von Thomas Parschik
Bald nach Schillers Ableben stellten seine Erben fest, dass Original-Unterschriften des Dichters sehr begehrt waren. Sie schnitten handschriftliche Namenszüge aus Originaldokumenten aus, klebten sie unter Bildnisse Schillers und verkauften diese an Sammler und Verehrer. So was nahm sich an der Wand ganz gut aus. Die Württembergische Herzogin begutachtete alle in ihrem Besitz verbliebenen Schiller-Autographen und radierte, was ihr anstößig erschien, aus.
In Weimar entstand im Jahre 1857 nach einem Entwurf von Ernst Rietschel ein Goethe-Schiller-Denkmal. Der angepasstere Goethe war in der Gesellschaft allerdings mehr akzeptiert als der Rebell Schiller. Beide wurden in gleicher Körpergröße dargestellt, obgleich der hagere Schiller den kleinen dicken Goethe im wirklichen Leben um einiges überragt hatte. Auch blieb es Goethe vorbehalten, den Lorbeerkranz in der Hand zu halten, den Schiller nur behutsam mit den Fingerspitzen betasten darf. Das Monument wurde aus osmanischen Kanonenkugeln gegossen. Auch das Schillerhaus in Weimar lohnt einen Besuch und ein Weimarer Gymnasium trägt heute seinen Namen.
Der Urenkel Schillers, Alexander von Gleichen-Rußwurm (1865-1947), beabsichtigte, literarisch in die Spuren seines großen Ahnen zu treten. Doch waren seine Bemühungen nicht in sonderlichem Maße von Erfolg gekrönt, sprich: er brauchte Geld. Im Oktober 1925 übersandte er in einem mit 65.000 Reichsmark versicherten Päckchen eine Perlenkette zwecks Reparatur an einen Juwelier. Tatsächlich enthielt das Päckchen aber nur eine Maus, die der Absender in der Erwartung hineingesetzt hatte, sie werde sich in die Freiheit nagen, so eine Beschädigung des Päckchens herbeiführen, und die Versicherung würde zahlen. Doch die Maus versagte: der Juwelier fand das Tierchen tot im Paket und erstattete Anzeige wegen Betruges. Der Absender erklärte daraufhin, er könne nicht ausschließen, besagte Kette in eine gleichartige Kiste gepackt und diese versehentlich in einen Fluss geworfen zu haben. Er wurde zu einer Geldstrafe von 10.000 Reichsmark verurteilt. Infolge der Mäuseaffäre nannte man von Gleichen-Rußwurm im Volksmund den „Mäusebaron“. Thomas Mann ließ die Episode in seinen Roman „Doktor Faustus“ einfließen. Das Buch erschien im Todesjahr des letzten Schiller-Nachfahren.
Schiller war ein Gegner jeglicher Willkür- und Gewaltherrschaft. Sätze wie „[…] und aus Deutschland soll eine Republik werden, gegen die Rom und Sparta Nonnenklöster sein werden“ (Die Räuber, 1. Akt, 2. Szene), sind eigentlich nicht misszuverstehen, wenn man nicht strunzedoof ist. Am 21. Juni 1934 veranstaltete die Hitlerjugend in Marbach am Neckar, der Geburtsstadt des Dichters, eine Schillerhuldigung auf der Schillerhöhe. Dort steht ein 1876 aus dem Metall erbeuteter französischer Kanonen gegossenes Schillerdenkmal. Während des zentralen Festaktes, an dem neben HJ und BDM auch SA und SS teilnahmen, zeigte sich, dass einer der Anwesenden seinen Schiller anscheinend etwas gründlicher gelesen hatte. Der Oberleutnant Hans Burrer trat vor und rief: „Hilf! Daß der Wahnsinn, der nazistische Wahnsinn aus den Hirnen schwindet! Und Deine Glut in Herzenstiefen zündet!“. Er wurde verhaftet und dürfte für sein mutiges Auftreten einen hohen Preis bezahlt haben. Heutzutage kommen Marbacher Kinder alljährlich an Schillers Geburtstag auf die Schillerhöhe, um in Dankbarkeit dafür, dass sie in der Schule seine Gedichte lernen dürfen, die Statue des Autors mit Blumen zu bewerfen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm ein französischer General und Schillerverehrer Schillers Taufhäubchen mit nach Hause. Vor seinem Tod beauftragte er seine Sekretärin, das Objekt zurückzuerstatten. Am Marbacher Bahnhof wurde die betagte Dame von Vertretern des örtlichen Schillervereins in Empfang genommen. Doch dann merkte sie – oh Schreck – dass sie das Häubchen im Zugabteil vergessen hatte. So tuckerte das Objekt mit dem Entenmörder, wie die Bottwartalbahn von um ihr Federvieh besorgten Landwirtschaft treibenden Anliegern genannt wurde, bis zur Endhaltestelle und wieder zurück, und siehe – es war noch da. Heute kann man es im Schillergeburtshaus besichtigen. Die Queen Elisabeth hat es auch schon angeschaut, am 24. Mai 1965. Vor ihrem Besuch bekam der Schillergeburtshaus-Hausmeister eine neue Toilette, weil man dem royalen Gast im Falle eines Falles die ursprüngliche nicht zumuten zu können meinte. Anders als in Weimar, wo er mit Goethe konkurrieren muss, kann sich Schiller in Marbach frei entfalten. Hier gibt es: ein (sehenswertes!) Schillernationalmuseum, ein Friedrich-Schiller-Gymnasium, einen Sportverein, der den Namen des Poeten trägt, eine Schiller-Apotheke, Schillerbrot, und beim Metzger eine Wurst namens Schillerlocken. Und natürlich Schillerwein. Es gab noch zwei andere Weinfabrikanten, die eine ähnlich gelagerte Marketingstrategie entwickelten, aber da der Name Schiller dummerweise schon besetzt war, nannten sie ihre edlen Tropfen „Don Carlos“ und „Dichterfürst“. Letzteren könnte man auch in Weimar ganz gut verkaufen, wobei offen bliebe, welcher der beiden Verdächtigen (G. oder S.) gemeint ist. In Marbachs Touristenläden findet man T-Shirts, die mit aus dem Kontext gerissenen Schillerzitaten bedruckt sind (wer möchte nicht ein Shirt mit der Aufschrift „Da werden Weiber zu Hyänen“ für seine bessere Hälfte mitnehmen?), Goethe- und Schillerköpfe als Gewürzstreuer, einen Plaste-Schiller, der bedächtig mit dem Kopf wackelt und weitere geschmackvolle Souvenirs. Was wohl unser Dichter dazu sagen würde?
Schlagwörter: Friedrich Schiller, Johann Wolfgang von Goethe, Marbach, Thomas Parschik, Weimar