von Peter Petras
Wie die Chancen für einen Frieden, zunächst einen Waffenstillstand in Syrien stehen, scheint weiter unklar. Immerhin haben die USA und Russland mitgeteilt, einen solchen vereinbart zu haben. Können sie ihn umsetzen? Warum haben sie ihn vereinbart?
Hier ist zunächst über einige Hintergründe zu reden. Am 14. Februar wurde bei Anne Will zum Thema diskutiert: „Bomben und Elend in Syrien – Lässt sich der Krieg stoppen?“ Diskutanten waren General a.D. Harald Kujat, der schon des Öfteren für realistische Sichten auf militärische Konflikte und Interessen plädiert hatte, die Journalistin Gabriele Krone-Schmalz als Russland-Kennerin, der aus Syrien stammende Arzt Marwan Khoury, der Journalist Kurt Pelda, der sich mehrmals in Syrien auf der Seite der Aufständischen aufgehalten hatte, sowie Martin Schulz, Sozialdemokrat und Präsident des EU-Parlaments.
Will wollte die Debatte immer wieder moralisieren und auf Gut und Böse hinaus – die übliche Verfahrensweise der derzeitigen deutschen Talkshow-Kultur. Krone-Schmalz und Kujat widersprachen ihr ausdrücklich. So könne man Skandale anzetteln und Schlagzeilen produzieren, aber trägt nichts zum Verständnis der politischen Entwicklungen bei. Der General betonte, dass Gut und Böse keine Kategorien der internationalen Politik seien. Auch Schulz bestätigte dies, wenngleich widerwillig. Kujat war eingeladen worden, weil er kurz zuvor in einem Interview gesagt hatte, der russische Militäreinsatz habe die Perspektive einer Friedenslösung für Syrien auf dem Verhandlungswege überhaupt erst eröffnet. Der Westen hatte dies seit 2012 im Bündnis mit Saudi-Arabien und der Türkei blockiert und auf einen „Regime-Change“ gesetzt. Zu diesem Zwecke waren die verschiedenen Rebellenorganisation unterstützt, ausgebildet, finanziert und bewaffnet worden, um Assad zu stürzen. Am Ende waren auch die Dschihadisten, einschließlich der „Islamische Staat“ (IS) daraus hervorgegangen.
Khoury betonte immer wieder, „die Syrer“ wollten Freiheit und lehnten Assad ab, der ein Mörder und für den Krieg verantwortlich sei. Im Grunde warf er damit – wie viele andere Menschen aus Syrien, die in Deutschland leben, sich der Opposition zurechnen und öffentlich auftreten – das Problem der Vorbedingungen wieder auf, das mit den Genfer Vereinbarungen erledigt schien: Mit Assad könne und dürfe man nicht verhandeln, erst müsse der abtreten und dann könne man über Frieden reden. Eine solche Position jedoch würde den Verhandlungsprozess wieder blockieren. Eine Friedenslösung gibt es immer nur, wenn alle Beteiligten einbezogen sind, in diesem Falle also auch die syrische Regierung. Sie ist völkerrechtlich gesehen nach wie vor die legitime Regierung des Landes.
Kujat entgegnete, man müsse zunächst verstehen, worum es geht: Bedingungen für Verhandlungen können durch militärische Entwicklungen verändert werden. Und derzeit sind die Regierungstruppen mit Unterstützung des russischen Militärs im Vormarsch. Deshalb müsste es im Interesse des Friedens und auch des Westens liegen, die Verhandlungen zu beschleunigen und nicht zu erschweren. Pelda dagegen meinte, man müsse von außen zunächst das „militärische Gleichgewicht“ zwischen Rebellen und Regierung wiederherstellen, um auf dieser Grundlage zu verhandeln. Die Frage wie er sich das vorstelle, beantwortete er nicht. Tatsächlich ginge dies nur durch direkte westliche militärische Einmischung gegen die Regierungstruppen – und gegen Russland. Was uns in der Tat einer militärischen Konfrontation zwischen Russland und den USA beziehungsweise der NATO näher brächte.
