23. Jahrgang | Nummer 2 | 20. Januar 2020

Antworten

Tom Burow, hasenfüßiger Einknicker – Wer bisher der Meinung war, dass der Intendant des WDR – der größten Rundfunk- und Fernsehanstalt im ARD-Verbund mit einem Jahresbudget von mehr als 1,5 Milliarden Euro – und Empfänger eines jährlichen Salärs, das 80.000 Euro über dem der Bundeskanzlerin liegt, eine Persönlichkeit sein müsse und könne, die sich nicht von jedem Lüftchen Gegenwind aus den Pantinen kippen lässt, den haben Sie jetzt flugs eines Schlechteren belehrt. Ein Kinderchor Ihres Senders hatte den alten Gassenhauer „Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad“ mit einem zeitgemäßen Text versehen, in dem es heißt: „Meine Oma ist ’ne alte Umweltsau“. Kaum hatte daraufhin ein offenbar aus dem rechten Lager orchestrierter Shitstorm eingesetzt, eilten Sie vom Krankenbett Ihres 92 Jahre alten Vaters herbei, um sich nicht nur redaktionell zu distanzieren und das Video mit dem satirischen Kinderlied löschen zu lassen, sondern auch noch persönlich um Verzeihung zu bitten und dabei mehrfach öffentlich den Redakteuren Ihres Senders in den Rücken zu fallen.

Mehr als 40 freie WDR-Autoren schrieben Ihnen daraufhin: „Ein Medienmanager, dessen Umgang mit moderner, rechter Propaganda von so viel Naivität und Ungeschicktheit zeugt und der nicht in der Lage ist, sich in einfachsten Fragen der Presse- und Meinungsfreiheit vor seine MitarbeiterInnen zu stellen, gefährdet eben diese Freiheiten. Er sollte die Konsequenzen ziehen.“

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Einen Rat hätten wir allerdings noch – eingedenk der Lebensweisheit: „Man wird alt wie ’ne Kuh / und lernt …“: Schauen Sie sich doch mal auf Youtube das Video „Infokrieg“ von Y-Kollektiv (ein Verbund junger Journalisten) an, das zeigt, wie rechte Internet-Trolle in den sozialen Netzwerken Themen setzen.

Hasso Plattner, Mitbegründer und Aufsichtsratsvorsitzender von SAP, potenzieller Wirtschaftsflüchtling – In Qualitätsmedien wie der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) wird Ihnen immer wieder gern bescheinigt, in Ihrer „Generation einer der ganz wenigen Selfmade-Milliardäre, die Deutschland hervorgebracht hat“, zu sein. Das inkludiert en passant den Persilschein, dass Sie Ihren immensen Reichtum völlig allein und somit auch komplett ausbeutungsfrei angehäuft hätten. Und morgen, liebe Kinder, erzählen wir Euch ein anderes Märchen.

Doch darum soll es hier gar nicht gehen.

Sie haben sich jetzt in die Debatte um eine mögliche Wiedereinführung der Vermögenssteuer eingeschaltet. Im Gespräch ist ein Steuersatz von exorbitanten zwei Prozent. Dazu erklärten Sie definitiv. „Bei einer zweiprozentigen Vermögensteuer muss ich Deutschland verlassen.“

Und warum?

„[…] damit ich zwei Prozent zahlen kann, muss ich drei Prozent meiner Aktien verkaufen“. Das wäre natürlich wirklich unerhört und Ihrer Vorstellung nach „offenbar abgrundtief menschenrechtswidrig“ (FAS).

Doch Sie legten noch eins drauf: „Wenn die Sozialisten glauben, dass Unternehmer Gangster sind, die bestraft werden müssen, dann ist das eine andere Gesellschaft. Wer glaubt, dass der Staat die Firmen besitzen soll, muss sich nur die ehemalige DDR angucken.“

Hä?

Staat Firmen besitzen?

Durch zwei Prozent Vermögenssteuer?

Haben Sie vielleicht doch nur zu heiß gebadet?

Aber im Ernst: Leute wie Sie scheinen die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes – „Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet.“ (§ 14.1) – prinzipiell als Lizenz zur schrankenlosen Anhäufung von Reichtum zu verstehen. Das blendet nur eine Kleinigkeit aus – die verfassungsrechtliche Sozialbindung: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ (§ 14.2 GG).

