22. Jahrgang | Nummer 10 | 13. Mai 2019

Druckpolitik gegen Teheran

von Erhard Crome

Mike Pompeo ist seit dem 26. April 2018 Außenminister der USA. Am 7. Mai 2019 wollte er erstmals Deutschland besuchen und hatte Termine nicht nur mit Außenminister Heiko Maas, sondern auch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. Findige Beobachter haben ausgezählt, dass Pompeo seit Amtsbeginn 420.000 Flugkilometer zurückgelegt hat und bisher 38 Länder besuchte. Deutschland lag bisher nicht am Wege. Es hieß zunächst, um 14.45 Uhr werde er an diesem Dienstag in Berlin-Tegel landen. Um 11.00 Uhr wurde mitgeteilt, der Termin müsse „leider“ und „wegen dringender Angelegenheiten“ abgesagt werden. Es solle „schnell“ ein neuer gefunden werden. Anschließend heuchelte eine Mitteilung aus dem Auswärtigen Amt diplomatisch: „Außenminister Maas drückte sein Verständnis für die Terminverschiebung aus.“ Hatte er das ernst gemeint und sich erbötig gemacht, auch noch die zweite Wange hinzuhalten?
Um die Mittagszeit wurde in den Medien gemutmaßt, es sei mit einem baldigen Militäreinsatz der USA gegen Venezuela zu rechnen; „Sicherheitsberater“ John Bolton hätte diesbezügliche Bemerkungen gemacht. Allerdings hieß es bald von russischer Seite, Außenminister Sergej Lawrow und Pompeo hätten sich am Montag in Finnland am Rande des Arktischen Rates getroffen; dies sei ausgeschlossen.
Schließlich stellte sich heraus, Pompeo war nach Bagdad geflogen und traf dort am Dienstagabend mit Regierungschef Adel Abdul Mahdi und Präsident Barham Saleh zu Gesprächen über die sich verschärfende Konfrontation zwischen den USA und dem Iran zusammen. Beide Politiker hätten zugesichert, die Interessen Washingtons im Irak zu schützen. Pompeo warnte vor einem „unmittelbar bevorstehenden“ Angriff des Iran. Auf wen und warum, blieb offen.
Am Mittwoch war Pompeo dann wieder planmäßig in London. Damit war Berlin brüskiert. Norbert Röttgen, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages von der CDU, wehklagte: „Selbst wenn es sich um unabweisbare Gründe für die Absage handeln sollte, passt sie leider in das aktuelle Klima im Verhältnis der beiden Regierungen.“ Das ist wieder eine abwiegelnde Interpretation. Es geht nicht um die Regierungen, sondern die beiden Länder. Allerdings unter der Voraussetzung, dass die Trump-Regierung die USA nicht nur in machtpolitischen und militärischen Konkurrenzen mit China und Russland, sondern auch im Handelskrieg mit China und Deutschland beziehungsweise. der EU sieht. Alexander Graf Lambsdorff, FDP-Außenpolitiker, wurde deutlicher. Eine solche Absage sei „hochgradig unüblich“. Wenn Pompeo „seinen Europabesuch jetzt in Grönland fortsetzt, hieße das, dass den Amerikanern zurzeit Grönland wichtiger ist als Deutschland“. Das war die ursprüngliche Reiseplanung, nach Berlin und London ein Besuch in Grönland, doch den hat Pompeo dann auch abgesagt.
Hier aber geht es nicht darum, wie „wichtig“ Deutschland ist, sondern um die Droh- und Druckpolitik der USA gegen den Iran. Deutschland hatte zunächst gemeinsam mit Großbritannien und Frankreich sowie in Übereinstimmung mit China und Russland erklärt, trotz Aufkündigung des Atomabkommens durch die USA den Vertrag als Ganzes erhalten zu wollen. Das hätte jedoch erfordert, die Wirtschaftssanktionen der USA gegen den Iran auszugleichen und durch Fortsetzung und Erweiterung des Austausches zu kompensieren. Das hat von Seiten etwa der deutschen Exportwirtschaft von Anfang an nicht funktioniert. Die USA stiegen nicht nur aus dem Abkommen aus, sondern verhängten gegen den Widerstand der europäischen Staaten scharfe Finanzsanktionen für Iran-Geschäfte, darunter sogenannte Sekundärsanktionen. Durch die sollen etwa europäische Firmen vom amerikanischen Markt und vom US-Dollar abgeschnitten werden, wenn sie mit Iran