21. Jahrgang | Nummer 2 | 15. Januar 2018

Bemerkungen

Geschäftsbericht

„2016 war ein außergewöhnliches Jahr für unsere Firma. Unsere Kunden sind für uns der Maßstab, für alles, was wir tun. Wir haben uns auf ihre Prioritäten konzentriert und ihre Kostenbeschränkungen anerkannt. Wir haben uns bemüht zu antizipieren, wie sich ihre Bedürfnisse in den kommenden Jahren entwickeln werden. Die robusten Finanzergebnisse in allen Quartalen 2016 unterstreichen unseren strategischen Ansatz und seine Verwirklichung. Wir haben beeindruckende Ergebnisse an mehreren technologischen Fronten erreicht; wir haben die wissenschaftliche Forschung vorangebracht und kostengünstige, innovative Lösungen angeboten, die es unseren Kunden ermöglichen, die vor ihnen stehenden komplexen Herausforderungen zu lösen. Außerdem haben wir in 2016 Maßnahmen ergriffen, die sicherstellen sollen, dass unser Unternehmen auch in der Zukunft gut positioniert ist, in dem wir neue Gelegenheiten identifizieren und uns an die neuen Herausforderungen anpassen, die wir weltweit wahrnehmen.“
So lautet der Beginn des Geschäftsberichtes einer außerordentlich erfolgreichen großen amerikanischen Firma (Ihr Name wurde in der Übersetzung weggelassen). 5 Milliarden Dollar Nettoprofit hat sie ausgewiesen. Auch Ihre Aktionäre konnten äußerst zufrieden sein. Seit 2012 hat sich der Aktienpreis nahezu vervierfacht. Also ein sicherer Tipp für alle, die der niedrigen Zinsen überdrüssig sind. Zudem scheint das Unternehmen alle Maßstäbe zu erfüllen, die man an ein modernes Unternehmen anlegen muss: Es ist kundenorientiert, geht mit der Zeit, ist innovativ und wandlungsfähig, voll eingestellt auf die weltweiten Herausforderungen der kommenden Jahre.
Beim Lesen dieses Teils des Geschäftsberichtes denkt man an moderne Medizintechnik oder Arzneimittel, an die Energiewende, an Meeresbiologie oder Raumfahrt. An grüne oder blaue Gen-Technik, kurz an viele Herausforderungen, mit denen die Menschheit im 21. Jahrhundert konfrontiert ist. Man denkt an solide Investitionen. An verbesserte Lebenschancen. An Respektabilität.
Wie anders würde sich folgendes lesen: Solange es Kriege auf dieser Welt gibt, sind wir gut im Geschäft. Solange die Staaten dieser Erde nicht beschließen, jegliche Art von Konflikten mit friedlichen Mitteln zu lösen, wird unser Börsenwert weiter steigen, liebe Anleger!
Das Unternehmen, von dem hier die Rede ist, heißt Lockheed Martin. Der größte Rüstungskonzern der Welt.

Petra Erler

Manet in Wuppertal, Tintoretto in Köln

Édouard Manet wurde von seinen Zeitgenossen und wird bis heute von manchen den Impressionisten zugerechnet. Selbige wurden im Paris des 19. Jahrhunderts geradezu als „bande à Manet“ apostrophiert. Doch obwohl Manet mit etlichen impressionistischen Kollegen gut befreundet war und sich bei ihnen durchaus handwerkliche, stilistische und thematische Anregungen holte, wie sie sich auch bei ihm, schloss er sich deren Bewegung nicht an. Bewusst verzichtete er darauf, sich an ihren Ausstellungen zu beteiligen. Manet wollte kein gesellschaftlicher Außenseiter sein, er wollte im offiziellen Pariser Salon reüssieren, was ihm schließlich auch gelang. Der fundamentale Unterschied zwischen Manet und den Impressionisten jedoch bestand darin, dass ihm deren Ansatz nicht genügte, Impressionen, Eindrücke, also letztlich lediglich Oberfläche auf die Leinwand zu bannen. Manet wollte zum Wesen der Dinge vordringen und das in seiner Malerei auch sichtbar machen.
All dies und noch vieles mehr, vor allem aber zahlreiche Werke Manets präsentiert derzeit eine liebevoll kuratierte Ausstellung im Von der Heydt-Museum zu Wuppertal. Welchen revolutionären stilistischen Bruch Manet mit der damals üblichen akademischen Malweise vollzog, kann der Besucher besonders gut erkennen, weil in der Exposition Werke Manets und etwa von Anselm Feuerbach – beide waren zeitweise gemeinsam Schüler im Atelier von Thomas Couture – dicht beieinander hängen.
Leider zeigt die Ausstellung nicht Manets Kopie des bekannten Altersselbstbildnisses von Tintoretto aus dem Jahre 1854.
Das findet sich allerdings ebenso wenig in der im Wallraf-Richartz-Museum in Köln laufenden Schau „Tintoretto – A Star was Born“, die aber zumindest das jugendliche Selbstporträt dieses Ausnahmekünstlers aufzuweisen hat.
Jacopo Robusti wurde 1518 als Sohn eines Färbers in Venedig geboren – daher sein Künstlername Tintoretto („Färberlein“). Auch er war, wie Manet, ein Modernisierer zu seiner Zeit – berühmt unter anderem für seine kühnen Perspektiven aus Untersicht wie etwa im Falle der „Glorie des heiligen Rochus von Montpellier“ von 1564, die in Köln nicht zu sehen ist, dafür aber andere Beispiele – und einer mit so überschäumender Erzählkunst, dass ihm Jean-Paul Sartre den Ehrentitel „erster Filmregisseur“ verlieh.