Bei allem Verständnis für die Perspektive jener Oppositionellen, die in Syrien für Demokratie und Menschenrechte demonstrierten und von Polizei und Regierungstruppen beschossen wurden: Es gibt auch im 21. Jahrhundert kein Recht auf den Sieg einer Revolution. Eine Revolution kann beginnen. Wie sie endet, hängt vom Kräfteverhältnis im Lande ab. Revolutionäre verstoßen immer gegen das geltende Recht, weil dies den existierenden Staat und seine Ordnung schützen soll. Die Regierung kämpft gegen die Revolutionäre stets im Namen des geltenden Rechts, am Ende auch mit Kanonen. Das haben die Bürgerlichen in den französischen Revolutionen nach 1789 und 1848 getan, die österreichische Regierung nach 1848 bei der Niederschlagung der Revolutionen in Wien und Budapest, die Freikorps und die Ebert-Regierung in Deutschland 1919. Den überlebenden Revolutionären bleibt dann, ins Ausland zu gehen oder sich im Lande unter den reaktionären Bedingungen einzurichten. Die politische und moralische Wut und Enttäuschung in die Forderung nach Militäreinsatz von außen umzusetzen, ist nachvollziehbar, aber nicht realistisch. Warum sollten die USA und Russland wegen Syrien Krieg gegeneinander führen? Das haben sie im Kalten Krieg „nicht einmal“ wegen Berlin, Budapest, Warschau oder Kuba getan.
Tatsächlich entstand mit dem Einsatz der russischen Flugzeuge und Raketen in Syrien und dem Vormarsch der Regierungstruppen eine neue Lage. Hofften auch im Westen viele klammheimlich und offen, das Assad-Regime werde bald fallen, ist es nun im Vormarsch. Nachdem zum ersten Mal gemeldet wurde, die zuvor vom IS kontrollierten Nachschubwege zu jenem Teil von Aleppo, der von Rebellen kontrolliert wird, seien von Regierungstruppen genommen, wurde von türkischer sowie saudi-arabischer Seite gedroht, Bodentruppen nach Syrien zu schicken. Geredet wurde natürlich wieder von einem Einsatz gegen den IS, gemeint war ein Einsatz gegen Assad.
Russland hat in seinem Syrienkrieg nicht nur neueste Raketen und Flugzeuge im Einsatz, sondern auch seine neuesten Panzer, so 15 vom Typ T-90 „Wladimir“. Westliche Mutmaßungen, die würden vor Aleppo von russischen Soldaten gesteuert, die damit direkt im Militäreinsatz am Boden wären, wurden von russischer Seite dementiert. Es wurde jedoch eingeräumt, dass nicht nur syrische Militärs, sondern auch irakische und iranische, die auf Seiten der syrischen Regierung kämpfen, an diesen Waffensystemen ausgebildet wurden. Neben Saudi-Arabien hatten auch andere Golfstaaten über den Einsatz von Bodentruppen in Syrien geredet, darunter Katar, das über deutsche Kampfpanzer verfügt, die bisher in Jemen eingesetzt werden. So wäre es auf syrischem Boden zum ersten Mal seit dem zweiten Weltkrieg wieder zum Kampf zwischen deutschen und russischen Panzern gekommen.
Saudi-Arabien und die Türkei hatten dann jedoch Angst vor der eigenen Courage und erklärten, sie würden nur an einem Einsatz von Bodentruppen teilnehmen, wenn die USA diesen führten. Die winkten ab. Stattdessen telefonierten die Präsidenten Obama und Putin sowie die Außenminister Kerry und Lawrow und vereinbarten den Waffenstillstand. Damit ist zunächst sichergestellt, dass es eine weitere Eskalation des Krieges durch Einmarsch verschiedener Regionalmächte nicht geben wird. Danach geht es um den Waffenstillstand und schließlich die Ermöglichung wirklicher Friedensverhandlungen. Bei aller Schwächung der beiden ehemaligen Supermächte, eine solche Konfliktbegrenzung können sie immer noch durchsetzen.
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