Geschäfte machen. Deutsche Firmen lieferten im Jahre 2017 Waren im Wert von 111,5 Milliarden Euro in die USA und für knapp 3 Milliarden Euro in den Iran. Kein großes Exportunternehmen will sich wegen des Irans das große USA-Geschäft vermasseln lassen. Daran konnte auch nichts ändern, dass Deutschland, Frankreich und Großbritannien im Februar eine Zweckgesellschaft „Instex“ mit Sitz in Paris gegründet hatten, die als eine Art Tauschbörse konzipiert wurde, um unabhängig vom Dollar Iran-Geschäfte zu machen. Ob und in welchem Maße Russland und China, die ja ihrerseits genügend aktuelle Konfliktfelder mit den USA haben, sich aufraffen, diese wegen des Irans auszuweiten, bleibt abzuwarten.
Jetzt drohte der iranische Präsident Hassan Ruhani, wenn die fünf Mächte nicht bis Anfang Juli einen Weg finden, den durch die US-Sanktionen fast zum Erliegen gebrachten iranischen Ölexport erneut auszuweiten, könnte der Iran die Urananreicherung wiederaufnehmen. Außenminister Maas machte jetzt dasselbe falsche Spiel, wie nach der Aufkündigung des INF-Vertrages durch die USA: er bedauert und verurteilt, aber nicht die USA, sondern jetzt Iran, wie damals Russland. Deutschland wolle mit den anderen Partnern an dem Atomabkommen festhalten und fordere den Iran auf, dies ebenfalls zu tun. Nur, was hat der davon, wenn Deutschland und andere Staaten nicht in der Lage sind, im Gegenzug wie vereinbart die wirtschaftliche Zusammenarbeit zu entwickeln?
Der Iran hält bisher das Atomabkommen ein. Die USA haben jedoch längst einen ganz anderen, ziemlich langen Forderungskatalog: der Iran soll sich zunächst aus seinen Einflussmöglichkeiten in Irak und Syrien zurückziehen. Dabei wird völlig ausgeblendet, dass der Krieg gegen den Irak und in Syrien gegen die Assad-Regierung die Räume erst schuf, in die iranischer Einfluss einrücken konnte. Er soll die schiitische Hisbollah in Libanon nicht mehr unterstützen. Und die Entwicklung ballistischer Raketen einstellen. Am Ende kommt noch die obligate Forderung nach „Menschenrechten“ à la Washington, am liebsten der Regime-Change.
Diese Politik wollte Donald Trump eigentlich beenden. Das gilt aber offenbar nicht für den Iran.
Sigmar Gabriel hat ein außenpolitisches Buch publiziert, in dem er auch einige persönliche Erlebnisse seines Intermezzos im Auswärtigen Amt beschreibt. Darunter über ein Treffen der Teilnehmer des Atomabkommens – China, Russland, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, die EU, die USA und Iran – im September 2017 in New York. Für die USA nahm der damalige Außenminister Tillerson teil, aus dem es dann nach kürzester Zeit „herausbrach“: er könne sich noch gut an die Besetzung der US-Botschaft in Teheran 1979 erinnern. Worauf der iranische Vertreter entgegnete, er könne sich noch gut erinnern, dass die USA und ihre westlichen Verbündeten den Giftgaseinsatz Saddam Husseins 1988 gegen den Iran stillschweigend duldeten. Gabriel resümiert, es ging um weit mehr, als ein Abkommen zur Verhinderung einer Nuklearwaffenfähigkeit. „Zwischen den USA und dem Iran steht noch immer ‚das Reich des Bösen‘, zu dem sich beide Staaten gegenseitig seit der iranischen Revolution 1979 erklärt haben.“ Mittlerweile haben die USA die iranischen Revolutionsgarden, eine reguläre Streitkräfte-Formation, zur „terroristischen Organisation“ erklärt, worauf der Iran die US-Streitkräfte in der Region zu Terroristen erklärte. Eine zusätzliche US-Flotte mit dem Flugzeugträger „Abraham Lincoln“ sowie eine Staffel schwerer B52-Bomber wurden auf den Weg in die Golfregion geschickt. Der Konflikt ist im Eskalationsmodus und keine Aussicht auf Entspannung.
Die Nicht-Besuchsdiplomatie ist Teil der Drohpolitik der USA, um eine deutsche Eigensinnigkeit in Sachen Iran zu brechen. Das pflaumenweiche Agieren von Heiko Maas verheißt, es wird funktionieren.