23. Jahrgang | Nummer 2 | 20. Januar 2020

Robert Gernhardt – neue Korrespondenzen

von Alfons Markuske

Vor etlichen Jahren, im Theater am Rand, … Aber die Geschichte ist ja schon erzählt. In der Blättchen-Ausgabe 14/2010 kann man sie nachlesen.

Dieses Mal also bei der Stiftung Schloss Neuhardenberg der Sparkassenfinanzgruppe. Passenderweise im ostbrandenburgischen Neuhardenberg, ursprünglich mal Quilitz geheißen und zwischen 1949 und 1990 Marxwalde.

Dort stehen der Stiftung für Ihre Konzerte, Lesungen, Gespräche, Theateraufführungen und andere feine Eventformate zwei Räumlichkeiten zur Verfügung – ein Saal auf dem Schlossgelände und die kleine, zum Architekturensemble gehörige Schinkelkirche ein paar Schritte außerhalb.

Bis auf wenige Ausnahmen pflegt die Stiftung in beiden Räumlichkeiten eine nachgerade archaische Unsitte – die sogenannte freie Platzwahl. Wer da erst kurz vor Veranstaltungsbeginn anlangt, der sitzt prinzipiell ganz hinten, und kommt er zu mehreren, darf er auf zusammenhängende Plätze stets wieder vergeblich hoffen.

Erfahrene Stiftungsgoutierer finden sich dieserhalb ein Stündchen früher ein und stehen sich in einer stets aufs Neue rasch länger werdenden Schlange die Beine in den Bauch, bis die Pforten endlich öffnen.

Findet das Event auf dem Schlossgelände statt, harrt man zumindest innenräumlich aus, was möglichen Unbilden von Wind und Wetter den Zugriff auf die Wartenden verunmöglicht.

Nicht so im Falle der Schinkelkirche.

Vor der reiht man sich unter freiem Himmel ein.

Ich nehme es schon seit vielen Jahren auf mich, mir die Rolle eines solchen Platzhalters durch ein mitgeführtes Buch nicht lang werden zu lassen, während alle Mitgereisten an freundlicheren Tagen noch etwas durch den großzügigen Schlosspark streifen oder es sich an weniger freundlichen in der früheren Brennerei (heute Schlosscafé) wohl sein lassen.

So auch am 30. November 2019, als um 17:00 Uhr Christan Brückner Fontanesches zum Weihnachtsfeste lesen sollte. Die Warterei – meine Wenigkeit an hervorragender fünfter Position – fand bei herausfordernden sieben Grad und bei einem Winde statt, der daraus gefühlte drei Grad machte.

Und da passierte es – noch bevor ich meinem Rucksack das Buch entnommen und mir die Frage zu Ende beantwortet hatte, wie Seitenumblättern mit lederbehandschuhten Händen wohl funktionieren würde, ging Robert Gernhardt nahezu übergangslos erneut auf Sendung:

Paulus schrieb den Angelsachsachsen:
„Steht doch nicht da wie angewachsen!“

Und dann in zügiger Abfolge:

Paulus schrieb an die Azteken:
„Beten sollt Ihr und nicht blöken!“

Paulus schrieb den Madrilenen:
„Briefe kriegt Ihr von mir keenen.“

Paulus schrieb an die Hawaiier:
„Ihr geht mir wirklich auf die – Nerven.“

Paulus schrieb den Inuit:
„Trinkt Lebertran, der hält Euch fit!“

Paulus schrieb an die Kroaten:
„Hier kommt ein Storch. Den könnt Ihr braten.“

Paulus schrieb den Siebenbürgen:
„Warum heißt Euer Heiland Jürgen?“

Paulus schrien an alle Perser:
„Werdet bloß nicht noch perverser.“

Als der Einlass in die Kirche schließlich erfolgte, holte Gernhardt zwar kurz Luft. Doch kaum hatte ich vordere Plätze für meine Entourage und mich mit Beschlag belegt, tickerte es weiter:

Paulus schrieb an alle Dänen:
„Hör’ ich von Euch, kann ich nur gähnen.“

Paulus schrieb den Hottentotten:
„Euch kann man wirklich bloß verspotten.“

Paulus schrieb an die Tasmanen:
„Ihr seid so taub wie Eure Ahnen.“

Paulus schrieb an alle Polen:
„Die PiS, die soll der Teufel holen.“

Paulus schrieb an die Tiroler:
„Seh’ ich Euch nicht, dann ist mir wohler.“

Paulus schrieb an die Waliser:
„Ich bin ja fies, doch Ihr seid fieser.“

Als Christian Brückner schließlich die Bühne betrat, gab der Gernhardt, Robert, zwar Ruhe, doch schon am nächsten Morgen, beim Zähneputzen, schickte er einen hinterher:

Paulus schrieb an alle Esten:
„Gebt Ihr auch mal was zum Besten?“

Und in den Tagen, die folgten,

– immer noch einen:

Paulus schrieb an die Armenen:
„Euch hört man auch nur dusselig tönen.“

– und noch …:

Paulus schrieb den Madagassen:
„Was Ihr so treibt, ist nicht zu fassen.“

– und …:

Paulus schrieb an die Tscherkessen:
„Euch kann man ja komplett vergessen.“

Bis schließlich noch eine geballte Breitseite niederging:

Paulus schrieb an alle Finnen:
„Ihr sauft und sauft, Ihr müsst doch spinnen.“

Paulus schrieb an die Slowaken:
„Euch Brüder nehm’ ich an den Haken.“

Paulus schrieb an die Kasachen:
„Ihr sollt nicht so viel Blödsinn machen.“

Paulus schrieb an alle Schotten:
„Könnt Ihr denn nix als Gott verspotten?“

Paulus schrieb den Singalesen:
„Bekannt seid Ihr für steile Thesen.“

Paulus schrieb den Niedersachsen:
„Euch bin ich wirklich nicht gewachsen.“

Paulus schrieb an alle Letten:
„Was fläzt Ihr ständig in den Betten?“

Paulus schrieb an die Wallonen:
„Wer flatulenzt, aß weiße Bohnen.“

Paulus schrieb an die Mongolen:
„Was grinst Ihr immer so verstohlen?“

Paulus schrieb an alle Schweden:
„Ihr seid ’ne Zumutung. Für jeden!“

Paulus schrieb an die Tamilen:
„Nach dem Essen müsst Ihr spülen!“

Paulus schrieb an alle Tschechen:
„Bestellt Ihr was, müsst Ihr auch blechen.“

Paulus schrieb den Vietnamesen:
„Bei Gott, wie seid Ihr doch belesen.“

Paulus schrieb den Marokkanern:
„Ätsch, lieber schreib’ ich den Japanern!“

Paulus schrieb den Sudanesen:
„Komm’ ich zu Euch, zahlt Ihr die Spesen.“

Und das Ende?

Ein Paukenschlag:

Paulus schrieb den Magyaren:
„Lasst Euch mal geh’n! Lasst einen fahren!!“