von Jan Opal, Gniezno
Einem Paukenschlag gleich gründete Robert Biedroń Anfang Februar in Warschau seine neue Partei, mit der er die politische Landschaft in Polen nun kräftig durcheinander wirbeln möchte. Der gewählte Parteiname „Wiosna“ (Frühling) steht für den großen Aufbruch, für das Versprechen, dass die frostige Winterzeit nun endgültig vorüber sei. Klar auch, dass mit dem Parteinamen in erster Linie auf jüngere Wählerschichten geschielt wird, denn ältere Semester haben auch in Polen eine Vorliebe für Altweibersommer oder den goldenen Herbst. Biedrońs Frühlingspartei offeriert also ein in leuchtenden Farben gehaltenes Programm, dessen erstes Aushängeschild der Parteigründer selbst sein will.
Der verbissen geführte Streit zwischen den regierenden Nationalkonservativen der Kaczyński-Partei und der von den Wirtschaftsliberalen geführten liberalen Opposition habe seine Rolle ausgespielt, die Menschen im Lande hätten anderes verdient. Das von den Nationalkonservativen eingeführte gesetzliche Kindergeld in Höhe von umgerechnet 125 Euro solle beibehalten und weiter gestärkt werden, hinzu müsse nun eine gesicherte Mindestrente von umgerechnet 400 Euro kommen. Außerdem solle es ein Recht auf einen Facharzt innerhalb von 30 Tagen geben, überhaupt müsse das Gesundheitswesen gründlich umgekrempelt werden. Und es wird einem gesetzlichen Urlaubsanspruch auch bei Beschäftigung das Wort geredet, die nicht sozialversicherungspflichtig ist. Dies ist der Kern der versprochenen sozialpolitischen Maßnahmen, die also jene Flanke kräftig erweitert, die von der Kaczyński-Partei errichtet wurde.
Nicht weniger wichtig seien die Grundrechte der Bürger, die Beseitigung jeglicher Diskriminierung – nach Geschlechtern oder bei sexuellen Minderheiten vor allem. Auch eine Feminisierung des öffentlichen Lebens sei dringend erforderlich, überhaupt gelte es Frauenrechte abzusichern, so das Recht auf Schwangerschaftsabbruch bis zur 12. Schwangerschaftswoche. Dies sei die Flanke, die eigentlich zum Kern der liberalen Opposition gehören müsste, bislang aber höchst stiefmütterlich ausgebaut werde, auch deshalb, weil vor dem mächtigen Einfluss der katholischen Kirche gekuscht werde. Folgerichtig wird die strikte Trennung von Staat und Kirche gefordert, soweit zumindest, wie die Verfassung sie tatsächlich vorschreibe. Werde diese vorgeschriebene Trennung durchgesetzt, erspare es dem öffentlichen Haushalt pro Jahr umgerechnet bis zu einer Milliarde Euro, mit denen versprochene sozialpolitische Maßnahmen finanziert werden könnten. Robert Biedroń verspricht obendrein ein neues Konkordat.
Die wichtigste wirtschaftspolitische Aussage im Frühlings-Programm betrifft den sogenannten Kohleausstieg, der in Polen bis zum Jahre 2035 erfolgen solle. Die Partei hat extra eine Beauftragte für die Liquidierung der Kohleförderung berufen, wobei selbige eine Steinkohlengrube von unten noch nie gesehen haben dürfte. Dennoch erklärte sie forsch, Polen werde Deutschland folgen, das den endgültigen Kohleausstieg unlängst beschlossen habe. Als Gegenleistung verspricht Biedrońs Partei 230.000 neue Arbeitsplätze in der „grünen“ Wirtschaft, in der die Bergleute nach entsprechender Qualifizierung gutbezahlte Arbeit finden würden. Biedroń selbst behauptete auf dem Gründungskonvent, dass es für Polens Volkswirtschaft rentabler wäre, wenn die Bergleute statt Steinkohle zu fördern bei vollem Lohnausgleich zu Hause blieben. Einen Beweis für die provozierende These blieb er allerdings schuldig.
Gedacht ist auch an eine rasche Stärkung des öffentlichen Transports – vor allem in der abgehängten Provinz, also dort, wohin kaum noch EU-Mittel für die Entwicklung von Infrastruktur fließen. Die alleinige Orientierung auf den privaten Autoverkehr sei volkswirtschaftlich falsch und widerspreche den ökologischen Erfordernissen. In diesem Zusammenhang solle die öffentliche Hand künftig in einem viel stärkeren Maße alternative Mobilität fördern, um Anschluss zu finden an Länder wie Dänemark oder die Niederlande.
Alles in allem veranschlagte Biedroń für die Umsetzung des Programms umgerechnet ganze 9 Milliarden Euro pro Jahr. Ein Teil soll aus den Einsparungen finanziert werden, die durch die rasche Auflösung des heute nahezu omnipotenten staatlichen Geschichtsinstituts IPN (Institut für nationales Erinnern) eintreten werden. Zu Fragen nötiger Steuererhöhungen äußerte sich der neue Parteiführer hingegen nicht. Es bleibt der Eindruck, als genüge allein der konsequente Umbau der bisherigen Haushaltsstruktur, um das Land auf die Herausforderungen der kommenden Zeit vorzubereiten und zu modernisieren.
Die erste Feuerprobe werden im Mai die Wahlen zum Europäischen Parlament sein, doch das große Ziel der Partei sind die Sejm-Wahlen im Herbst. Die Frühlingspartei will zur drittstärksten Kraft aufsteigen, um bereits in der künftigen Regierung ein kräftiges Wort mitzureden. In einem Fernsehinterview brachte sich der Parteichef selbst in Stellung: Er wolle Ministerpräsident werden, er werde es auch! In ersten Umfragen nach der Parteigründung werden den Biedroń-Leuten Werte bis zu 15 Prozent attestiert. Das ist ein Fingerzeig, dass in erster Linie das linke beziehungsweise linksliberale Wählerfeld vor einer neuen Ausrichtung steht. Ob die Linksdemokraten der SLD also weiter hoffen dürfen, im Herbst ins Parlament zurückkehren zu können, bleibt abzuwarten. Und in der sich links verstehenden Partei Razem (Zusammen) wird kräftig auf den Unterschied gepocht: Bei der Frühlingspartei handele es sich in erster Linie um ein liberales Projekt! Biedroń hingegen meint, es sei eine Bewegung der Progressiven für Progressive. Dass er von der linksliberalen Flanke her kräftig ins liberale Wählerspektrum schielt, ist für ihn selbstverständlich.
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