von Clemens Fischer
Zum neunten Mal in Berlin und in Potsdam zum vierten Mal wird im späten Advent wieder Synagogalmusik erklingen – beim Louis-Lewandowski-Festival. Längst ein kultureller Höhepunkt unmittelbar vor den Festtagen.
Der Titel dieses Mal: „Südsterne“.
„Bisher waren wir“, so Festival-Direktor Nils Busch-Petersen, „sehr stark fokussiert auf den Übervater Lewandowski, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Berlin die jüdische Lithurgie durch Einbringung von Orgel und gemischtem Chor erneuerte und durchsetzte. Und zwar sehr stringent, sehr dominierend, fast im Stile von Bismarck. Zur gleichen Zeit aber vollzogen sich im süddeutschen Raum – in den lebendigen jüdischen Gemeinden von Heidelberg, Mannheim und vor allen Dingen auch in München – relativ eigenständige Parallelentwicklungen, die von Berlin aus nicht zu dirigieren waren, und die wollen wir in diesem Jahr dem Vergessen entreißen und zu Gehör bringen.“
Verbunden war diese Entwicklung mit den Namen solch bemerkenswerter Komponisten wie Maier Kohn (1802–1875), Max Löwenstamm (1814–1881) und Israel Meyer Japhet (1818–1892), um nur einige Namen zu nennen.
Das Festival wird sich aber nicht allein auf diese Zeitgenossen Lewandowskis beschränken, sondern auch die nachfolgende Generation synagogaler Musikschöpfer in süddeutschen Gefilden mit einfangen – etwa in Gestalt der Komponisten Emanuel Kirschner (1857–1938), Heinrich Schalit (1886–1976) sowie Hugo Chaim Adler (1894–1955).
„Adlers anspruchsvolles Werk ‚Balak und Bileam‘ von 1932“, erläutert Busch-Petersen, „ist seit der Nazizeit und der Shoa in Deutschland nicht mehr aufgeführt worden. Wir werden es während des offiziellen Eröffnungskonzertes des diesjährigen Festivals am 19. Dezember in der Potsdamer Nikolaikirche zur Aufführung bringen.“
Zu kurz kommen wird Louis Lewandowski aber trotzdem nicht, versichert der Festivaldirektor. Im Konzert „Louis’ Lieblinge“ am 20. Dezember werden Chöre und Kantoren vom Komponisten besonders geschätzte Stücke intonieren.
Bereits einen Tag vor der offiziellen Festivaleröffnung wird es erneut ein Pre-Opening-Konzert geben, doch dieses Mal (aus Termingründen) nicht im Berliner Roten Rathaus, sondern vis-à-vis im Alten Stadthaus, im dortigen historischen Bärensaal. Konzertieren wird der Moran Choir, aus Israel, bestehend aus vierzig jungen Sängern im Alter von 12 bis 18 Jahren. Naomi Faran schuf das Ensemble 1986 mit der Vision, Kindern Chor-Unterricht, musikalische Ausbildung und eine Plattform zu bieten, um die Faszination von Chormusik nicht nur in Israel sondern in der ganzen Welt zu verbreiten. Die Mitglieder des Chores stammen aus den verschiedensten Minderheiten Israels, darunter auch Menschen, die besondere Betreuung benötigen.
Des Weiteren werden die Festivalkonzerte in diesem Jahr von folgenden Chören und Instrumentalensembles bestritten:
- dem 1969 gegründeten Jerusalem Academy Chamber Choir mit 32 Mitgliedern, hauptsächlich Studenten und Absolventen der Jerusalemer Akademie für Musik und Tanz. Der Chor gilt als bestes professionelles A-Cappella-Ensemble in Israel und gewann Gold- und Silbermedaillen auf Wettbewerben in den USA und in Deutschland. Der Chor sang unter der Leitung so weltbekannter Dirigenten wie Leonard Bernstein, Kurt Masur und Daniel Barenboim.
- dem Baruch Brothers Choir aus Belgrad, der als „Serbisch-Jüdische Gesangsvereinigung“ bereits 1879 gegründet wurde, um das kulturelle und künstlerische Erbe sowie die Tradition des jüdischen Volkes auf dem Balkan zu pflegen. Der ursprüngliche Name wurde 1952 in den heutigen geändert – im Gedenken an drei Brüder aus der progressiv-revolutionären jüdischen Familie Baruch, die allesamt Mitglieder der Widerstandsbewegung und während der Pogrome des NS-Regimes im Zweiten Weltkrieg ermordet worden waren.
- dem 1969 gegründete Zamir Chorale of Boston, dessen 60 Mitglieder Musik aus Hunderten von Jahren, vier Kontinenten und in fast jedem Musikstil interpretieren. Das Repertoire umfasst jüdische liturgische Stücke, große klassische Werke, Musik des Holocaust, neue Kompositionen sowie israelische, jiddische und ladinoische Volkslieder. Der Chor will unterhalten, bilden und inspirieren.
- dem Synagogal Ensemble Berlin, gegründet 2002 und bestehend aus 8 bis 16 professionellen Sängern. Alle Ensemblemitglieder arbeiten an internationalen Opernhäusern und als freischaffende Konzertsänger, unter anderem auch im Chor der Berliner Synagoge Pestalozzistraße. Ziel des Ensembles ist, einem breiten Publikum die jüdische Liturgie und kantorale Musik mit dem Schwerpunkt auf der deutschen Tradition nach Louis Lewandowski nahe zu bringen.
- dem Saxofonquadrat. Die vier Berliner Musiker setzen sich seit 1997 über etablierte musikalische Genregrenzen und sozial etablierte Konzertgewohnheiten hinweg. Sie verwandeln den klassischen Konzertsaal in eine brodelnde Jazzbühne und den verruchten Szeneklub in einen andächtigen Kirchenraum. In durchaus respektvoller Manier mischen die Spieler dazu vielfältige Stile und Einflüsse der europäischen Musiktradition frech mit amerikanischem und europäischem Jazz.
Am Samstag, dem 21. Dezember dann wieder „Louis’ Lab“ in den Reinbeckhallen in Oberschöneweide mit seiner ganz eigenen Arbeitsatmosphäre: Drei Chöre (Moran Choir, Zamir Chorale of Boston, Jerusalem Academy Chamber Choir) und Saxofonquadrat werden nicht nur performen, sondern die Chöre werden auch jeweils ein Stück zusammen mit dem Publikum einstudieren. „Bei diesem Format“, erzählt Nils Busch-Petersen, „gibt es inzwischen regelrechte Stammhörer.“ So ordere ein Chor aus Kiel alljährlich 25 Karten und reise extra für dieses Konzert und zum Mitsingen an. Auch das anschließende gemeinsame Abendbrot mit Chören und Gästen sei sehr beliebt.
Unter Beteiligung aller Chöre und traditionell in der Berliner Synagoge Rykestraße wird am 22. Dezember das große Abschlusskonzert stattfinden.
Louis Lewandowski Festival: „Südsterne“, 19.–22. Dezember 2019 (mit Pre-Opening Konzert am 18.12.). Weitere Informationen zum Programm, den Veranstaltungsorten und Anfangszeiten im Internet; Kartenreservierungen unter reservierung@louis-lewandowski-festival.de.
Zutritt zum Pre-Opening-Konzert nur für geladene Gäste.
Der Eintritt zum Eröffnungskonzert in Potsdam ist frei.
Schlagwörter: Chor, Clemens Fischer, Israel, Louis Lewandowski Festival, Musik, Nils Busch-Petersen, Synagoge