von Petra Erler
Russland wird seit Jahren verdächtigt, die westlichen Demokratien unterminieren zu wollen. Falls dem so sein sollte, kann es getrost die Hände in den Schoß legen. Das erledigt die politische Klasse in den USA mittlerweile selbst. Regime change ist im Mutterland angekommen. Trump muss weg, je eher desto besser, schrieb Admiral McRaven in der New York Times am 17. Oktober.
In der Schlacht zwischen Republikanern und Demokraten sind ganz neue Trennlinien entstanden. Erbittert wird gestritten, wer der eigentliche Verschwörer ist. Sind es die Demokraten um Hillary Clinton, denen jedes Mittel recht ist, um Donald Trump eine Russlandverstrickung anzuhängen und ihn abzusetzen? Oder ist das eine Verschwörungstheorie der Republikaner? Umfragen belegen, dass die Demokraten ihre Skepsis gegenüber den Geheimdiensten verloren haben, während sie sich auf republikanischer Seite aufbaut.
Für die einen ist Trump die Personifizierung des Bösen, die anderen halten ihn nachgerade für einen Heilsbringer. Aber die schwerwiegende Verdächtigung der Demokraten, Trump könnte durch Russland kompromittiert sein, ist das eigentliche Gift. Dagegen verblasst alles, was man ihm zu Recht anlasten könnte. Da nichts bewiesen wurde, steht Trump allerdings wie ein Unschuldslamm da. Dennoch blasen die Demokraten unentwegt ins gleiche Horn. Nancy Pelosi, Sprecherin des Kongresses, erklärt, bei Trump „führe die Spur (immer) zu Putin“. Joe Biden nutzt die Gelegenheit, seine Wahlkampfkasse aufzumöbeln: Ob 1 Dollar, 5 oder 10 – alles für den Kampf gegen Putin. Hillary Clinton twitterte, Trump sei ein „illegitimer“ Präsident, als wäre die Wahl 2016 auf einen Coup zurückgegangen. Sie bleibt überzeugt, dass Russland „Kompromat“ zu Trump hat. Das gab die Washington Post genauso kommentarlos wieder wie Clintons beweislose Unterstellung, die demokratische Präsidentschaftskandidatin Tulsi Gabbard werde von „den Russen“ „kultiviert“. New York Times und MSNBC stimmten in den Chor ein, Kommentatoren bei CNN und der Sender FOX hielten dagegen.
Die Abgeordnete Tulsi Gabbard ist eine Außenseiterin im demokratischen Vorwahlkampf. Aber sie ist die Anti-These zu Clinton. Sie will eine nichtinterventionistische Außenpolitik. Träfe zu, was Frau Clinton unterstellte, hätte sie Hochverrat verübt, was in den USA mit dem Tod bestraft wird. Denn Gabbard ist Kriegsveteranin und aktive Offizierin der Armee. Als Bernie Sanders ihr zur Seite sprang, wurde er prompt auf Twitter ebenfalls als russischer Spion verunglimpft. Dank Hillary Clinton richtet sich die Verdächtigung, im Dienste Moskaus zu stehen, 2019 nicht allein gegen Trump. Sie wurde zum Mittel des Meinungskampfes innerhalb der demokratischen Partei. Das kann desaströse Folgen haben. So werden die tatsächlichen Interessen einer Mehrheit der Bürger negiert. Die Interessen der Verbündeten der USA spielen erst recht keine Rolle.
Wird Trump die Amtsenthebung angedroht, weil er völkerrechtswidrig exterritoriale Todesurteile verhängt, die von Drohnen vollzogen werden? Oder weil er zur „Vergeltung“ mutmaßlicher Giftgasattacken Syrien bombardierte? Da, so wurde kommentiert, benahm er sich „wie ein richtiger Präsident“. Der demokratische Vorwurf lautet, Trump gefährde die Sicherheit der USA. Wodurch? Durch den Ausstieg aus dem Pariser Klimaschutzabkommen? Durch die Kündigung des Vertrages über Kurz- und Mittelstreckenwaffen? Durch das Aufkündigen des Iran-Abkommens? Durch die Blockade der UNO-Mitgliedsbeiträge? Oh, nein. Obwohl alle diese Vorgänge große Fragen für die Sicherheit der USA, ja der ganzen Welt aufwerfen.
