25. Jahrgang | Nummer 14 | 4. Juli 2022

Antworten

Robert Habeck, der nicht vom Völkerrecht kommt – Verordner unpopulärer politischer Maßnahmen geben sich gern volkstümlich. Wir erinnern uns mit einem gewissen Grausen an Günter Schabowski. Sie treten jetzt zumindest rhetorisch in dessen Fußstapfen. Angelehnt an vergangene Freundlichkeitsgesten wie dem Geschenk einer Rostbratwurst oder gar einer Kinokarte beim freiwilligen Anti-Corona-Impfen gehen Sie offenbar davon aus, dass das Volk die bevorstehenden Gasverbrauchsrestriktionen und die Preisexplosion wegstecken wolle, wenn es nur ein Leckerli bekommt. Nix da! „Und wenn dann einer sagt, ich mache nur mit, wenn ich 40 Euro kriege, würde ich sagen: ,Die kriegst du nicht, Alter‘“, prollten Sie am 23. Juni im heute-journal herum.

Ganz abgesehen davon, dass hinter dieser Äußerung ein abgehoben-arrogantes Weltbild steckt: Gegen Politikeransagen, die in einem dermaßen billigen Bierbuden-Jargon auch an unsere Adresse gehen, verwahren wir uns.

Du kapieren, Alter?

André Mielke, Satiriker vorm Herrn – Sie bringen Lachen in ernste Situationen und versuchen sich unter anderem am Auftreten von Robert Habeck. Der hatte sich empört, dass Russland „Energie als Waffe“ benutze. Sie schreiben: „Gewiss ist es schockierend, dass der Russe nach sechs versöhnlichen Sanktionspaketen, einem Ölboykott und der kulanten Offerte, ihn zu ruinieren, nun seinerseits am Wirtschaftskrieg teilnimmt.“ Es verwundert nur, dass niemand sonst diese Heuchelei thematisiert. Habeck hält seine Deutschen ganz offensichtlich für vergesslich und verblödet …

Maritta Tkalec, Kollegin und Adressatin eines überfälligen Geständnisses – Langsam ist es hohe Zeit, dass wir uns endlich outen: Von den Federn der Berliner Zeitung, die wir seit Jahren schätzen, sind Sie eine besondere. Ihre Beiträge lesen wir stets mit Gewinn und Vergnügen. So auch wieder Ihren Leidartikel (sic! – vorsätzlicher Schreibfehler) vom 20. Juni 2022, in dem Sie das ganze Elend nach nur einem halben Jahr Ampel trefflich auf den Punkt brachten: „Zu viel Murks“. Und konkret: „Deutschland erlebt eine Politik der Schnapsideen.“ Dazu bräuchte es weder Alkohol noch andere hirnerweichende Substanzen. „Es reicht, wenn die Ideenhaber das, was ihnen gerade durch den Kopf schießt, für einigermaßen genial halten.“ Dann werde nach dem Motto verfahren: „Probieren wir einfach mal. […] So ungefähr kam die Sache mit dem 9-Euro-Ticket zustande. […] Sieger im Wettbewerb der Schnapsideen ist der Tankrabatt. Drei Milliarden Euro Steuergeld futsch.“

Und die Aussichten? „Schon absehbar ist, dass der Boykott russischen Erdöls zwar moralisch glänzt, aber im Endeffekt Putins Russland und seiner Kriegsmaschinerie hilft. Er schwächt Deutschland und den ganzen Westen. Ein in Wirtschafts- und Sozialkrisen versinkender Westen wird die Ukraine weder stützen noch aufbauen können.“

Ihre Empfehlung: „[…] mal die Kosten durchrechnen. Auch die Reaktion anderer Akteure einkalkulieren, deren Strategien bedenken. Also: besser Schach spielen, als auf dem Laufsteg der politischen Gutausseher posieren.“

Da sind wir ganz bei Ihnen. Leider wird Ihr Appell an der Attitüde selbstgewissen Selbstbewusstseins der Akteure Scholz, Baerbock, Lindner, Habeck und Co. vermutlich abperlen wie Wasser im Bürzel eines Erpels. Doch wenn nicht und falls sich ob des Liebesentzugs gar Verärgerung einstellen sollte, könnten unsere Vorturner allemal nach Brecht verfahren: „Das Volk hat das Vertrauen der Regierung verscherzt. Wäre es da nicht doch einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes?“

