21. Jahrgang | Nummer 19 | 10. September 2018

Antworten

Markus Söder, statt Hoffnungsträger vielleicht letzter Sargnagel der CSU – Ende August dümpelten die Umfragewerte Ihrer Partei mit Blick auf die demnächst anstehenden Landtagswahlen bei grottigen 35 Prozent. Das gibt Ihrem vollmundigen Wahlkampfslogan „Söder macht’s“ aber schon ein Geschmäckle – finden sie nicht? Vielleicht liegt’s auch daran, dass niemand Ihrer professionellen Helferriege rechtzeitig daran gedacht hat, die entsprechende Domain im Internet sowie die adäquaten Accounts bei Facebook und Twitter zu sichern. Das tat jedoch die SPD, die in den Umfragen zwar auf die Wahrnehmbarkeitsgrenze zuschlittert, aber unter soeder-machts.de immerhin noch solche Garstigkeiten unters Volk bringen kann wie: „32.000 öffentliche Wohnungen an private Investoren verscherbeln – und damit 80.000 Mieter im Regen stehen lassen“ oder „Kreuze in staatlichen Einrichtungen aufhängen, obwohl Kirchenvertreter und christliche Jugendorganisationen das für ein Signal der Ausgrenzung halten“ oder „ertrinkende Menschen im Mittelmeer als Asyl-Touristen bezeichnen“ – „All das macht Markus Söder.“
Es ist wie immer: Wer den Schaden hat, spottet jeder Beschreibung.

Margarete Stokowski, Spiegel-Kolumnistin – In der Replik an einen journalistischen Kollegen führen Sie unter anderem aus: „Nun ist es bei der Antifa so, dass niemand sie bräuchte, wenn es keine Nazis mehr gäbe. ‚Antifa‘ ist ein Sammelbegriff für sehr unterschiedliche Gruppen von Leuten, die sich gegen Rassismus, völkischen Nationalismus und Antisemitismus engagieren und gegen die Verharmlosung von faschistischen Verbrechen. Wer die Antifa mit einigen wenigen Schlägern gleichsetzt und als ‚Staatsfeind‘ bezeichnet, macht es sich nicht nur sehr einfach, sondern macht es vor allem falsch. Die Antifa leistet in Deutschland einen ganzen Haufen Bildungs-, Informations- und Mobilisierungsarbeit, die dazu beiträgt, dass es in diesem Land nicht noch düsterer wird, und wer all das ausblendet, hat entweder schäbig recherchiert oder will es nicht besser wissen.“
Dem ist unsererseits nichts hinzuzufügen.

Carl Bernstein, frisch Geadelter – Zusammen mit Ihrem Kollegen Bob Woodward hatten Sie Anfang der 1970er Jahre den Watergate-Skandal losgetreten, der den damaligen Präsidenten Richard „Tricky Dicky“ Nixon schließlich das Amt kostete. (Unsereins skandierte daraufhin im Blauhemd der FDJ und nicht ohne Schadenfreude: Im Westen steht das Unheil Pate / dieses zeigt uns Watergate!) Und dann sahen Sie im Outfit von Dustin Hoffmann in „All the President’s Men“ auch noch verdammt gut aus! Doch der Ritterschlag erfolgte jetzt durch Ihren heutigen Präsidenten. Im Vorfeld Ihrer jüngsten Enthüllungen über Sodom und Gomorrha, pardon, das Weiße Haus, die morgen unter dem Titel „Fear: Trump in the White House“ erscheinen werden, twitterte der Donald, Sie seien „ein Mann, der in der Vergangenheit lebt und wie ein verdorbener Idiot denkt“. Von Trump, der sich praktisch nahezu ausschließlich in Invektiven äußert, ist höheres Lob schlechterdings nicht vorstellbar.