Was ist ein echter Verfassungsbruch in den USA: Die strafrechtliche Anklage eines Publizisten und Verlegers als Spion wegen der Enthüllung von Kriegsverbrechen 2010 (Julian Assange), vor der die Obama-Regierung aus Respekt vor der Verfassung zurückschreckte? Für den Ersten Verfassungszusatz machen die Demokraten, wenn es um Assange geht, keinen Finger krumm. Aber wenn es Trump darum geht herauszufinden, wer an der Quelle der Russland-Vorwürfe gegen ihn saß (laut Foreign Policy ist das eine rechte Verschwörungstheorie; auf Seiten der Trump-Regierung inzwischen eine strafrechtliche Untersuchung) und wie es die Biden-Familie schaffte, gleichzeitig politisch einflussreich zu sein und lukrative Einkommensquellen zu erschließen, dann wird die Amtsenthebung verbal in Gang gesetzt.
Was die Bidens betrifft, stelle man sich eine vergleichbare Konstellation in Deutschland vor: Der Vater ein einflussreicher Außenpolitiker; dem Sohn verhelfen interessierte ausländische Kreise zu gutdotierten Jobs. Hierzulande wäre solches parteiübergreifend sofort scharf verurteilt worden. Wer das in den USA nicht sehen will, dem verrutschen die Maßstäbe.
Die Demokraten um Clinton müssen sich zuschreiben lassen, dass sie Trump erlaubt haben, die tiefen Verunsicherungen und Spaltungen in der Gesellschaft zu okkupieren. 2016 erschien Trump, der sich als Teil des zornigen Volks gegen das Establishment präsentierte, als kleineres Übel im Vergleich zu Hillary Clinton. Harvard-Studien belegen das. Wer das nicht verstehen will, sondern die Ursache in Russland sucht, verkennt die Probleme einer entsolidarisierten Gesellschaft. Gerade prognostizierte Moody’s, dass Trump 2020 erneut siegt. „It’s the economy, stupid“, denn die brummt. Schon orakelt die New York Times, die Demokraten könnten einen weißen Ritter in den Vorwahlkampf schicken, weil Biden schwächelt. Hillary Clintons Name fällt erneut.
Zu fragen ist, was in den USA durch den Schulterschluss von Marktradikalität und unerschütterlichem elitären Glauben an die amerikanische Bestimmung schief lief? Mangels konsequenter Regeln zur Parteienfinanzierung wurde politische Macht käuflich. Jegliche Neutralität in den Medien wurde aufgegeben. Sowohl Republikaner als auch Demokraten, in Gemeinschaft mit Geheimdiensten, haben die Weltöffentlichkeit zum Zwecke der globalen Kriegsführung und von regime change belogen und betrogen. Wie verändert es ein Land, wenn es seit 2001 im permanenten Kriegszustand ist, mit ungezählten kriegsversehrten Veteranen? Wie verändert sich öffentliches Bewusstsein, wenn Kriegslügner und Folterknechte ungestraft bleiben? Für viele in den USA, auf der ganzen Welt, war die Obama-Präsidentschaft eine Hoffnung. Aber „Yes we can“ blieb ein Slogan. Unter Obama wurde unübersehbar, wie weit der Rechtsruck der Demokraten, den Clinton in Gang gesetzt hatte, gediehen war. Und dann kam die Trump-Präsidentschaft. Inzwischen prügeln die Eliten der USA aufeinander ein, als wären sie im Krieg.
