24. Jahrgang | Nummer 6 | 15. März 2021

Rosas Rosen in Zamość

Jan Opal, Gniezno

Auf einer Veranstaltung in der Internationalen Jugendbegegnungsstätte in Oświęcim fragte im März 2018 ein deutscher Teilnehmer besorgt, wann denn der Spuk in Polen vorbei sein werde. In der Antwort vertröstete man ihn wohlwollend mit den kommenden Wahlen – 2019 und 2020. Auf die Palme gebracht hatte den Historiker des Zweiten Weltkriegs eine soeben ausgeführte Amtshandlung, mit der die Gedenktafel für Rosa Luxemburg in Zamość entfernt worden war, weil das seit einiger Zeit geltende Gesetz über das Verbot kommunistischer Propaganda im öffentlichen Raum verletzt werde. Auf der Tafel waren lediglich Rosa Luxemburgs Name, das Datum der Geburt sowie die Tatsache verzeichnet, dass es sich bei der in Zamość Geborenen um eine herausragende Vertreterin der internationalen Arbeiterbewegung handele. Dem empörten Historiker pflichtete Michał Sobelman bei, Pressesprecher der israelischen Botschaft in Polen, der den Vorgang gegen die Erinnerung an eine weltberühmte Persönlichkeit der Zeitgeschichte mit bekanntlich jüdischen Wurzeln im höchsten Maße verstörend nannte. Er fügte ausdrücklich hinzu, als junger Mann nach der antisemitischen Kampagne von 1968 gezwungenermaßen außer Landes und nach Israel gegangen zu sein.

Der von der Zentralregierung in Lublin eingesetzte Wojewode Przemysław Czarnek, ein Mann vom Jahrgang 1977, war die treibende Kraft der Schandtat von Zamość, wobei bis heute die genaue Argumentation nicht einmal aufzufinden ist. Mal versteckt sich die staatliche Geschichtsbehörde IPN (Institut für nationales Erinnern) hinter dem Wojewoden, mal das Amt in Lublin hinter der Behörde. Vorgeschickt wird eine wenig stichhaltige Expertise aus Łódź, wonach Rosa Luxemburg entscheidenden Anteil gehabt habe an der Gründung der Kommunistischen Partei in Polen Ende Dezember 1918 und deshalb von vornherein als eine gefährliche Feindin Polens zu gelten habe. Es geht also schlicht um den Namen, der erfüllt bereits den Tatbestand der Gesetzesverletzung.

Czarnek wurde im September 2020 zum Bildungs- und Hochschulminister geschlagen, die Wellen der Empörung schlugen hoch. Denn noch wenige Monate vor seiner Ernennung zum Minister hatte der gute Mann vor den Fernsehkameras ungeniert bekannt, dass es sich bei Lesben, Schwulen und Transgenderpersonen seiner Meinung nach nicht um Menschen, sondern allein um Ideologie handele, die bekämpft gehöre. Eigentlich wollte er sagen, dass die Nationalkonservativen in Polen in ihrem Kreuzzug gegen die sogenannte LGBT-Ideologie nicht Menschen, sondern eben nur die als falsch und gefährlich ausgemachte Ideologie bekämpften oder meinten, aber der spätere Bildungsminister drückte sich dermaßen ungeschickt aus, so dass es die menschenverachtende Behauptung schließlich in die Weltmedien schaffte. Als Belohnung ließ Jarosław Kaczyński den unermüdlichen Ideologiebekämpfer im stürmischen Herbst 2020 zum Minister küren.

Doch der Wind beginnt sich auch in Polen zu drehen – nationalkonservative Wahlsiege hin, nationalkonservative Wahlsiege her! Die in Lublin erscheinende regionale Tageszeitung Dziennik Wschodni erinnerte mit einem längeren Beitrag an den 150. Geburtstag Rosa Luxemburgs, scheute sich nicht, die Gedenktafel gut sicht- und lesbar abzubilden. Zu Wort kam unter anderem Wojciech Sachako vom städtischen Tourismuszentrum in Zamość, der sagte, nahezu alle Besucher, die in die Stadt aus Deutschland kämen – egal woher, egal wie alt –, fragten sofort nach Rosa Luxemburg, nach der Stelle, an der die Gedenktafel angebracht gewesen war, und nach dem Geburtshaus. Und Andrzej Urbański, stellvertretender Leiter des Stadtmuseums in Zamość, versicherte ausdrücklich, dass sich die Gedenktafel wohlverwahrt und gut erhalten in den Räumlichkeiten des Museums befinde, also vor mutwilliger Zerstörung gesichert sei.

Am 5. März 2021 verteilten Mitglieder der drei im Sejm vertretenen Linksparteien, die dort eine gemeinsame Fraktion bilden, im Herzen von Zamość 150 rote Rosen, um an den Jubiläumstag der weltberühmten Tochter der Stadt zu erinnern. An jenem noch immer sichtbaren Fleck, der bis heute an die Gedenktafel für Rosa Luxemburg gemahnt, trafen sich die Linkskräfte zu einer kleinen Feierstunde zusammen. Einhellig wurden die Stadtoberen aufgefordert, sich für die schnellstmögliche Rücknahme des schändlichen Aktes vom März 2018 einzusetzen. Auftrieb gibt es nun durch eine kürzlich gefällte Entscheidung des – von den Nationalkonservativen (!) eingesetzten – Wojewoden in Katowice, der amtlich zu Protokoll geben ließ, dass im Falle einer Rosa-Luxemburg-Straße in Gliwice nichts für eine erforderliche Namensänderung spreche, der herausgestellte Name als solcher dem in Polen geltenden Gesetz nicht widerspreche.

Auch in der Wochenzeitung Tygodnik Zamojski, die in Zamość und Umgebung gelesen wird, wurde auf den runden Geburtstag verwiesen und dabei ausdrücklich sowie mit Abbildung ein im letzten Jahr in Hamburg erschienenes Buch hervorgehoben, in dem der Stadt natürlich eine besondere Rolle zukommt: „Rosa Luxemburg: Spurensuche. Zeugnisse und Dokumente einer jüdischen Familie“. Und hinzugefügt sei noch, dass im Warschauer Museum zur Geschichte der polnischen Juden (POLIN) derzeit eine Ausstellung zu besichtigen ist, in der 26 herausragende polnisch-jüdische Persönlichkeiten gewürdigt werden, die in besonderer Weise Weltgeltung erlangt haben. Neben Artur Rubinstein, Ludwik Zamenhof und anderen findet sich dort auch ein würdiger Platz für Rosa Luxemburg.