Alfons Markuske

„Edouard Manet“, Von der Heydt-Museum, Wuppertal – noch bis 28. Februar 2018. Weitere Informationen im Internet.
„Tintoretto – A Star was Born“, Wallraf-Richartz-Museum Köln – noch bis 28. Januar 2018. Weitere Informationen im Internet.

Der Neffe aus Entenhausen

Mit Angela Merkel geht es rasant bergab! Der vielfach ausgezeichnete Karikaturist Klaus Stuttmann hat erneut seinen Jahresband vorgelegt. Nachdem er die Kanzlerin fünf Mal hintereinander auf das Titelblatt hob, hat ihr nun ein Kollege den Rang abgelaufen, der ihr nicht mal die Hand schütteln würde – der Donald aus dem Weißen Haus! Der zweifellos weltweit meistkarikierte Politiker, den Spaßvögel wie es Karikaturisten sind, einfach nicht ernst nehmen können, weil er so viele Dummheiten macht, hat von Stuttmann den Schnabel erhalten, den er nicht halten kann. Er ist ein Donald aus Entenhausen und prahlt auch damit, dass er einen reichen Onkel dort hat. Stuttmann ließ sich schon immer gern von Disneys Figuren anregen, und wenn auch diesmal die beliebte Panzerknackerbande fehlt, so hat er doch Theresa May immerhin die Nase der Hexe aus „Schneewittchen“ gegeben.
Mit dem Band „# Alles Fake!!“ kann aber auch die angeblich einflussreichste Frau der Welt ganz zufrieden sein. Stuttmann fallen immer noch originelle Motive für sie ein, etwa als Sanduhr, als Raubkatze und – das bietet sich womöglich 2018 noch mehr an als im Vorjahr – Merkel und Schulz als altes Ehepaar. Das Bild stammt schon vom März ´17, und daneben hat sich Stuttmann Gauck ein vermutlich letztes Mal vorgenommen. Ein Ehepaar winkt dem Scheidenden hinterher. „Er war ein guter Präsident!“, meint er. Und sie: „Ja. Verglichen mit Präsident Trump, Präsident Putin und Präsident Erdogan!“
Der monatsweise von Walther Fekl kommentierte Rückblick ist aber auch ein Blick nach vorn: Ein französisches Ehepaar sinniert darüber, ob Le Pen in fünf Jahren ans Ruder kommt, wenn man sich jetzt für Macron entscheidet. Und Trumps Rücktritt sieht er voraus – wegen sexueller Belästigung! (Zu schön, um wahr zu sein!)
Stuttmann, der unter anderem für den Tagesspiegel, die taz und den Freitag arbeitet, ist sicherlich ein Linker, aber seine Sozialisation in Schwaben zum Glauben an die Demokratie in der BRD kann er denn doch nicht verbergen. Auf Seite 188 hat er sich vergaloppiert. Nach der Bundestagswahl zeigt er ein bebendes Gräberfeld mit vielen Bundespräsidenten, Bundeskanzlern und Bundesparteivorsitzenden seit 1949 mit dem Kommentar, nach dem Erfolg der AfD drehten sich alle im Grabe herum. Diese Einschätzung ist gewagt, und für Willy Brandt mag sie gelten. Aber die meisten von ihnen waren mehr oder minder freiwillige Mitläufer der NSDAP, später oft gewiefte Taktiker, die auch nach ganz rechts schielten. Adenauer war ein Nazi-Gegner, allerdings aus anderen Gründen als Brandt. Und er trug die Verantwortung dafür, dass viele Altnazis die neue Elite der Bundesrepublik bilden konnten und nicht nur geistiges Unheil anrichteten. Ich glaube, Adenauer, Erhard und Strauß haben im Grab bestenfalls den Mund mokant verzogen. Immerhin hat Stuttmann auf die Gräber von Lübke und Kiesinger in seiner Zeichnung verzichtet.

