21. Jahrgang | Nummer 7 | 26. März 2018

Antworten

Stephen Hawking, kampferfahrener Träumer – Sie haben die Astrophysik mit Ihren Theorien bereichert und verstanden es zudem, diese einem breiteren Publikum zu erläutern und näherzubringen. Welcher Physiker kann das schon von sich behaupten? Aber vermutlich sind Sie von vielen Menschen verehrt, ja geliebt worden, weil Sie so souverän mit schlimmen Leiden umgingen. Immer weitermachen trotz aller Rückschläge und Schmerzen. Ja, die Medien haben Sie zu einer Ikone stilisiert, aber Sie waren vor allem ein Mensch, der sich seine Träume bewahrt hat und zumindest einen Teil zu ihrer Verwirklichung beitragen wollte. Ihren Traum von den neuen Planeten für die Menschheit träumen wir aber trotz unserer Ehrerbietung nicht mit, die Erhaltung der Erde scheint uns der bessere Traum.

Alexander Lukaschewitsch, Ständiger Vertreter Russlands bei der OSZE – Am 15. März gaben Sie gegenüber allen Mitgliedstaaten der OSZE zum Fall des Mordanschlages auf den ehemaligen russischen Doppelagenten Sergej Skripal und dessen Tochter in Salisbury einige Sachverhalte zu Protokoll, die in der hitzigen Auseinandersetzung um diesen Fall westlicherseits überwiegend ausgeblendet oder allenfalls am Rande erwähnt werden. So gab es seit dem Vorfall am 4. März seitens Großbritanniens „keinen einzigen Versuch, das Geschehene zusammen mit uns zu klären, obwohl die russische Seite gleich die Bereitschaft dazu äußerte. Wir haben via offizielle Kanäle keine Informationen zu Umständen des Verfahrens trotz mehrerer Anfragen und der Tatsache, dass Julia Skripal eine Staatsbürgerin Russlands ist, bekommen. Unsere Botschaft in Großbritannien schickte an das Außenministerium Großbritanniens mehrere diplomatische Noten, in denen die fehlende Beteiligung Russlands an diesem Vorfall betont wird, sowie beantragte Muster des genutzten Stoffs und eine gemeinsame Untersuchung. Uns wurde das alles verweigert. Stattdessen bekamen wir lediglich Ultimaten im Sinne der neokolonialen Manieren. Inzwischen gibt es weiterhin keine Beweise der angeblichen ‚russischen Spur‘. […] Wir erwarteten vom Vereinigten Königreich eine offizielle Anfrage und die Anwendung der Verfahren der Chemiewaffenkonvention. Bekannt ist, dass Punkt 2 des Artikels 9 dieser Konvention eine Anfrage von Erklärungen und Bereitstellung einer Antwort an einen beantragenden Staat schnellstmöglich vorsieht, doch auf jeden Fall spätestens zehn Tage nach der Anfrage.“ (Hier und im Folgenden zitiert nach der deutschen Website des russischen Außenministeriums.)
Soweit, so korrekt, respektive nachprüfbar – vulgo ordentliche diplomatische Routine.
Auch Ihrem nachfolgenden Hinweis, dass sich die britische Regierungschefin Theresa May und ihr Kabinett wegen des Brexit und der für das Land zu befürchtenden Folgen in keiner beneidenswerte Lage befänden und May daher innenpolitische Entlastung in unbewiesenen Anschuldigungen gegen Russland suche, war eine gewisse Plausibilität nicht abzusprechen.
Aber warum, in drei Teufels Namen, haben Sie es nicht dabei belassen?
Warum mussten Sie noch einen draufsetzen – in einer Weise, mit der Sie Russland auf das Niveau seiner dümmlichsten Kontrahenten stellen?
Sie verwiesen auf einen Skandal, von dem „die Behörden die Aufmerksamkeit der Einwohner Großbritanniens ablenken wollen, indem die Vergiftung der Skripals genutzt wird. Es handelt sich um einen in der Stadt Telford aufgedeckten Kinderschänder-Ring, der ganze 40 Jahre lang tätig war. Zu seinen Opfern wurden mehr als 1000 Kinder bei Nachsichtigkeit der Polizei und der örtlichen Behörden.“
Wer das Leid Unbeteiligter zur eigenen Exkulpierung instrumentiert, darf sich nicht wundern, wenn die Replik lautet: „Getroffene Hunde bellen.“ Und wem in Zuspitzungsphasen zwischenstaatlicher Konfrontation nicht mehr einfällt, als auf einen groben Klotz einen groben Keil zu setzen, der ist vielleicht Anwärter auf die Meisterschaft im Porzellanzerschlagen, mehr aber auch nicht.
Den nationalen Interessen dienen sieht anders aus.