Götz Aly, erfreuter Großvater – Zwei Ihrer Enkel gehen in Paris zur Schule und dort, also landesweit, hat das Parlament mit Schulbeginn am 3. September den Schülern verboten, portable Telefone und ähnliche private Gerätschaften in den Elementarschulen und den Schulen der Mittelstufe zu benutzen. Das Verbot, Gipfel des staatlichen Terrors, gilt auch für die Pausen! Doch Ihnen entlockte das Ganze eine Eloge, in der Sie ausführlichst den französischen Bildungsminister Jean-Michel Blanquer zu Wort kommen lassen: „Die Schüler und Schülerinnen sollen untereinander reden, Spaß und auch Streit haben, anstatt im Internet herumzuspielen und schweigend aneinander vorbeizugaffen; sie sollen sich besser auf den Unterrichtsstoff konzentrieren. Ferner hob er hervor, dass Handys das Mobbing zwischen den Schulkindern verstärken und zugleich unsichtbarer werden lassen. Im Übrigen fördern die nicht billigen Gerätschaften sozialen Dünkel, sie produzieren Neid, verstärken die Bewegungsarmut und können abhängig machen. Kurzum: Sie stören die Gemeinschaft der Lernenden empfindlich. Vor allem aber führte Bildungsminister Blanquer in seinem Buch ‚L’École de demain‘, die Schule von morgen, soziale Gründe für das Verbot an. Weil Akademikereltern eher den Handygebrauch kontrollieren als Eltern aus bildungsfernen Schichten, führt geduldeter Handyautismus ausgerechnet bei deren Kindern zu weiteren Nachteilen in der kognitiven Entwicklung. Anders gesagt: Er vergrößert die ohnehin bestehende soziale Kluft.“
Ach so?
Na dann – sind wir auch dafür!
Bleibt die Frage: Wie kriegen wir diesen Code Napoléon nun bis an die Oder?

Warren Buffett, US-Investor und globale Lichtgestalt der Börsianer – Ihnen wird, durchaus in unterschiedlichen Varianten, der Ausspruch nachgesagt: „Wenn in Amerika ein Klassenkampf tobt, ist meine Klasse dabei, ihn zu gewinnen.“ Bei Twitter stahlen Sie dieser Tage vielen anderen die Show, als über den Account @warrenbuffet99 Lebensweisheiten unters Volk gebracht wurden, die sich wie ein Lauffeuer verbreiteten, weil sehr viele Menschen sie likten und teilten. Doch Sie hatten mit der Sache gar nichts zu tun: ein Fake-Account, wie der Sender ABC öffentlich machte.
Trotzdem reichten die Sprüche durchaus an das Klassenkampfbonmot heran. Zum Beispiel dieser: „Gute Führung zeichnet sich durch zwei Dinge aus: Ehrlichkeit und Bescheidenheit. Beides fällt schwer, deshalb gibt es so wenige gute Anführer.“ Oder dieser: „Lass dich nicht von Social Media beeindrucken. Niemand postet seine Niederlagen.“ Oder jener: „Führen bedeutet, anderen zu dienen.“
Bitte tun Sie uns die Liebe: Twittern Sie nun auch noch selbst!

Max Noak, gebürtig in Guben, dort aufgewachsen, derzeit in London lebend und glaubend: „Es gibt einen Fluch des Ostens, der viele verfolgt“ – Der Hamburger Zeit steckten Sie dieser Tage, „dass ich den ostdeutschen Stolz merkwürdig finde, der neuerdings hin und wieder aufkommt und den ich nicht verstehen kann. Auch das Anti-Westliche ärgert mich, das manchmal so durchklingt, und eben das Anti-Religiöse. Was wären wir im Osten denn ohne den Westen? Ohne die Kirche? Die Schönheit von Musik und Kultur, von Diskussionen und politischer Offenheit“.
Sie sind Jahrgang 1989. Da wirkt, was persönliche Kenntnis vom Leben in der DDR anbetrifft, die Ungnade der späten Geburt. Doch dass Sie trotzdem ein ziemlich apodiktisches Meinungsbild artikulieren, lässt uns an Uwe Steimle – ist ein sächsischer Landsmann von Ihnen, müssen Sie aber nicht kennen – denken. Der sagte mal: „Wenn eener dumm geboren wird, der kann nischt dafür. Wenn eener aber ooch noch dumm stirbt, der muss schon ganz scheen blöde sein!“ Na ja, da haben Sie ja noch ein Weilchen Zeit …

Veronica Ferres (53), „knackig“ – Der Lebenspartner Ihrer Wahl, Carsten Maschmeyer, der für andere eher die unsympathische Fratze der Finanzbranche personifiziert, nennt Sie „Mädchen“ und bescheinigt Ihnen, Sie seien „nicht nur so spontan“ wie ein solches, „sondern auch so knackig“. Das entzieht sich unserem Urteilsvermögen. Auf die Frage einer Illustrierten allerdings – „Täuscht der Eindruck, dass Sie im Herzen Optimistin sind?“ – antworteten Sie kürzlich: „Das hört sich jetzt so an, als wäre ich naiv, dumm und blöd.“ Dürfen wir daraus schlussfolgern, dass Sie tatsächlich zumindest nicht so ganz genau wissen, was das gebildete Publikum unter Tautologie und Pleonasmus versteht?