Frank Burkhard

Klaus Stuttmann: # Alles Fake!!, Schaltzeit Verlag, Berlin 2017, 224 Seiten, 19,90 Euro.

ArbeitsLos

Die Wiener Streifzüge widmen sich Ende 2017 dem Thema „ArbeitsLos“. Redakteur und Autor Franz Schandl schreibt: „Die Arbeit ist unser Los, egal ob wir sie haben oder los haben. Das Arbeitslos bestimmt das Leben. Abhängig ist nicht unbedingt besser als abgehängt, aber es ist aushaltbarer. Weil solche Leute Geld verdienen, zahlen können und daher auch nicht in dieser Weise drangsaliert werden müssen, handelt es sich doch um ordentliche Bürger. Dieser Status wird den Arbeitslosen verwehrt. Mental wie real. […] Wir sagen hier einmal mehr, was nicht gehört werden soll: Arbeitslosigkeit ist nicht mit Arbeit zu bekämpfen, sondern nur durch die Überwindung einer Gesellschaft, die dem Arbeitsgötzen dient. Alles spricht gegen die Arbeit, nichts für sie.“
Beiträge der Ausgabe wie „Recht auf materielle Existenz statt „Recht auf Arbeit“, „Arbeit und Arbeitslosigkeit“, „Arbeit 4.0 – ein Hype, „Gedanken zur Abwertung Arbeitsloser“
verleihen der Kritik an der Arbeit Ausdruck.
Eine hochinteressante Diskussion, die man sich näher anschauen sollte. Im Internet oder als Druckexemplar zu beziehen.
Streifzüge, Magazinierte Transformationslust.

mvh

multipolar aktuell

Die Nuklearwaffenmächte modernisieren ihre Arsenale. Abkommen wie der INF-Vertrag werden zunehmend in Zweifel gezogen. Steht die Welt vor einem neuen atomaren Wettrüsten?
Da wirkt es schon ermutigend, dass am 10. Dezember die Anti-Atomwaffenkampagne ICAN in Oslo mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. Sie war maßgeblich daran beteiligt, dass sich eine Staatenmehrheit im Rahmen der sogenannten Humanitären Initiative zusammenfand und einen UN-Beschluss zu Verhandlungen über ein Kernwaffenverbot durchsetzte.
Im Thema analysieren die Autoren diesen Prozess und den am 7. Juli 2017 in New York verabschiedeten Vertrag über das Verbot von Kernwaffen. Botschafter Alexander Kmentt (Österreich) und Sascha Hach (ICAN Deutschland) spielten in diesem Prozess eine aktive Rolle. Die Rechtsexperten Manfred Mohr und Gregor Schirmer weisen nach, dass der Vertrag eine völkerrechtliche Lücke schließt.
Zum Friedensnobelpreis gratulierte auch Bundesaußenminister Sigmar Gabriel, der allerdings den eigentlichen Anlass – den Verbotsvertrag – schamhaft verschwieg, hatte sich doch die Bundesregierung an den New Yorker Verhandlungen nicht beteiligt, was deren offiziellem Bekenntnis zu einer kernwaffenfreien Welt widerspricht. Damit ordnete sich Deutschland wieder einmal der von den USA bestimmten Politik der NATO unter, der die Doktrin der nuklearen Abschreckung zugrunde liegt. Nach jüngsten Umfragen sind jedoch 71 Prozent der Bundesbürger der Meinung, dass die neue Bundesregierung dem Verbotsvertrag beitreten sollte.
Im Theorie-Teil untersucht Wolfgang Schwarz die Gefahren der Abschreckungsdoktrin. Mit dem Weg in den Ersten Weltkrieg setzt sich Erhard Crome auseinander.
Im Forum geht es um die Herausforderungen der NATO-Raketenabwehr für die Rüstungskontrolle und den Konflikt um Südossetien sowie mögliche Lösungen.

am

multipolar – Zeitschrift für kritische Sicherheitsforschung, Ausgabe 3/2017, (Schwerpunktthema: „Sicherheitsdoktrinen eurasischer Mächte“), Potsdam, Einzelpreis: 9,90 Euro / Jahresabonnement: 25,00 Euro. Weitere Informationen im Internet.