Prof. Dr. Reinhard Herrmann, Wirtschaftswissenschaftler; Prof. Dr. Günter Franke, Informatiker; Dr. med. Markus Hahn, Onkologe und Hämatologe, besorgte Bedenkenträger – Sie zählen zu den, wenn schon nicht Erst-, so doch Im-Anschluss-Unterzeichnern einer Gemeinsamen Erklärung vom 15. März 2018, die die Beschädigung Deutschlands durch „illegale Masseneinwanderung“ und die Solidarisierung „mit denjenigen, die friedlich dafür demonstrieren, dass die rechtsstaatliche Ordnung an den Grenzen unseres Landes wiederhergestellt wird“, zum Gegenstand hat.
Wir sind dankbar dafür, dass der Teilnehmerkreis Ihrer Erklärung expressis verbis auf „Autoren, Publizisten, Künstler, Wissenschaftler und andere Akademiker“ beschränkt ist. Das erspart uns Selektion. Denn wir legen uns die Namensliste der Unterzeichner*Innen schon mal beiseite – fürs Casting zur Besetzung der Führungsebene des nächsten Reichssicherheitshauptamtes.
Schon im ersten waren ja bekanntlich, wie überhaupt in den oberen Rängen der SS, Akademiker in besonderer Häufung vertreten.
Nicht ohne nachhaltigen Erfolg, wie man, mit Verlaub, doch wohl noch sagen können müssen darf.

Heckler&Koch, deutsche Mordaussstatter – Über Ihren Anteil am weltweiten Gemetzel mit dessen abertausenden Opfern muss hier nicht räsoniert werden. Fassungslos macht indes wieder einmal der Zynismus, mit dem Sie Ihre Mordwerkzeuge offerieren. Zum jüngsten Valentinstag haben Sie online ein Herz aus Patronen gepostet und dies mit der Aufschrift „From HK with Love“ versehen. Als wäre das nicht widerlich und kriminell genug, haben Sie sich dann, als „der Zufall“ an eben diesem Tag in Florida ein 19-Jähriger 17 Menschen erschoss, lediglich dafür entschuldigt, dass die Eigenwerbung an diesem Tag „in hohem Maße unpassend“ gewesen sei. „Im Namen des Unternehmens bitten wir darum, dieses bedauerliche Versehen zu entschuldigen“, haben Sie – gewiss tief zerknirscht – nachgeschoben. Wie in so vieler Hinsicht fragt man sich, wieso Waffenbauer und –händler nicht nur nicht zum Beispiel durch einen die ganze Öffentlichkeit erfassenden „Shit-Storm“ zum Teufel geschickt werden. Über eine solche Gefahr können Sie allerdings nur überlegen lachen, sie steht nicht einmal in den Sternen. Und nebenbei: Bei allem Respekt vor dem Aktivierungs-Potential, das die sozialen Medien besitzen – solange die Teilnahme am elektronischen Bashing von diesem und jenem schon genügt, um sich gut zu fühlen, zuckt man nicht nur bei H&K die Schultern und geht wieder zur Tagesordnung über…
P.S.: Die Frage, warum Waffenproduzenten nicht zum Teufel geschickt werden, darf getrost als naiv-rhetorisch gedeutet werden, denn die Antwort ist evident.