Whitcomb Leonard Judson, US-Ingenieur & Bequemmacher – Sie besaßen bereits rund ein Dutzend Patente auf Motoren und Eisenbahnbremsen, als sie – zwar nicht vor genau 125 Jahren, am 29. August 1893, wie eine deutsche Tageszeitung jüngst behauptete, sondern bereits am 7. November 1891 – ein weiteres erhielten. Für eine Erfindung, die die Welt in Sachen Lebensqualität revolutionieren sollte wie zuvor vielleicht nur das Rad und das Fensterglas.
Sie waren, um es zurückhaltend zu formulieren, von stattlicher Gestalt und hatten sich immer wieder darüber geärgert, dass Sie sich nur mit Mühe Ihre Schuhe zuschnüren konnten. Das musste doch auch anders gehen, vor allem schneller und bequemer?! Sie brachten zwei schwere Metallketten mit sich ineinander verzahnenden Haken ins Spiel (US-Patentnummer US504038A) und fertig war der clasp locker (Klemmschließer) für Schuhe: der erste Reißverschluss der Welt.
Dass Ihr Name in Vergessenheit geriet, gehört zu den ebenso grausamen wie zahllosen Ungerechtigkeiten beiderseits jenes Knüppeldamms, auf dem der Zivilisationsfortschritt unaufhaltsam voranschreitet, und ist einer Menschheit zuzuschreiben, die hedonistisch genug ist, diesen Fortschritt zu genießen, und zu uninteressiert, seine Quellen und Beförderer angemessen zu ehren …

Lars Klingbeil, demagogisierender SPD-Generalsekretär – Sie haben sich zur nunmehr offiziell präsenten Linkenbewegung „Aufstehen“ geäußert und zu sagen gewusst: „Wir brauchen ernsthafte Gespräche über ein progressives rot-rot-grünes Bündnis, statt Internetseiten ohne politische Konsequenz.“
Gegen den Inhalt dieser Aussage wäre nichts einzuwenden, wüsste man nicht, dass es die amtliche SPD ist, die sich – ebenso wie die Grünen – bislang ernsthafter Gespräche mit der Linkspartei arrogant verweigert hat. Für wie vergesslich oder gar blöd halten Sie die Öffentlichkeit?

Deutsche Bahn, kreativ bis jenseits der Schmerzgrenze – Leider haben Sie Ihre Idee, den Berliner S- und U-Bahnhof Hermannstraße mit atonaler Musik zu beschallen, um Drogendealer, Junkies und Obdachlose zu vertreiben, ohne Feldversuch wieder aufgegeben. Wir waren schon auf die Reaktion der Dealer gespannt: Hätten die das Weite gesucht oder vielleicht eher Linderung in den eigenen Drogen?
Jetzt, so hört man, werde nach abschreckenden Naturgeräuschen für denselben Zweck gesucht. Was käme da infrage? Glaszertrümmerndes Babygekreisch? Bauarbeiterfürze nach Verzehr von Döner und Bockwurst? Das Tremolo des mallorquinischen Esels? Oder eine Mixtur von alldem und mehr?
Leider gibt es auf dem Bahnhof Hermannstraße allerdings immer noch auch eine ganz andere Nutzergruppe, und so befürchten wir für die nahe Zukunft eine Zeitungsmeldung wie diese: „Ludwig M., 59, leitender Angestellter der Deutschen Bahn und Erfinder der Anti-DJO-Symphonie des Unternehmens im Bereich des Bahnhofs Hermannstraße wurde dort beim Umsteigen erkannt und von einer aufgebrachten Fahrgastmenge mit zusammengerollten punkt3-Exemplaren erschlagen.“ (punkt3 ist das Kundenmagazin der zur Deutschen Bahn gehörenden Berliner S-Bahn – die Redaktion.)