von Ulrich Busch
In Deutschland geht gegenwärtig die Angst davor um, Populisten könnten die Rathäuser erobern oder als Wahlsieger in einige Landesparlamente einziehen. In anderen Staaten bilden sie bereits die stärkste politische Kraft und bestimmen die Regierungspolitik. So in Polen und in Ungarn, vor allem aber in Italien. Seitdem Matteo Salvini und Luigi Di Maio in Rom das Sagen haben, hat sich dort einiges verändert: Der Ton gegenüber Brüssel und der Europäischen Union ist ein anderer geworden, Ausländerfeindlichkeit und Fremdenhass haben zugenommen und im ganzen Land verbreitet sich ein Nationalismus, wie man ihn in Europa seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt hat.
Der neue Politikstil und veränderte Tonfall betrifft keineswegs nur die Flüchtlings- und Integrations-, Europa- und Außenpolitik, sondern auch die Wirtschafts-, Finanz-, Geld- und Sozialpolitik. Während man in Berlin, Paris, Madrid und Brüssel noch davon ausgeht, dass der Populismus, keine eigenständige Ideologie darstelle und ihm folglich auch keine spezifischen Inhalte oder Programme zugeordnet werden können, er vielmehr nur eine besondere Diskursstrategie verkörpere, womit eine „politische Frontlinie“ aufgebaut werde, welche die Gesellschaft „in zwei Lager aufteilt und zu einer Mobilisierung der ‚Benachteiligten‘ gegen ‚die ‚an der Macht‘ aufruft“ (Chantal Mouffe), praktiziert Salvini mit seiner Mannschaft inzwischen ein eigenes politisches Programm. Dies orientiert sich erwartungsgemäß an den Prinzipien des Neoliberalismus und ist insofern nicht wirklich neu. Es aber lediglich auf nationalistische und antieuropäische Rhetorik reduzieren zu wollen, würde ihm auch nicht gerecht werden und griffe inhaltlich entschieden zu kurz.
Bei dem, was in Italien gegenwärtig als „Politik“ propagiert und praktiziert wird, handelt es sich um einen Mix aus rechtsliberalen, nationalistischen und linksvoluntaristischen Maßnahmen, welche in populistischer Manier offeriert beziehungsweise umgesetzt werden. Dabei bedienen sich die Politiker und „Macher“ einer auffälligen Strategie und Aktionsform mit besonderem Sprachstil, medienwirksamen Auftritten vor laufenden Kameras und karnevalesken Events. In Italien hat dies bekanntlich seit Berlusconi eine unrühmliche Tradition. Diese setzt sich nun fort. Dabei verlieren die zuvor im Wahlkampf eingeübten Phrasen und Gesten einer Scheinopposition gegenüber dem Neoliberalismus zunehmend an Bedeutung. Dafür nehmen die Positionen der Regierungsprotagonisten immer mehr nationalistische und autoritäre Züge an. Es zeichnet sich immer deutlicher ab, dass die italienischen Populisten ein postdemokratisches, konservatives und teilweise rechtsextremes Gesellschaftskonzept vertreten. Dies muss zwangsläufig mit den in der Europäischen Union dominierenden Vorstellungen kollidieren. Und tut dies auch. Zunächst in Worten und Meinungsstreitigkeiten, dann in Maßnahmen und Handlungen, schließlich im Bruch.
Auf ökonomischem Gebiet betrifft dies vor allem die Auseinandersetzungen um den Staatshaushalt Italiens, welcher den Vorgaben der Europäischen Union nicht entspricht. Dieser Streit konnte, nachdem er 2018 schon einmal zu eskalieren drohte, im Winter beigelegt werden. Jetzt, nachdem neue Zahlen vorliegen, droht er erneut aufzuflammen. Den Hintergrund dafür bildet die Tatsache, dass es die Regierung in Italien nicht geschafft hat, den Anstieg der Staatsschulden zu begrenzen. Da zugleich die wirtschaftliche Entwicklung des Landes stagniert, nehmen die Probleme sichtlich zu und der Ton wird schärfer. Normalerweise führt ein solches doppeltes Versagen der Politik zu einem Imageverlust der Politiker, zu deren Rücktritt oder Abwahl bei Neuwahlen. Dies gilt jedoch nicht für eine populistische Regierung wie die in Italien. Hier folgten auf die wirtschaftlichen Fehlschläge und das Versagen Salvinis keine Kritik an der Regierung, sondern ein Zusammenrücken des Volkes und eine Solidaritätsbekundung mit der Regierung. Dies ermunterte Salvini, gegenüber Brüssel nun erst recht auf Konfrontationskurs zu gehen und eine Provokation nach der anderen zu wagen. Die zuletzt von ihm ins Gespräch gebrachte Einführung einer Parallelwährung zum Euro in Gestalt von „Mini-Bots“ bildet den bisherigen Höhepunkt dieser Konfrontation. Von der Einführung dieser Schuldscheine mit kurzer Laufzeit und kleiner Stückelung, womit heimische Lieferanten öffentlicher Auftraggeber bezahlt werden sollen und welche der Staat zur Begleichung von Steuerschulden akzeptieren will, verspricht sich die Regierung in Rom eine Belebung der wirtschaftlichen Aktivität bei gleichzeitiger Reduktion der staatlichen Schuldenlast.
Italien will mit diesem „Trick“ erreichen, dass der Ausweis seiner Schulden geringer wird, da die Mini-Bots bei der Zusammenrechnung der staatlichen Schulden nicht mitgerechnet würden. Zudem droht Salvini damit, die Schuldscheine als Parallelwährung auszugeben, womit möglicherweise ein Ausstieg aus dem Euro-System vorbereitet werden soll. Der Präsident der Europäischen Zentralbank Mario Draghi reagierte darauf prompt: Entweder sind die Mini-Bots gesetzliches Zahlungsmittel, dann sind sie „illegal“. Oder sie sind es nicht, dann sind es Schuldtitel, die bei der Aufrechnung der Staatsschulden mitzuzählen sind. Das ist eine klare Ansage. Darauf müssen die italienische Regierung und die Europäische Kommission nun reagieren. Italien hat bereits regiert, indem es ungeachtet aller Kritik die Emission von Mini-Bots beschlossen hat. Nun liegt der Ball bei der EU. Der nächste Schritt wird die Einleitung eines Strafverfahrens wegen überhöhter Staatsverschuldung sein. Darüber werden die EU-Finanzminister im Juli abstimmen. Und sie werden dem wohl zustimmen. Im Handelsblatt war darüber zu lesen: „Dass die Schuldenmacherei irgendwann in eine Staatspleite führt, hat Griechenland eindrucksvoll vorgeführt. Italien ist (noch) nicht an diesem Punkt.“ Aber „das Land wird von fiskalpolitischen Hasardeuren regiert, die ihre Bevölkerung systematisch gegen die EU aufhetzen.“ Wenn es hier nicht bald zu einer Lösung kommt, droht ein Desaster – für Italien und für die EU.
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