelbaren Kriegsparteien, denn all dies war ja nicht „fruchtlos“. Tatsächliche Verhandlungen zwischen beiden Seiten hat es aber seit Frühjahr 2022 praktisch nicht mehr gegeben. Doch Analytisches zu den zuvor tatsächlich gelaufenen Friedensbemühungen und dazu, warum diese scheiterten, sucht man bei Dubowy vergebens.
Zum einen betrifft dies die damalige, vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj erbetene Vermittlermission des seinerzeitigen israelischen Premierministers Naftali Bennett: Dieser hat in den ersten Wochen nach der russischen Invasion hinter den Kulissen intensiv an Verhandlungen zwischen Kiew und Moskau gearbeitet, um ein Waffenstillstandsabkommen zu erreichen. Das Ziel, so Bennett selbst, habe damals in greifbarer Nähe gelegen, da beide Seiten zu erheblichen Zugeständnissen bereit gewesen wären. Putin zum Beispiel habe ihm gegenüber auf sein ursprüngliches Kriegsziel einer Demilitarisierung der Ukraine verzichtet. Der ukrainische Präsident habe sich im Gegenzug bereit erklärt, von einem NATO-Beitritt abzusehen – eine Position, die er kurze Zeit später auch öffentlich wiederholt habe. Damit sei eines der entscheidenden Hindernisse für einen Waffenstillstand aus dem Weg geräumt gewesen. Gescheitert sei die Initiative, weil vor allem Großbritannien und die USA den Prozess beendet und auf eine Fortsetzung des Krieges gesetzt hätten. Bennett wörtlich: „Ich behaupte, dass es eine gute Chance auf einen Waffenstillstand gab, wenn sie ihn nicht verhindert hätten.“
Zum anderen hat es daneben im Frühjahr 2022 offizielle Waffenstillstandsverhandlungen zwischen Moskau und Kiew gegeben – unter der Schirmherrschaft der Türkei. Auch diese Kontakte sind schließlich nicht zuerst von russischer Seite beendet worden, sondern am 17. Mai 2022 durch die Ukraine. Zu den Gründen heißt es in einer SWP-Studie vom Oktober 2022: Zuvor hätten „erste substantielle westliche Waffenlieferungen die Ukraine“ erreicht. Und: „Auf der Ramstein-Konferenz am 26. April kamen die westlichen Verbündeten und andere befreundete Staaten überein, Kyjiw systematisch militärisch zu unterstützen.“ Das habe dazu beigetragen, dass in „der Ukraine […] nun die Überzeugung [wuchs], den Gegner militärisch abwehren zu können“.
Wer angesichts dieser Verläufe im Nachhinein allein Russland als verhandlungsverweigernd an den Pranger stellt, wie Dubowy das tut – „Friedensverhandlungen […] als diplomatisches Feigenblatt“ (siehe obige Zitate aus der Berliner Zeitung, 05.12.2022 und 28./29.01.2023) –, setzt sich dem Verdacht aus, weder seriösen Journalismus noch gar wissenschaftliche Politologie zu betreiben, sondern lediglich durch grobschlächtige Propaganda indoktrinieren zu wollen. Zu welchem Zweck auch immer …
P.S.: Versteht sich, dass Alexander Dubowy den im von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer initiierten Friedensmanifest enthaltenen Aufruf, zur Beendigung des Ukraine-Krieges konsequent Kurs auf eine diplomatische Lösung zu nehmen, zurückgewiesen hat, denn „die ideale Friedensinitiative aus russischer Sicht […] könne nur […] die Auslöschung der Ukraine als Staat“ zum Ziel haben. Und Dubowy legte nach: Sollte der in dem Manifest ebenfalls erhobenen Forderung nach einem Stopp der Waffenlieferungen an die Ukraine gefolgt werden, würde Deutschland „durch diesen verantwortungslosen Schritt innerhalb der westlichen Gemeinschaft dauerhaft isoliert und seinen Ruf nachhaltig schädigen“ (Berliner Zeitung, 18.02.2023).
Das hat die Welle der Mitunterzeichnungen des Manifestes allerdings bisher nicht bremsen können (Stand am 10.03.2023: knapp 745.000 Unterschriften). Vielleicht sollte Alexander Dubowy daher rasch ein weiteres ceterum censeo in seinen Kanon aufnehmen …
Schlagwörter: Alexander Dubowy, Berliner Zeitung, Friedensmanifest, Putin, Sarcasticus, Ukraine-Krieg