„Ukrainegate“ zeigt, wie gefährlich es ist, wenn ein politisches Narrativ geschrieben wird, bei dem die Fakten zum Apercu werden und der Wähler zur Nebensache. Die Demokraten erklären Trump zum Täter und Biden zum Opfer einer Wahlkampfintrige. Das veröffentlichte Transkript offenbart ein jämmerliches Telefonat, aber das behauptete quid pro quo fehlt. Der ukrainische Präsident verneint jeden Druck von Trump. Mehr als Hörensagen haben die Demokraten nicht in der Hand. Umgekehrt nutzen die Republikaner eine Videoaufzeichnung gegen Biden. Weil der 2018 öffentlich von einem quid pro quo schwadronierte. Er hätte den Ukrainern das Messer auf die Brust gesetzt, ihren korrupten Generalstaatsanwalt Wiktor Schokin, „diesen Hurensohn“, binnen sechs Stunden – bis zu seinem Abflug – zu entlassen. Sonst gäbe es keine Milliardenhilfe aus den USA. Aber was Biden 2018 vor laufender Kamera schwätzte, hält keiner sachlichen Prüfung stand. Laut Washington Post soll sich alles im Dezember 2015 abgespielt haben. Tatsächlich war Biden im Dezember 2015 in der Ukraine und kündigte vor der Rada 190 Millionen Dollar Hilfe zur Korruptionsbekämpfung an. Aber erst im März 2016 musste Schokin seinen Hut nehmen. Jene dramatischen sechs Stunden kann es also im Dezember 2015 nicht gegeben haben. Allerdings telefonierte Joe Biden im Februar 2016 zweimal in die Ukraine. Nachdem, laut Interfax Ukraine, Schokin am 4. Februar 2016 das Vermögen des Gründers von „Burisma“, (des Unternehmens, bei dem Bidens Sohn seit dem Frühling 2014 für ein Salär von monatlich 50.000 Dollar oder mehr im Direktorium saß) konfiszieren lassen hatte. Folglich kann Schokin die Untersuchung von „Burisma“ damals nicht so verschleppt haben, wie das heute behauptet wird. Den genauen Inhalt der Biden-Telefonate im Februar 2016 diskutiert niemand.
2014 holte „Burisma“ allerdings nicht nur zwei gut vernetzte US-Amerikaner ins Direktorium. Es startete gleichzeitig eine massive Lobbykampagne in den USA. Mit von der Partie war ein ehemaliger Mitarbeiter des damaligen Außenministers John Kerry. „Burisma“ ging es um Hilfen für die Erschließung einheimischer Energieressourcen, sein Kerngeschäft. Politisch, so hieß es, sollte die Abhängigkeit der Ukraine von Russland reduziert werden. Times berichtete darüber am 8. Juli 2014. Wie der Zufall es wollte, wurden 2014 tatsächlich derartige Hilfen Teil des Unterstützungsprogramms der USA für die Ukraine. Und wer ist der Eigentümer von „Burisma“? Laut Deutsche Welle vom 16. Mai 2014 wird das wie ein Staatsgeheimnis behandelt. Zwei Namen wurden genannt: der Oligarch Pintschuk (ein Hauptsponsor der Clinton-Stiftung) und der Oligarch Kolomoyski, ein Unterstützer des heutigen ukrainischen Präsidenten.
Demokratie braucht Transparenz und Fakten. Sie gerät in die Krise, wenn politische Gegner sich wechselseitig als Verschwörungstheoretiker abqualifizieren, wenn man gedankenlos daherplappert, was man gerne glauben will. Sie nimmt schwersten Schaden, wenn Narrative erfunden werden, um den Wähler zu manipulieren. Die Wurzel des Übels liegt in der Politik. Das Wall Street Journal zitierte kürzlich Frau Clinton, die sich über die heutige Medienwelt beklagte: Sie mache es den Amerikanern sehr viel schwerer zu erkennen, „was sie zu glauben haben“. Da lag die despotische Sehnsucht nackt und bloß. Laut Untersuchung von McLouglin vom 24. Oktober zum Amtsenthebungsverfahren stärkt der Coup der Demokraten Trumps Wählerbasis.
Schlagwörter: Amtsenthebung, Donald Trump, Hillary Clinton, Joe Biden, Petra Erler, Ukraine