Es ist Ihnen natürlich vollkommen unbenommen, auszuwandern, sollte die Vermögenssteuer kommen. Dass Ihr überwiegend guter Ruf – einer, „der […] viele gute Arbeitsplätze, wirkliche Werte, geschaffen hat“ (FAS) – dann zwar perdu wäre, könnten Sie als Kollateralschaden wahrscheinlich eher verkraften als den Verkauf von drei Prozent Ihrer Aktien …

Jürgen Klinsmann, Wunderheiler des Hertha BSC – Was war das für ein großes Aufatmen, als Sie zusagten, den schier unaufhaltsamen Niedergang des Hauptstadtklubs (wie seine Schönschreiber ihn nennen) aufhalten zu wollen. Seitdem träumt man rund um das Berliner Olympiastadium von einem kleinen Sommermärchen. Dumm nur, Sie haben Ihre Trainerlizenz in „irgendeiner Schublade“ im kalifornischen Häuschen liegen lassen, als sie den Rettungsflieger Richtung Berlin bestiegen. Erworben haben Sie die Lizenz 2000 auf einem „Sonderlehrgang“; danach hätte die wie bei jedem anderen alle drei Jahre verlängert werden müssen – nach einer Weiterbildung im Umfang von 20 Lerneinheiten. Das sagen jedenfalls die Regeln des Deutschen Fußball-Bundes (DFB).

Natürlich hatten Sie „Weiterbildungen“, „[…] zum Beispiel in Mexiko und Brasilien, wo aber weniger auf Zertifikate geachtet wurde“. So zitiert BILD Tobias Haupt, Leiter der DFB-Akademie. Der weiß auch gleich eine Lösung: eine „Elite-Cheftrainer-Fortbildung“.

Auch beim Fußball sind natürlich alle gleich. Aber ganz wenige eben doch ein wenig gleicher. Es wäre ja noch schöner, wenn man Sie nach Kalifornien zurückgeschickt hätte, die Schublade im Nachtschränkchen aufräumen …

Ola Källenius, Daimler-Vorsitzender – Ihr Konzern, so Ihre Kernaussage Anfang Januar auf der Technologiemesse CES in Las Vegas, „will die Umwelt mit seinen Fabriken und Fahrzeugen nicht länger mit dem Klimakiller Kohlendioxid (CO2) oder Giftstoffen belasten“.

Eine wunderbare Botschaft in Zeiten des Klimawandels.

In praxi allerdings hat Ihr Konzern gerade erst den Mercedes-GLS, einen Luxus-SUV, auf den Markt gebracht: über fünf Meter lang, zweieinhalb Tonnen schwer, von null auf 100 Kilometer in 4,9 Sekunden und bis zu 250 km/h schnell – dank 489 PS. „Ein Auto wie eine Kriegserklärung“, hat es der frühere Chefredakteur von Spiegel und Manager Magazin, Wolfgang Kaden, auf den Punkt gebracht, um anschließend mit Blick auf Sie und die anderen Topmanager in Ihrer Stuttgarter Konzernzentrale zu fragen: „Denken sie überhaupt? Oder leben sie abgekapselt von ihrem gesellschaftlichen und ökologischen Umfeld in ihrer eigenen automobilen Parallelwelt?“

Wie sagt man bisweilen so schön? Die Frage stellen heißt sie beantworten.

Andrzej Szczypiorski, Zeugnis Ablegender – Als überlebender Kämpfer des Warschauer Aufstandes von 1944 erhielten Sie die Gelegenheit, Deutsch zu lernen – im KZ Mauthausen. Nach Kriegsende waren Sie jahrzehntelang loyaler Gefolgsmann des PVAP-Regimes in Warschau, Zusammenarbeit mit dessen Geheimpolizei inklusive, bevor Sie Anfang der 1970er Jahre ins Lager der Opposition wechselten.

1986 erschien (in Frankreich) Ihr Roman „Die schöne Frau Seidenmann“, in dem die jüdische Namensgeberin durch Annahme einer polnischen Tarnidentität und dank glücklicher Umstände dem Holocaust entrinnt, aber 1968 doch noch als Jüdin enttarnt und im Zuge der damaligen, von der PVAP-Führung veranlassten antisemitischen Säuberung suspendiert und aus dem Land getrieben wird.

Das Buch wurde in Polen verfemt und in der DDR geflissentlich ignoriert. Wohl nicht zuletzt, weil Sie jene Frau Seidenmann über den wesentlichen Unterschied der beiden schicksalhaften Wenden in deren Leben sinnieren ließen – nämlich über „die banale Wahrheit“, daß „Stuckler (der deutsche Verfolger im besetzten Warschau – die Redaktion) sie gar nicht gedemütigt, daß sie sich damals keinen Augenblick lang gedemütigt, erniedrigt, ihrer Würde beraubt, geschändet gefühlt hatte, weil Stuckler sie nur töten wollte, daß aber jene, die Jahre später in ihr Arbeitszimmer kamen und ihr nicht erlaubten, die Mappe mit den Papieren mitzunehmen, ihr mehr geraubt hatten als das Leben, nämlich das Recht, sie selbst zu sein, das Selbstbestimmungsrecht“.

