23. Jahrgang | Nummer 18 | 31. August 2020

Antworten

Olaf Scholz, Bundesfinanzminister – Nach Mutti kommt womöglich Vati, kommentierte ein britischer Kollege Ihre Kür zum Kanzlerkandidaten der SPD. Da kann man sich wahrlich Schlimmeres vorstellen …

Doch als es vor einem Jahr um den Chefposten der Partei ging, taugten Sie ganz offensichtlich nicht zum Hoffnungsträger. Warum das jetzt völlig anders sein sollte, lässt sich trotzdem unschwer erkennen: Nach Umfragewerten sind Sie beim Wahlvolk der mit Abstand beliebteste Sozialdemokrat.

Das beantwortet allerdings nicht die viel grundlegendere Frage: Wozu in Dreiteufelsnamen braucht eine 15-Prozent-Partei eigentlich überhaupt einen Kanzlerkandidaten?

Andreas Kalbitz, AfD-Spitzenkraft, bis auf Weiteres allerdings ohne Parteibuch und -funktion – Nun ist also auch aktenkundig, was man als Gesinnungsgenosse zu gewärtigen hat, wenn man von Ihnen freundschaftlich – oder war’s scherzhaft? – in die Seite geknufft wird: Milzriss. Nicht direkt lebensbedrohlich, doch immerhin ausreichend für den Straftatbestand der Körperverletzung. Mindestens der fahrlässigen.

Vielleicht sollten Sie den Kameraden künftig doch besser eins auf den Hinterkopf geben. Das erhöht bekanntlich einerseits das Denkvermögen und hätte zum anderen einen weiteren Vorteil: Nischel ist härter als Milz.

Jens Spahn, Bundesgesundheitsminister und bisher politischer Überflieger – Sie sind derzeit so beliebt im Lande, dass Ihnen sogar zugetraut wird, doch noch direkt in das Rennen um den CDU-Vorsitz und die nächste Kanzlerschaft einzusteigen. Sie selbst halten sich dazu derzeit dezent zurück, aber auch erkennbar fern von Armin Laschet, dem CDU-Ministerpräsidenten von NRW, dem Sie sich als Vize angedient hatten.

Nicht recht passen will zu Ihrer aktuellen Gloriole allerdings die Klagewelle, die derzeit beim Landgericht Bonn anschwillt: Etwa 50 Händler wollen so ihr Geld für Corona-Schutzmasken erstreiten, die das Gesundheitsministerium zwar bestellt, aber nicht bezahlt hat. Von bis zu 400 Millionen Euro ist in den Medien die Rede. Und als das anfängliche Verfahren zur Maskenbeschaffung aus dem Ruder lief, haben Sie zu allem Überfluss auch noch – für 9,6 Millionen und ohne Ausschreibung – EY (Ernst & Young) zu Hilfe gerufen. Da sind bekanntlich die, die bei Wirecard über die fehlenden 1,9 Milliarden erst dann gestolpert sind, als die Insolvenz der Betrugs- und Pleitefirma unmittelbar bevorstand.
Das ist durchaus Stoff von der Art, aus der schon mancher Karriereknick gestrickt wurde. Und dann, als wollten Sie den Teufel partout am Bart ziehen, kamen Sie auch noch mit der Idee, wegen Corona die Karnevalsaison 2020/21 komplett ausfallen zu lassen. Damit punkten Sie vielleicht in Berlin.

Aber im Rheinland?

Das dürften Sie damit schon mal verloren haben.
Und das Ding mit den Dominosteinen, das kennen Sie doch?

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Bernie Sanders, US-Senator, angehörig der Partei der Demokraten – Zum Umgang der US-Regierung mit Corona sollen Sie der Berliner Zeitung zufolge gesagt haben: „Nero fiedelte, als Rom brannte. Trump spielt Golf.“

In Ihrem Interesse wollen wir annehmen, dass es sich bloß um eine schlampige Übersetzung handelt. Denn was immer Nero auch getan haben mag, als Rom brannte – nach Wikipedia setzte er, dem seit fast 2000 Jahren das Stigma des Brandstifters angehängt wird, alle verfügbaren Kräfte zur Brandbekämpfung ein –, die Fidel ist erst seit dem 11. Jahrhundert nachweisbar …

Martin Hans Sonneborn, Satiriker, Ex-Titanic-Chefredakteur und Abgeordneter des Europa-Parlaments – Trotz Ihrer Wiederwahl ins EU-Parlament im Jahre 2019 beantworten Sie die Frage, wer Sie seien, immer noch mit: „Ich bin Schauspieler. Ich spiele Politiker.“ Das prädestiniert Sie allerdings dafür, ohne Rücksicht auf Verluste den Finger in die Wunde, respektive diverse Wunden zu legen.

So formten Sie die europapolitische Laienspielerin an der Spitze der Europäischen Kommission zu der Sottise um: „Europa nicht den Leyen überlassen!“

Und zu dem Hanswurst im Bundesverkehrsministerium, der Elektro-Scooter gesetzlich zugelassen hat, weil er sie „für einen substanziellen Beitrag zur Mobilitätswende“ hält (O-Ton DER SPIEGEL; siehe dazu ausführlicher in den Bemerkungen in dieser Ausgabe – „Menschenversuch“), fassten Sie zusammen: „Sie meinen Andy B. Scheuert? Es ist erstaunlich, dass er 600 Millionen Steuergelder in den Sand gesetzt hat und jetzt daran basteln darf, eine europaweite Maut einzuführen. Wo bleibt da der öffentliche Druck? Wo bleibt die Empörung? Wieso geht da kein Mob mit Mistgabeln auf die Straßen? Warum verschwindet dieser Mann mit seinem gekauften Doktortitel aus Tschechien nicht wieder nach Bayern?“ Und: „Ich kann mir solche Sachen nicht erklären.“

Wir uns leider auch nicht.