Martin (Tino) Kirchhof, Friedensfahrer – Seit Jahr und Tag die allermeisten Ihrer Berliner Wege per Rad bewältigend, dürfen Sie als gut trainiert gelten, um nun einen Plan zu realisieren, der Sie schon des längeren umtreibt. 90 Jahre nach des Eisernen Gustavs legendärer Kutschfahrt von Berlin nach Paris machen Sie sich in den ersten Apriltagen 67-jährig mit Ihrem gut vorbereiteten Rad plus selbstgebautem Kleinanhänger für den Fall aller Fälle auf eben jenen Weg gen Paris. Mit dessen Absolvierung per Reisekutsche hatte Gustav Hartmann seinerzeit eine nicht hoch genug zu schätzende Zivilcourage aufgebracht, um den Völkern der noch von den Feindseligkeiten des Nachkrieges geprägten Nachbarländer etwas friedfertig Verbindendes vor Augen zu führen. In einem solch beklagenswerten Zustand befindet sich das Verhältnis von Frankreich und Deutschland zum Glück schon lange nicht mehr – dass Sie aber an diese Tat nun erinnern, ist aller Ehren und bester Wünsche wert, die Freundschaftspflege (nicht nur) zu Frankreich ist es sowieso.

Andreas Scheuer, bundesministerieller Novize – Wir bräuchten „eine neue Kultur in den Unternehmen des Bundes“ haben Sie als neubestalltes Oberhaupt des deutschen Transportwesens verlautbart, als Ihnen der Deal zu Ohren kam, mit dem die (staatseigene!) Deutsche Bahn ihren Kurzzeit-Boss Rüdiger Grube den Abgang aus dessen lediglich 30-tägigem Amt vergoldet hat: 2,3 Millionen Euro! Mit dem neuen Aufsichtsratsvorsitzenden wollen Sie künftig darauf achten, „dass bei solchen Verträgen Maß und Mitte eingehalten wird“. Ob sich die „neue Kultur“ dann an Maßstäben wie Moral und Anstand messen wird oder auch wieder nur an den obszönen „Üblichkeiten“ in der gehobenen Geschäftswelt, wird sich zeigen müssen.

Thorsten Dirks, Lufthansa-Vorstand – Dass der „Flughafen-Großbauversuch vor den Toren der Hauptstadt“, wie eine hiesige Tageszeitung den Pannen- und Skandalairport BER euphemistisch umschrieb, tatsächlich noch irgendwann – zu 100 Prozent funktionierend – eröffnet werden könnte, glauben längst nur noch verantwortliche Politiker, Manager und Narren. Sie reüssierten jüngst damit, dass Sie öffentlich aussprachen, was Experten schon lange raunen: „Meine Prognose ist: Das Ding wird abgerissen und neu gebaut.“ Aber Sie kennen ja sicher das Schicksal Kassandras, einer anderen berühmten Seherin – ihre Voraussagen trafen stets ein, nur fand sie nie Gehör. Am Ende wurde sie erdolcht …

Richard Starkey, alias Ringo Starr – 77 Jahre alt mussten Sie werden, um dem Vorbild Ihres Ex-Beatles-Kollegen Paul McCartney in jenen Ritterstand zu folgen, zu dem Sie nun im Buckingham-Palast geschlagen worden sind; auch wir verbeugen uns mit artigem Kratzfuß. Gemeinsam mit der Kollektiv-Ehrung der Beatles („Musikalisch-vokales Ensemble“, so einst die Charakterisierung auf sowjetischen Plattenlabels) als Members of the Britisch Empire 1965 durch die Queen, haben Sie so ziemlich alles auf sich vereinigt, dessen man in sich Britannien wahrhaft rühmen kann. Ein Jammer, dass Deutschland keine auch nur annähernd adäquate Ehrung zu vergeben hat; wäre dies so, würde sich Gottlieb Wendehals sicher längst ebenfalls Ritter nennen dürfen; überragende Qualität ist nun mal überragende Qualität!