In der BRD, in der genügend alte Nazis aus allen möglichen gesellschaftlichen Positionen inzwischen weggestorben waren und die 68er-Unruhen für ein verändertes innenpolitisches Klima gesorgt hatten, wurde das Buch sehr positiv aufgenommen – nicht mehr trotz, sondern auch wegen Feststellungen wie dieser: „Besser sein auf jedem Gebiet, unerreichbar sein, das ist deutscher Ehrgeiz. Am schönsten komponieren, am produktivsten arbeiten, am klügsten philosophieren, am meisten besitzen, am effektivsten totschlagen! […] gerade das ist der echte Wahnwitz.“.

Ihr Buch, das uns, wie wir zu unserer Schande gestehen müssen, erst jetzt in die Finger geriet, ist immer noch im Gewinn zu lesen. Oder – gerade jetzt wieder …

Thielo Seibel, begnadetes Schandmaul – In Ihrem kabarettistischen Jahresrückblick 2019 erzählten Sie dem Publikum, dass es da einen Satz des türkischen Zarewitschs Erdoğan gebe, der hätte das Zeug zum Zitat des Jahres: „Manche Familien sind halt sehr groß.“ Der stockenden Reaktion des Publikums halfen Sie mit dem Hinweis, man müsse allerdings schon wissen, in welchem Kontext der Satz gefallen sei, noch nicht wirklich auf die Sprünge. Aber dann: Das sei Erdoğans Antwort auf die Frage eines Journalisten, wieso es bei der jüngsten Wahl in der Türkei möglich gewesen sei, dass 600 Wahlberechtigte auf ein und dieselbe Zwei-Raum-Wohnung gemeldet waren …

Gabor Steingart, in dieser Rubrik kein Unbekannter – In Ihrem Morning Briefing vom 9. Januar schrieben Sie über Russlands Präsidenten: „Die Welt ist seine Bühne: Eben noch befuhr er in der Pose des Imperators die Straßen von Damaskus. Gestern weihte er mit dem türkischen Präsidenten Erdoğan eine neue Gaspipeline ein. Am Samstag lässt er die Kanzlerin im Kreml einfliegen. Gäbe es in Hollywood einen Oskar für den besten politischen Hauptdarsteller, hätte Putin ihn verdient: Der Pate. Die Neuverfilmung. Die Titelmusik zu dem Thriller schrieb Michail Kalaschnikow, der Erfinder des gleichnamigen Sturmgewehrs.“

Natürlich kann man Putin so sehen.

Wenn man allerdings in die Betrachtung einbezieht, dass ohne das Engagements Russlands unter Putin

  • Syrien heute ein weiterer jener Failed States wäre, die durch westliche Militärinterventionen – meist mit Washington an der Spitze – entweder angerichtet worden sind (wie Afghanistan, Irak und Libyen) oder zumindest befeuert wurden (wie in Somalia und demnächst wohl Mali) und heute ganze Regionen destabilisieren;
  • der IS wohl immer noch auf dem Vormarsch wäre und
  • der von den USA einseitig und ohne wirkliche Alternative aufgekündigte Atomdeal mit dem Iran gar nicht erst zustande gekommen wäre,

dann ist Ihre Suada, mit Verlaub, einfach nur – strunzdumm.

Da wir Sie aber auch schon ganz anders kennengelernt haben, lassen wir mal mildernde Umstände gelten: Jeder kann mal eine schlechten Tag haben …

Joe Kaeser, Siemens-Chef – Aus den Reihen der Umweltaktivisten bläst Ihnen ja seit einiger Zeit kräftiger Gegenwind um die Ohren, weil Siemens eine Signalanlage nach Australien liefern will. Ein 18-Millionen-Euro-Auftrag. Leider für ein Mega-Kohlebergwerk mit fünf Untertageminen und sechs Tagebaustätten, das dort gerade aus dem Boden gestampft wird und bis zu 60 Millionen Tonnen Kohle pro Jahr fördern soll. Quasi ein offenes Bekenntnis zu gesteigertem CO2-Eintrag in die Atmosphäre.

Da hatten Sie eine grandiose Idee: Sie boten der 23-jährigen Klimaaktivistin Luisa Neubauer, Deutschland-Sprecherin von „Fridays for Future“, einen Sitz im Aufsichtsrat der künftigen Siemens Energy AG – mit Vertrauen heischendem Augenaufschlag und der Bemerkung: „Ich möchte, dass die Jugend aktiv sich beteiligen kann. Der Konflikt zwischen Jung und Alt muss gelöst werden.“

Doch Luisa Neubauer lehnte ab und ließ Ihre Offerte als das erscheinen, was sie war – ein unmoralischer PR-Knallfrosch. Sie kenne das Aktienrecht, teilte die Aktivistin mit: „Mit dem Posten wäre ich den Interessen des Unternehmens verpflichtet und könnte Siemens dann nicht mehr unabhängig kommentieren.“

Darum merke: Halte niemanden für dümmer, als du im Zweifelsfalle selber bist!