Reinhard Müller, Redakteur der FAZ – Containern, auch Mülltauchen oder Dumpster Diving genannt, bezeichnet einen Vorgang, bei dem – meist von Bedürftigen – abgelaufene, gleichwohl noch genießbare Lebensmittel, die vom Handel zur Entsorgung vorgesehen sind, aus Abfallbehältern geborgen werden.

Auch zwei Studentinnen aus Oberbayern hatten das getan – und zwar um gegen das massenhafte Wegwerfen solcher Lebensmittel zu protestieren. Immerhin betrifft das 20 Prozent aller Lebensmittel in der EU.

Dazu hat das Bundesverfassungsgericht jetzt entschiedenen: Wenn der verschlossene Container eines Supermarktes geöffnet wird, um daraus Lebensmittel zu entwenden, die deren Eigentümer entsorgen lassen will, dann bleibt das Diebstahl. Und der ist zu sanktionieren.

Sie haben dieses Urteil begrüßt, denn es ginge „ums Prinzip“: „Hier geht es […] um Eigentum. Dieses ohnehin schon unter Druck stehende Grundrecht darf nicht weiter aufgeweicht werden. Wer keine Wegwerfgesellschaft will, muss das Eigentum hochhalten.“

Nur zur Selbstverständigung: Wer keine Wegwerfgesellschaft will, der muss das Recht zum Wegwerfen über alles stellen? Über den Hunger der Bedürftigen? Über den nachhaltigen Umgang mit Lebensmitteln, vulgo mit endlichen Ressourcen?

Da muss man wohl langjährig bei der FAZ sein, um auf so ’ne Logik zu verfallen.

Oder greift hier einfach wieder mal Wagner?

„Deutsch sein heißt, eine Sache um ihrer selbst willen tun.“

Milosz Matuschek, stellvertretender Chefredakteur des Schweizer Monats und Kolumnist – Sie sagen: „Political Correctness ist die traurigste Religion der Welt.“ Und erläutern, „dass es vielleicht doch einen gewichtigen Unterschied für das Klima einer Gesellschaft macht, ob jemand ein bestimmtes Brötchen beim Bäcker aus freier Entscheidung nicht kauft. Oder ob eine militante Gruppe den Bäcker so lange terrorisiert, bis er das Brötchen aus dem Sortiment nimmt, damit es auch all diejenigen nicht bekommen, denen es vielleicht schmeckt.“

Besser hätten wir es auch nicht auf den Punkt bringen können.

Harald Martenstein (66), Redakteur des Tagesspiegels & Kolumnist der ZEIT – In Ihrer Familie, so bekannten Sie jetzt, habe „man um den Tod nie ein großes Drama gemacht. Er ist keine schöne Sache, klar, aber die Steuernachzahlung, die Nullzinsen und die Herbstdepression sind es auch nicht, man muss sich damit arrangieren. Eine meiner Großtanten sagte immer, dass sie nie ins Heim geht. ‚Ich lass mich doch nicht mit Brei füttern.‘ Ihre Schwestern pflegten zu erwidern: ‚Darüber entscheidet der Herrgott. Kein Mensch hat das selbst in der Hand.‘ Sie: ‚Ich schon.‘ Als es so weit war, besorgte sie sich auf dem Schwarzmarkt einen Revolver und erschoss sich. Ich fand, das hatte Stil.“

Werden Sie auch Stil haben?

Die Frage mag angesichts Ihres Alters verfrüht erscheinen, aber Ihr Sohn macht sich, wie Sie ebenfalls mitteilten, immerhin bereits Gedanken über die Verteilung des Erbes: „Kriege ich“, so habe der Filius kürzlich gefragt, „den Mercedes, wenn du tot bist? Deine Münzsammlung hätte ich auch gerne.“ Und dann auf den Punkt: „Wann genau stirbst du denn?“

Der Sprössling zählt sechs Lenze, und uns bewegt eine Frage schon länger: Ist späte Vaterschaft wirklich ein Segen?

Steve Easterbrook, Ex-CEO des Bulettenbraters McDonald’s – Als Sie 2019 wegen einer zu intimen Beziehung zu einer Mitarbeiterin Ihren Hut nehmen mussten, bestritten Sie die Vorwürfe und der Konzern vermied öffentliches Waschen dreckiger Wäsche durch eine Abfindung in Höhe von 40 Millionen Dollar. Die will das Unternehmen nunmehr zurückhaben, denn es ist in den Besitz delikater Fotos und Videos gelangt, die Sie von Ihrem dienstlichen E-Mail-Konto auf Ihr persönliches Konto transferiert hatten. Nicht bloß mit einer, nein auch mit drei weiteren Mitarbeiterinnen.

Da müssen Sie wohl so etwas wie der Hecht im Karpfenteich gewesen sein. Befremdet zeigte sich in solchem Zusammenhang weiland bereits Marlene Dietrich: „In den USA ist Sex eine Obsession, im Rest der Welt ist es ein Faktum.“