Aus anderen Quellen

„Die Ankündigung, dass Trump zu seiner ersten Auslandsreise […] nach Riad fliegen würde, war […] eine Überraschung“, konstatiert Ibrahim Warde und fährt fort: „Neben der Liebe zu Pomp und Gold entdeckten der US-­Präsident und die saudischen Herrscher viele andere Gemeinsamkeiten. Dazu gehörte nicht nur der Hass gegen Iran und Präsident Obama, sondern auch der Regierungsstil. […] Im saudischen Königreich, das den Namen der Herrscherfamilie trägt, mischen sich Familie und Staat ohne verfassungsrechtliche Einschränkungen. Ebenso wie Trump es darauf anlegt, gegen die Normen der US-Politik zu verstoßen, gefällt sich der Kronprinz und starke Mann in Saudi-Arabien, Mohammed bin Salman (‚MBS‘), in der Rolle des Unberechenbaren.“
Ibrahim Warde: Das Haus Saud und die Trump-Holding, Le Monde diplomatique, 7.12.2017. Zum Volltext hier klicken.

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Als Kind in der DDR sei er nicht Pionier, sondern Ministrant gewesen, erklärt Alexander Osang in einem sehr ausführlichen Interview, und weiter: „Meinen Klassenkameraden war ich suspekt, weil ich dreimal die Woche in bunte Gewänder schlüpfte und die Glocken läutete, meinem Kaplan konnte ich schlecht erklären, dass ich den Sozialismus für die bessere Gesellschaftsordnung hielt. In der Beichte habe ich Sünden gebeichtet, die ich nicht begangen hatte. Das passte alles hinten und vorn nicht zusammen. Damit ist man überfordert, wenn man elf Jahre alt ist. Ich wäre gern Pionier gewesen. Wie die anderen.“
Martin Machowecz / Jana Hensel: Alexander Osang – „Ich habe gelebt wie ein Asozialer“ (Interview), Zeit Online, 11.12.2017. Zum Volltext hier klicken.

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„Südkoreas sozialliberaler Präsident Moon Jae-in, seit knapp sieben Monaten im Amt, findet sich im Auge eines geopolitischen Sturms“, meint Theo Sommer und erläutert: „Das Atom- und Raketenprogramm des feisten Jungdiktators Kim Jong-un in Pjöngjang hat eine Weltkrise ausgelöst. In einem Land, das ohnehin voller Spannungen und Spaltungen steckt, zwischen links und rechts, Regionen und Generationen, hat er nach der Amtsenthebung der Präsidentin Park Geun-hye einen innenpolitischen Scherbenhaufen geerbt; nun muss er sich ans Kitten machen. Schließlich muss er Südkorea, Asiens drittgrößte Volkswirtschaft, nicht nur aus einer ökonomischen Flaute herausführen, sondern auch das durch chronische Bestechungsskandale diskreditierte Chaebol-System, in dem zehn familiengeführte Großkonzerne alles beherrschenden Einfluss haben, einer überfälligen Reform unterziehen […].“
Theo Sommer: Moon Jae-in ist nicht zu beneiden, Zeit Online, 09.01.2018. Zum Volltext hier klicken.

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„Über den Waffen- und Diamanthandel hinaus“, schreibt Alhadji Bouba Nouhou in seinem Überblick über die wechselvolle Entwicklung der israelisch-afrikanischen Beziehungen seit 1947, „pflegen Israel und Afrika Wirtschaftsbeziehungen auf vielen Gebieten, beispielsweise im Agrobusiness oder in der Umwelttechnik. Das Unternehmen Beny Steinmetz Group Recources etwa ist in vier afrikanischen Ländern im Kupfer- und Kobaltbergbau sowie in der Öl- und Gasförderung tätig. In Kenia investieren israelische Firmen in die Hotellerie. Und in einem Vorort der ivorischen Hauptstadt Abidjan errichtet der Baukonzern Telemenia ein Gasheizkraftwerk. Die Diamantenindustrie lockt israelisches Kapital nach Südafrika und Botswana. Die Israelis haben langjährige Erfahrung mit Bedingungen der Wasserknappheit und bieten ihr Know-how in den Gebieten Sonnenenergie, Wasseraufbereitung und Landwirtschaft an.“
Alhadji Bouba Nouhou: Diamanten, Drohnen, Diplomatie. Geschichte der israelisch-afrikanischen Beziehungen, Le Monde diplomatique, 07.12.2017. Zum Volltext hier klicken.