24. Jahrgang | Nummer 25 | 6. Dezember 2021

Demokratiefeinde

von Günter Hayn

Berlin hatte seine Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) schon als abgängig vermutet und erleichtert aufgeatmet, als sie plötzlich wieder erschien. Mit einem verbalen Donnerschlag: „Wir wollen mehr verbieten“ zitierte sie der Tagesspiegel über die künftigen Absichten der Landesregierung im Umgang mit der Pandemie. Das ist doch endlich mal ein klares Wort! Einfacher kann man die Ideenlosigkeit der Politik nicht auf den Punkt bringen. Wundern muss man sich dann allerdings nicht, wenn der Abstand vieler Menschen zu solchen Leuten wächst und wächst und wächst …

Regierungspolitiker beklagen sich gerne über zunehmende „Politikverdrossenheit“.

Das ist falsch. „Verdrossen“ ist man zunehmend über Leute wie Frau Kalayci, Sachsens Michael Kretschmer, Olaf Scholz – der so tut, als wäre er erst der kommende Kanzler, aber mitnichten der aktuelle Vize-Kanzler – , Spahn & Co. etc pp. Die Kategorie „Miniatur-Bismarck“ – wir erinnern nur an „Zuckerbrot und Peitsche“ – dominiert inzwischen bundesweit die Entscheidungsebenen. Jetzt wurde bekannt, dass der künftige Oberpandemiebekämpfer Deutschlands wohl ein Generalmajor sein wird. Er soll „Deutschland auf Trab“ bringen, wie sich tagesschau.de am 30. November im Kriegsberichterton auszudrücken beliebte. Für die bislang angedachten „Maßnahmen“ braucht man aber weder einen Bundes-Krisenstab noch einen Militär an dessen Spitze. Deren Exekution ist reine Ländersache. Möglicherweise hat die neue Koalition da noch ein paar Pfeile im Köcher, über die zur Unzeit noch nicht geredet werden soll.

Oder sollen die Länder einfach nur stärker an die Kandare genommen werden? Das Land ein einziger Kasernenhof? „Sprung auf! Marsch, marsch! Euch mache ich Beine!“ In ersten Medien werden inzwischen die Vorzüge „entscheidungsstarken militärischen Denkens“ ausgebreitet … Man sieht doch, wohin uns die zivilen Weicheier gebracht haben.

Die Idee geht offenbar auf die FDP zurück. Bislang waren es die Liberalen, die die Werte der bürgerlich-parlamentarischen Demokratie immer erbittert verteidigt haben. Das hat sich offenbar geändert. Die wirklichen Feinde der Demokratie sind nicht die mehr oder weniger eurythmiegeschädigten „Querdenker“-Vordenker. Die wirklichen Feinde der Demokratie sitzen auf den deutschen Regierungsbänken. Das Parteibuch ist da mittlerweile ziemlich egal.

De facto praktizieren die Herrschaften nur zwei Strategien: die weitestgehende Ausschaltung der Parlamente – wo gibt es denn in Deutschland noch eine einigermaßen hörbare Opposition mit Überzeugungskraft? – und das immergleiche Verbotsinstrumentarium für das Volk, den großen Lümmel. Ersteres besorgen die Parteien durch die Auswahl „passender“ Mandatsträger, für Letzteres ist notfalls das Militär zuständig. Nichts gegen Generalmajor Carsten Breuer, aber der ist nur das Vorauskommando. Es kommen schlimme Zeiten auf das Land zu.

Und die Regierungen, die schaffen sich ihre Gegner selbst. Die Pandemie zog bei aller Tragik der sich rasant entwickelnden Opferzahlen lediglich den Vorhang vor den politikgemachten Blößen des deutschen Gesundheitswesens weg. Aber anstatt das wieder nachhaltig fit zu machen und die Menschen mit sinnvollen Argumenten zu überzeugen, wird viel Hirnschmalz für die Entwicklung von Ideen verwendet, die tagtäglichen Schikanen für „Unwillige“ noch diffiziler zu gestalten. Als „Unwillen“ bezeichnete man in vergangenen Zeiten Aufstände. Das Wort ist im aktuellen Zusammenhang einfach nur hanebüchen. Aber Druck erzeugt immer Gegendruck. Das wollen diese Leute aber nicht wissen. Physik hatten die zum Abi zumeist „abgewählt“. Damit sind sie ihrer esoterisch geprägten Gegnerschaft ähnlicher, als sie wahrscheinlich ahnen.

„Die Herren machen es selbst, dass ihnen der arme Mann zum Feind wird“, wusste schon Thomas Müntzer. Es sind nicht die Wirrköpfe aus Stuttgart. Die werden erst zur Gefahr wenn ihnen weiterhin die Anhängerschaft auf eine dermaßen dumm-dreiste Weise in Massen zugetrieben wird. Es kommen wahrlich schlimme Zeiten auf das Land zu.