22. Jahrgang | Nummer 5 | 4. März 2019

Antworten

Angela Merkel, originell noch auf der Zielgeraden – Auf der Münchner Sicherheitskonferenz Mitte Februar votierten Sie für eine „gemeinsame Kultur der Rüstungsexporte“ in Europa. Also wirklich – innovativ noch auf den letzten Metern! Abgesehen davon, dass wir die Begriffe „Kultur“ und „Rüstungsexporte“ noch nie in einem Atemzug gehört haben, dürften Sie damit einen frühen Kandidaten für das Unwort des Jahres 2019 geliefert haben.

Volker Rühe, gewesener Bundesverteidigungsminister – Da mühen sich die einheimischen und andere Gegner der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 nach Kräften, Panik vor einer Unterwanderung durch Moskau zu verbreiten – an vorderster Front BILD, das alte Sturmgeschütz für die groben Kaliber: „Mit dem Gas fließt auch Putins schädlicher Einfluss nach Deutschland.“
Gruselig!
Aber es kommt noch schlimmer: Die Pipeline „wird Geld in Putins Kriegskasse spülen“, unter anderem um „illegale Mittelstreckenraketen“ zu finanzieren.
Und dann kommen Sie daher und trällern: „Ich finde gegenseitige Abhängigkeit gut. Russland ist von den Gasexporten aus Westsibirien nach Europa abhängig. Ich habe mich immer dafür eingesetzt, dass bei der Produktion, den Pipelines und der Versorgung gegenseitige Abhängigkeiten gestärkt werden. […] In Nord Stream 2 sehe ich keine zusätzlichen bedrohlichen Abhängigkeiten für Europa.“
Da werden die Herren im Hause Springer wohl not amused sein. Sie sollten sich auf Gegenwind einstellen …

Erhard Eppler, SPD-Veteran – „Ein Bündnis wie die NATO hat für Trump nur dann einen Sinn, wenn die Bündnispartner für den Schutz, den sie erhoffen und erwarten, mit Gehorsam bezahlen“, schrieben Sie in einem Beitrag fürs IPG Journal. Wenn die Europäer nun meinten, „so habe man nicht gewettet, dann müssen sie versuchen, ihr Verhältnis zu dem Staat zu verbessern, vor dem sich viele – keineswegs alle – Europäer fürchten: Russland.“ Ob Ihr Genosse Außenminister Heiko Maas den Rat gelesen hat? Wahrscheinlich hat er abgewinkt: „Lass doch den Alten reden.“

Gerhard Müller, Kurienkardinal – Sie gelten als erzkonservativer Knochen und wurden von Papst Franziskus 2017 als Chef der Inquisition, pardon, das heißt heute Glaubenskongregation, abgelöst. Dass Sie auf Ihren irdischen Chef nicht gut zu sprechen sind, daraus machen Sie kein Geheimnis. Gerade bescheinigten Sie dem Papst in einem Interview mit dem Spiegel, dass er in der Öffentlichkeit zu geschwätzig sei, und setzten noch einen drauf: „Wenn Franziskus zu diesem oder jenem Vorgang in der Welt etwas sagt, ist das genauso viel oder wenig wert wie das Urteil jeden Bürgers, der seine Meinung äußert.“
Aber auch zu anderen Fragen halten Sie mit Ihrer Meinung nicht hinter dem Berg: „Übrigens bin ich der Meinung, dass kein Mensch gottgewollt als Homosexueller geboren wird […].“
Ist nachgeburtlich also der Teufel am Werk – oder wie?

ZDFinfo, nach Selbstzeugnis ausgewogenes, sachliches und überparteiliches Medium zur Erzeugung von Meinungspluralität – Sie kündigten der Öffentlichkeit für den 20. Februar stolz drei „neue Polit-Dokus“ an: Die Dokumentation „Putin und die Mafia“ beleuchte um 20.15 Uhr zum ersten Mal die Verstrickungen des Präsidenten der Russischen Föderation mit der russischen Mafia. Im Anschluss um 21.00 Uhr seien „Putins Männer fürs Grobe – Spezialeinheiten in Russland“ in Erstausstrahlung zu sehen. Und um 21.45 Uhr sollte die Doku „Der neue Kalte Krieg – Mehr Atomwaffen für Europa?“ folgen.
Geneigte Zuschauer mussten indes überrascht und enttäuscht das Ausbleiben von „Putin und die Mafia“ beklagen. Darin sollten „ehemalige Geschäftspartner, Geldwäscher und Menschen, die direkt mit bekannten Mafia-Mitgliedern in Verbindung stehen, über Putins Kontakte zur Mafia“ und darüber berichten, wie sich dieses expandierende System auf die Regierungsmacht auswirke.
Getwitterte Verdächtigungen, sie hätten „Angst, einen kritischen Film über Staatsverbrecher und Mafiosi (sic) Putin zu zeigen“ oder gar ein „Angebot“ bekommen, das die Sendeleitung „nicht ablehnen konnte“, hat ZDFinfo wirklich nicht verdient. „Aufgrund eines Missverständnisses“ habe die technische Freigabe nicht vorgelegen, teilten Sie auf Focus-Anfrage mit und präsentierten gleich zwei weitere Termine sowie die Mediathek. ZDFinfo wird ganz sicher weiterhin Meinungspluralität gegen Wladimir Putin erzeugen: öffentlich rechtlich ausgewogen, sachlich und überparteilich.

Nico Popp, jungewelt-Kommentator – In einem Beitrag geißeln Sie die „politische Entkernung”, wie sie der jüngste Parteitag der Linken wieder unter Beweis gestellt habe. Man mag Ihre Schelte an Akteuren wie Benjamin-Immanuel Hoff und Bodo Ramelow teilen oder nicht, Sie aber krönen Ihre Philippika mit dem Satz: „Eine Partei, die Figuren wie Hoff, Kulke, Liebich, Ramelow et alii erträgt, ist – auf allen Ebenen – unwählbar.” Auch so, wie mit dem gepflegten Revoluzzertum Ihres Brötchengebers überhaupt, spielt man jener Seite in die Hände, die man doch so gnadenlos bekämpft: Glückwunsch zu diesem Mummenschanzenrekord!

Guido Westerwelle, Verblichener – „Wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspricht, der lädt zu spätrömischer Dekadenz ein“, hatten Sie dereinst festgestellt und dafür einige Kritik einstecken müssen. Nicht aber, dass es in unserer Ersten Welt nicht vor “spätrömischer Dekadenz” wimmele. Jüngstes Beispiel dürfte der Baseballer Bryce Harper sein, der bei den Philadelphia Phillies in den kommenden 13 Jahren 330 Millionen Dollar einstreichen wird! Wobei man fairerweise akzeptieren sollte, dass Harper sein Kleingeld nicht völlig anstrengungslos einstreicht.

Florian Silbereisen, Trennungsprofiteur – Mit Ihren Sanges- und anderen Künsten haben Sie nie zuvor derart viele Schlagzeilen gemacht wie dadurch, dass Sie von einer zugegeben stimmbegabten blonden Schlagersängerin verlassen wurden. Monatelang bieten Sie einschlägigen Print- und Online-Medien Stoff für Spekulationen. Demnächst werden Sie sogar die „Traumschiff“-Crew kommandieren – höchste Stufe der volkstümlichen Popularität. Warum heißt es eigentlich „Scheiden tut weh“?