21. Jahrgang | Nummer 14 | 2. Juli 2018

Antworten

Jakob Augstein, Kolumnen-Kassadra – Wir schätzten Ihre Spiegel-Kolumne ja durchaus, auch wenn Sie bisweilen ein Stück weit übers Ziel hinausschießen, respektive Ihr Fadenkreuz überhaupt das falsche ins Visier nimmt. Jüngst war es wieder einmal soweit – Sie zogen vom Leder: „Man konnte es schon im Herbst 2016 wissen, als sie die Entscheidung fällte, weiterzumachen: Merkel hätte nicht noch einmal antreten dürfen. Da vom ersten Tag an klar war, dass diese Amtszeit ihre letzte sein würde, läuft seit dem ersten Tag die Suche nach der Nachfolge. So aber kann Merkel das Land nicht mehr regieren. Wenn das Ende der Macht in Sicht ist, ist die Macht am Ende. Die Deutschen könnten es mit einer schwachen Regierung schon ein paar Jahre aushalten. Dann bleiben die unerledigten Probleme dieser Kanzlerschaft – Bildung, Digitalisierung, Infrastruktur, Integration, Klimapolitik, soziale Gerechtigkeit – halt noch länger unerledigt. Die Deutschen haben sich an niedrige Löhne und fehlende Lehrer gewöhnt, und daran, dass die Bahn zu spät oder gar nicht kommt. Die Deutschen sind genügsam. Aber Europa kann nicht warten. Europa braucht eine starke deutsche Regierung so dringend wie nie zuvor. Und genau die kann Merkel nicht mehr gewährleisten.“
Unerledigte Probleme im Lande – haben Sie da nicht noch einige vergessen?
Die Bundeswehr?
Horst Seehofer?
Die Krise der Automobilindustrie?
Trotzdem – wow! Ihnen reicht ein einziges Panacea für den ganzen Kladderadatsch:
Merkel muss weg!
Ist aber vielleicht etwas viel der Ehre?
Doch sei’s drum: Ein neuer Besen muss her!
Dürfte allerdings nicht so erfolgsschmal kehren wie der in unserem schönen französischen Nachbarlande …
Nächste Frage: Wem trauten Sie die Rolle denn zu?
Jens Spahn?
Wolfgang Schäuble?
Beider Namen nannten Sie in Ihrer Eloge, wenn auch nicht direkt als Nachfolgekandidaten.
Also doch nur Teufel mit Beelzebub austreiben?
Heißt Ihre Kolumne nicht „Im Zweifel links“?
Vielleicht einfach mal die Systemfrage stellen …

Jan Fleischhauer, Zeitgeist-Hinterfrager – Sie lieferten jüngst in einem Hamburger Nachrichtenmagazin diesen Befund zum Zeitgeist ab: „Ich glaube, dass die #MeToo-Debatte bei vielen Menschen solche Widerstände auslöst, weil in ihr grundlegende Standards der Diskussionskultur außer Kraft gesetzt sind. Unsere Diskursregeln sehen vor, dass kein Argument per se für sich beanspruchen kann, als wahr zu gelten. Wer einen Missstand beklagt, muss damit rechnen, dass die Belege, die er anführt, auf Stichhaltigkeit überprüft werden. Die Skepsis ist ein wesentliches Prinzip der Wahrheitsfindung. Umgekehrt gilt es als unlauter, wenn man die Integrität von Leuten infrage stellt, nur weil sie anderer Meinung sind. In der #MeToo-Debatte stimmt das alles so nicht mehr. An die Stelle des Rechts auf Kritik ist das Zustimmungsgebot getreten. Wer Vorbehalte äußert, macht sich offenbar verdächtig, insgeheim mit den Belästigern zu sympathisieren. Oder, schlimmer noch, selbst ein Belästiger zu sein. Da jede Kritik potenziell den falschen Leuten in die Hände spielt, gilt bereits der Zweifel als deplatziert.“ Da fehlt eigentlich nur noch die Reanimation des in den 1950er und -60er Jahren höllisch beliebten Slogans der SED-Obrigkeit: „Keine Fehlerdiskussion! Probleme werden im Vorwärtsschreiten gelöst.“

Guy Helminger, einer, der, wenn er „Neoliberalismus“ sagt, einem Feuer speienden Drachen gleichen soll – Sie weigern sich, voller Begeisterung über Europa zu sprechen und dauernd daran zu erinnern, dass die EU Schluss gemacht habe mit den Kriegen in Europa. Das sei zwar wahr, also schön und gut, aber selbstverständlich geworden. Man müsse sich mit den Mängeln des gegenwärtigen Europa beschäftigen, wenn man dem vereinigten Teilkontinent eine Zukunft geben wolle. „Die Europa-Politik war eine Politik für die Wirtschaftseliten. Macron und Merkel wollen genau da weitermachen. Das ist ganz sicher nicht der Ausweg.“ Der zentrale Mangel des heutigen Europas sei, dass es der Bereicherung der Reichen diene. Und: . „Die menschliche Bereitschaft zu jeder Sauerei wird nur dadurch gezügelt, dass man den Menschen wenigstens ein halbwegs gutes Leben leben lässt und ihm nicht seine Würde nimmt.“
Da sind wir, um ein heute gebräuchliches Versatzstück zu gebrauchen, ganz bei Ihnen. Dennoch wollen wir auch von der immer erneuten Betonung des Selbstverständlichen nicht lassen. Denn wir halten es mit Willy Brandt: Frieden ist gewiss nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts.

Berliner Senat, Blitzschneller – Nicht nur Ihnen wird als Behörde teilweise verzweifelte Langsamkeit bei allen möglichen Entscheidungsfindungen vorgeworfen. Und in der Tat: War die DDR Weltmeister in Sachen Bürokratie, so sind – und dies nicht nur in Berlin – hierzulande nahezu durchweg Olympiasieger am Werke. Dass es auch ganz anders geht, zeigt eine Neuregelung auf dem Gebiet der Bildung. Wird doch – zunächst auf ausgewählten Gebieten, das „duale Abitur“ eingeführt, mit dem Ziel, zum einen den Bezugskreis der Jugendlichen zu gehobener Bildung zu erweitern, vor allem aber, um sie für die Aufnahme praktikabler, zumal von der Wirtschaft benötigter beruflicher Ausbildung zu motivieren.
Es hat also lediglich knapp 30 Jahre gedauert, bis man sich auf das seinerzeit unbestritten erfolgreiche  DDR-Konstrukt der „Berufsausbildung mit Abitur“ besonnen hat und es nun stante pede umsetzt. Wenn das keinen Glückwunsch verdient!

Barry Gibb, Bee-Gee-Ritter – Als letzter lebender jener drei Brüder, die einst die weltweit erfolgreiche Pop-Gruppe Bee Gees bildeten, sind Sie soeben von Prinz Charles zum Ritter geschlagen worden.
Man mag und kann sich ob des Geleisteten über solche Standesaufwertungen mokieren; es bleibt allerdings ein wirkliches Verdienst, dass sie – und zwar weltweit – mit Ihrer Musik Millionen Menschen viel Freude bereitet haben. Wohl dem Ritter-Aspiranten, der eine solche, zumal bleibende, Breitenwirkung von sich behaupten kann.