Andrij Melnyk, Undiplomat des Jahres – Das deutsche Publikum hat sich bereits etliche Unverschämtheiten von Ihnen anhören müssen. Aber Sie sind noch steigerungsfähig. Als eine Gruppe bekannter Persönlichkeiten in einem Offenen Brief neuerlich „Waffenstillstand jetzt“ und einen „konzertierten Vorstoß“ zu Friedensverhandlungen forderte, sich aber wohlweislich gegen einen Diktatfrieden Putins wandten, twitterten Sie wutentbrannt in falschem Englisch: „what a bunch of pseudo-intellectual loosers“, was übersetzt wohl heißen sollte „was für ein Haufen pseudo-intellektueller Versager“! Die „loser“ – die kommen im Englischen nämlich mit einem einzigen „o“ aus – sollten sich „zum Teufel scheren“. Offene Briefe gehörten zu einer offenen Gesellschaft, hielt Ihnen ein Tagesspiegel-Kommentator entgegen. Hier darf über den Krieg diskutiert werden, in Russland nicht, in Ihrem Land auch nicht?

Volker Wieprecht, rbb-Urgestein und abendschau-Moderator – Wir hätten das nicht so elegant hingekriegt. Am 19. Juni hatten Sie den Berliner SPD-Co-Vorsitzenden Raed Saleh am Mikrofon. Der hatte sich gerade gemeinsam mit Franziska Giffey eine historische Wahl-Watsche auf dem Landesparteitag eingefangen. Sie suchten wacker aus Saleh – an dem hatte sich schon Kurt Krömer die Zähne ausgebissen – irgendwie eine sachliche Antwort auf Ihre Fragen herauszuquetschen und erhielten nur blecherne Sprechpuppenstatements. Jedem anderen wäre der Kragen geplatzt. Ihre Reaktion: „Vielen Dank für diese anlasslose Antwort.“ Toll, einfach nur toll.

Ingo Meyer, Schlussredakteur bei der Berliner Zeitung – Ihr Essay „Das Märchen vom Gendersterntaler“ (nach Erscheinen auch in diesem Magazin) war für den diesjährigen Theodor-Wolff-Preis, einen der wichtigsten journalistischen in Deutschland, nominiert. Im Zusammenhang damit haben Sie erneut Position bezogen: „Es herrscht bei den Befürwortern der Gendersprache eine Art magische Vorstellung, dass man die Sprache ändert und, voilà, die Gesellschaft wird besser. Ich denke, eine Gesellschaft wird besser, wenn man die Gesellschaft ändert. Und das lässt sich nicht auf der sprachlichen Überholspur herbeizaubern. Außerdem muss man beachten: Wenn man diese Sprache übertreibt, verprellt man ganz viele Menschen, die für Gerechtigkeit sind, die aber sprachlich beim Gendern nicht mitmachen wollen. Ich finde es jammerschade, wie viel Energie wir in diese Diskussion stecken.“

Wir unsererseits vergeuden weiterhin keine Energie an diese Debatten, was uns jedoch nicht daran hindert, Ihnen nunmehr sehr herzlich zur Preisverleihung zu gratulieren!

Aert van Riel, Politikredakteur bei nd, vormals neues deutschland – Welche Blüten die von Meyer kritisierte Praxis treiben kann, demonstrierten Sie freiwillig oder unfreiwillig in der Tagesvorschau von nd-kompakt am 26. Juni. Heißt es doch „der Delegierte“ ebenso wie „die Delegierte“, selbst „das Delegierte“ wäre möglich, so dass sich auch Gendersprech-Fanatiker nicht über „die Delegierten“ erregen sollten. Sie indes, geschätzter Kollege, berichteten über den Parteitag der Linken: „Die Delegiert*innen verurteilten die Aggression des russischen Militärs gegen die Ukraine als völkerrechtswidrig.“ Zugegeben, im Vergleich zum Inhalt mag die sprachliche Form des Satzes als Lappalie erscheinen. Sprachverwirrt sind wir dennoch.

Helena Vondráčková, tschechischer Schlagerstar – Als weibliches Pendant Ihres Landsmannes Karel Gott begeisterten Sie das Publikum in Ost und West. Am 24. Juni feierten Sie Ihren 75. Geburtstag, berichteten in einem Interview mit Radio Prague International von einer geplanten 30-Konzerte-Tournee durch Tschechien und die Slowakei und erinnerten sich: „Der Friedrichstadtpalast war für mich wirklich die größte, schönste und perfekteste Bühne in Deutschland.“ Herzlichen Glückwunsch nachträglich und viel Erfolg!