22. Jahrgang | Nummer 22 | 28. Oktober 2019

Film ab

von Clemens Fischer

Wer immer noch daran glaubt, dass jeder seines Glückes Schmied ist, den wird „Parasite“ wohl auch nicht vom Gegenteil überzeugen. Aber alle anderen werden sich in ihrem berechtigten Skeptizismus kraftvoll bestärkt sehen.
Dass der südkoreanische Regisseur und Drehbuchmitautor Bong Joon Ho für seinen Film beim diesjährigen Festival in Cannes die Goldene Palme abräumte, geht in Ordnung. Was allerdings nicht bedeutet, dass man den Streifen Menschen mit schwachen Nerven oder niedriger Ekelschwelle empfehlen sollte.
Für Zeitgenossen hingegen, die sich mit dem Gedanken an den Erwerb oder auch nur ans Mieten einer Souterrainwohnung tragen, ist „Parasite“ ein Must. Bong Joon Ho illustriert sehr einprägsam, dass sich bei entsprechender Wohnlage zwar regelmäßig Betrunkene vor dem Wohnzimmerfenster übergeben, respektive dort ihr Wasser abschlagen, dass dies jedoch allenfalls minder relevante Gründe sind, auf einen Umzug nach unten doch tunlichst zu verzichten.
Auch für gut betuchte Haushalte mit Angestellten ist der Film Bildungskino und Lebensberatung zugleich. So vermögen zum Beispiel, wie der Regisseur sehr subtil inszeniert hat, wiederholte olfaktorische Anspielungen und Spitzen der Herrschaft, wenn sie unbeabsichtigt an das Ohr der solcherart übel besprochenen Domestiken dringen, allmählich ein Spannungspotenzial zu kumulieren, dessen Entladung in ihrer destruktiven Wucht der Explosivkraft zugespitzter elementarer Klassengegensätze nicht nachsteht.
Apropos: Wenn die „Geschichte aller bisherigen Gesellschaft […] die Geschichte von Klassenkämpfen [ist]“ (Marx/Engels, Kommunistisches Manifest), dann bereichert „Parasite“ das Spektrum der historischen Möglichkeiten um eine, bei der die unten genau solche Schmarotzer sind wie die oben. Das ist dank des Schöpfers Anleihen bei Altmeistern des schwarzen Humors wie Roald Dahl oder Stanley Ellin zwar höchst amüsant, aber historischer Fortschritt ist dann schlechterdings nicht mehr zu erwarten.
„Parasite“; Regie und Drehbuch (Mitautor): Bong Joon Ho. Derzeit in den Kinos.

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Dieser farbige Schwarz-Weiß-Film erhält vom Besprecher ohne Zögern das Prädikat „besonders wertvoll“. Denn er enthält alles, was Kinder und Jugendliche heute über die DDR wissen müssen, ohne zu grüblerischem, womöglich desorientierendem Differenzieren verführt zu werden: Die Lebensumstände der Menschen und ihre Behausungen waren durchgängig grau und trist. In den Städten kurvte außer stinkenden Trabbis nichts herum. Eltern waren überwiegend duckmäuserische Opportunisten, die sich allenfalls aus der Deckung wagten, als der Flüchtlingsstrom über Ungarn bereits Löcher in die staatlichen Fundamente geleckt hatte. Die Lehrer in den Schulen waren ausnahmslos ideologisch verbohrte dogmatische Despoten, die die Kinder den ganzen Tag kujonierten und dazu missbrauchten, nicht völlig angepasste Exemplare vom weiteren Bildungsgang auszuschließen. Über allem schwebte ein ubiquitärer Argus – die Stasi. Und überhaupt waren alle hinter einem martialischen Grenzzaun eingesperrt, an dem Menschen erschossen wurden, und durften nicht einmal ihre Oma im Westen besuchen.
Als der Zaun 1989 endlich fiel, sanken sich die Menschen aus Ost und West dauerbeglückt in die Arme.
Ende der Geschichte, respektive des Films.
In diesem Stil pathologisch-lustvoller Simplifizierungen wurde früher in der DDR durch Karl Eduard von Schnitzler und das Neue Deutschland gern über die BRD berichtet. Und ebenso gern wurde dies von der anderen Seite plumpe Propaganda geheißen. Oder ganz einfach – Hetze.
Nach diesem Film einem elfjährigen Enkel erklären zu wollen, wie es sich in der DDR außerdem auch noch lebte und warum Oma und Opa nicht ebenfalls nach Ungarn aufgebrochen sind, ist eine ganz schöne Herausforderung …
„Fritzi – Eine Wendewundergeschichte“, Regie: Ralf Kukula, Matthias Bruhn.