Zekeriya Altug, Mitglied im Vorstand der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib) – Sie „vermissen von Politik und Zivilgesellschaft eine klare und unmissverständliche Verurteilung dieser Schandtaten ohne Wenn und Aber“, haben Sie mit Blick auf den jüngsten Brandanschlag auf eine Moschee namens mehrerer islamischer Verbände in Deutschland erklärt. Dass dieses Attentat ebenso als verbrecherisch gegeißelt gehört wie vorausgegangene auch, ist eine vollkommen berechtigte Forderung. Irritierend bleibt indes, dass Sie die Zivilgesellschaft mangelnde öffentliche Verurteilung zeihen. Denn leider ausgerechnet dafür, bietet das Gros der in Deutschland lebenden Muslime ein denkbar schlechtes Vorbild, oder können Sie sich an auch nur eine einzige Demonstration von Muslimen erinnern, wenn es um islamisch verbrämte Terroranschläge in Deutschland oder anderswo ging? Dabei wäre eine solcherart massenhafte öffentliche Distanzierung vom Missbrauch des Islam sehr wohl von vertrauensstiftendem Wert gewesen.

Henning Baum, Schauspieler (unter anderem „Der Seewolf“) – In der Vor-#MeToo-Epoche hätten Mann und Frau Sie vielleicht als ein gestandenes Mannsbild beschrieben, bei dessen Anblick Mann – Deutscher Fernsehpreis in der Kategorie Bester Schauspieler in einer Serie für die Rolle als schwuler Kommissar in der Krimiserie Mit Herz und Handschellen – oder Frau schon mal schwach werden könnten … Aber das wäre nicht nur verabscheuungswürdig sexistisch, sondern auch viel zu flach! Denn als jetzt mobil, das Kundenmagazin der Deutschen Bahn, zum Interview bat, ließen Sie anfragen, „ob man statt der üblichen 08/15-Fragen über Bizepsumfang, Brustbehaarung und Intimleben ein Gespräch über Bücher und das Lesen führen könne“. Denn: „Was ein Mensch liest, offenbart doch viel mehr über sein Innerstes als das, was er sagt.“
Gefragt, getan – und das Interview hatte es dann in sich:
Welches berühmte Buch Sie nie zu Ende gelesen hätten?
– „Ulysses“ von James Joyce.
Welches Buch Sie gern selbst geschrieben hätten?
– „Narziss und Goldmund“ von Hermann Hesse.
Welchen Schriftsteller, tot oder lebendig, Sie gern treffen würden?
– Oscar Wilde.
Was hätten Sie Adolf Hitler als dessen Deutschlehrer zu lesen gegeben, um einen guten Menschen aus ihm zu machen?
– Den ersten und zweiten Brief des Paulus an die Korinther.
Et cetera …
An sich hatte danach die Frage, ob Sie aus einem Lesehaushalt kommen, schon etwas von einem peinlichen Pleonasmus. Sie antworteten trotzdem: „Ja. Ein Leitsatz bei uns zu Hause lautete: So wie man Manieren zu haben hat, hat man Bildung zu haben. Weil mich das provozierte, bin ich zweigleisig gefahren: Im Kino schaute ich heimlich Action-Trash mit Nick Nolte und Sylvester Stallone, zu Hause las ich Herakles.“
Wow! Und wenn Sie uns jetzt noch verrieten, was letzterer so alles geschrieben hat …
P.S.: Da Schauspieler üblicherweise allerdings zunächst einmal durch ihre Darstellung sprechen, wollen wir nicht verhehlen, dass Ihr Direktor des Knabeninternats Burg Schreckenstein in dem gleichnamigen Kinofilm uns seinerzeit sehnsuchtsvoll seufzen ließ: „Oh ja – in so ein Internat hätten wir auch gewollt!“